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Memento mori in Waterford
Museyroom Teil 9: The Irish Wake Museum in Waterford, der ältesten Stadt Irlands, erinnert an Rituale der Totenwache
Waterford, im Südosten Irlands gelegen, ist die älteste Stadt Irlands. Die Wikinger errichteten bereits 853 in deren Nähe eine Siedlung. Das 2023 eröffnete Irish Wake Museum hat im einstigen Armenhaus für alte Menschen sein Domizil gefunden, im God’s People’s House, gegründet am 2. November 1478, an Allerseelen, dem Gedenktag für die Verstorbenen. Das Wake Museum ist eine Ergänzung der Museenlandschaft der Stadt: Der Reginald’s Tower, errichtet 914, ist das älteste öffentliche Gebäude Irlands, daneben gibt es noch das Mittelaltermuseum, den Bischofspalast, das Silbermuseum sowie das Museum der Zeit.
Lange bevor das Armenhaus gebaut wurde, war der Glaube weitverbreitet, dass die Seele nach dem Tod eine Weile in der Intermediärzone des Purgatoriums zubringt. Im Fegefeuer haben die armen Seelen stets die Gewissheit, daraus entlassen zu werden, und zwar geläutert und immer in Richtung Himmel. Für viele Iren war das Purgatorium ein realer Ort, sein Eingang befand sich diesem Glauben nach beim Purgatorium des heiligen Patrick, gelegen auf Station Island im Lough Derg, County Donegal. Dorthin kamen Pilger aus ganz Europa. Seit dem 13. Jahrhundert ist das Gedankenmodell Purgatorium unter Theologen und in den Gemeinden allgemein bekannt; theologisch völlig ausgebildet findet sich die Lehre bei Thomas von Aquin, verankert in der europäischen Literatur- und Kunstgeschichte wurde sie durch Dantes »Göttliche Komödie«.
Im Museum liegt die Kraft. Glauben Sie nicht? Gehen Sie doch mal rein! Jeden Monat stellen wir eins vor, in Text und Bild. So wie James Joyce es in »Finnegans Wake« geschrieben hat: »This is the way to the museyroom.«
In Waterford forderte Dekan Collyn seine Schäfchen auf, für die Kirche zu spenden. Aus seiner »Register and Rent Roll« geht hervor, dass die Mieten aus nahezu vierzig Liegenschaften 1468 verwendet wurden, um an der Südseite der Christ Church Cathedral eine Totenmesskapelle zu errichten. Zehn Jahre später ließ Collyn das Armenhaus bauen. Seine eigene Spende war ein großer Kochtopf für die Armen, in dem sie über dem Kaminfeuer ihre Nahrung zubereiten konnten. Zudem bestimmte er, dass nach dem Tod einer oder eines Armen deren oder dessen Kleidungsstücke an diejenigen zu übergeben seien, »die sie am nötigsten brauchen«. Der Dekan wurde bei seinem Vorhaben von seinem Freund, dem langjährigen Bürgermeister James Rice, unterstützt. Auf Collyn und Rice wird während der Führung durch das Wake Museum besonders verwiesen. Das imposante Grabmal von Rice ist in der Christ Church Cathedral zu bewundern.
Die Wake-Führung durch einen als Bestatter aus früherer Zeit zurechtgemachten Tour Guide beginnt mit einer audiovisuellen Präsentation, wie die irische Landschaft rund 6000 Jahre lang vom Tod gezeichnet wurde. Danach geht es durch die chronologisch angeordneten, spärlich beleuchteten Räume. Die Pest breitete sich ab 1349 in Irland aus. Um 1600 wurde Waterford eine Basis für die Besiedlung der irischen Region Munster durch protestantische Siedler der englischen Krone, die sich auf dem konfiszierten Land von Katholiken breitmachten. Zu sehen ist eine Seite aus dem »Great Parchment Book«, in dem die Pesttoten verzeichnet sind. Die Pest wurde durch die Soldaten der englischen Königin Elizabeth I. verschlimmert. Sie rissen den Pesttoten, die vor der Stadtmauer zu beerdigen waren, die Kleidung vom Leib und bemächtigten sich deren sonstigen Eigentums. Während der verheerenden Hungersnot von 1740/41, die sich infolge langanhaltender Kälte und Trockenheit entwickelte, starb ein Fünftel der irischen Bevölkerung von 2,4 Millionen Menschen. Ein Pfarrer im County Monaghan beschrieb, wie die Toten, da sie nicht beerdigt wurden, auf den Feldern von Hunden gefressen wurden.
In Waterford versorgte man bis zu 1800 Menschen jeden Tag mit Armenspeisung. Derweil wurden im 70 Kilometer entfernten kleinen Ort Lismore jeden Tag um die 15 Tote beerdigt. Während des 17. Jahrhunderts starb jedes fünfte neugeborene Kind in den ersten Lebenswochen, oft war der Prozentsatz wegen Masern, Blattern und Grippe noch höher. Mit ausgewählten Exponaten wird gezeigt, wie Ärzte den Krankheiten begegneten. Die Medizin war »folk medicine«, die Rezepte für Heilmittel wurden von Generation zu Generation weitergegeben. Zu sehen sind etwa ein Porträt von einem Herrn Mackesy alias Billy the Bleeder und eine silberne Blutungsschale, wie er sie beim Aderlass verwendete. Weitere Exponate verweisen auf die Verwendung von Trauerschmuck. Diese geht zurück auf das Jahr 1626, als ein Lisagh O’Connor sechs Verwandten jeweils 20 Schillinge für Trauerringe überließ. Einem Freund vermachte er seine wertvolle Uhr unter der Bedingung von 100 Messen für seine Seele.
Im obersten Stockwerk schließlich befindet sich der eigentliche Wake-Raum. Eine Schaufensterpuppe ist im Bett als Leichnam drapiert, die Augen sind früherer Praxis folgend mit Münzen bedeckt – die Augenlider sollten sich nicht durch einen postmortalen Spasmus öffnen können. Das Fenster ist geöffnet, damit die Seele der Toten entweichen kann. Ein Spiegel ist aus Respektgründen verhüllt. Der Tour Guide ist mehr als sparsam mit Informationen über die irische Totenwache. Die Wurzeln der sakralen Trauerkultur der Iren gehen zurück auf prähistorische Formen keltischer und vorkeltischer Totenkulte, über die sich wie ein Bahrtuch christlich-katholische Rituale gelegt haben.
Stirbt ein Familienmitglied, so wird der von den engsten Verwandten gewaschene Leichnam aufgebahrt, und noch am selben Abend versammeln sich Freunde und Nachbarn im Haus zum gemeinsamen Gebet – einst herbeigerufen vom »keening« (Wehklagen) von Frauen. Für wenig Geld ließen sich in Waterford Frauen zum Wehklagen anheuern; eine Totenwache wurde als gut erachtet, wenn die Frauen so laut wehklagten, wie sie nur konnten und weit zu hören waren. Beim Gebet im Haus bleibt es jedoch nicht, mit jedem Whiskey und mit jeder Priese Schnupftabak (früher mit einer Tonpfeife eingenommen) erhellen sich die Mienen, Geschichten werden erzählt, es wird gesungen und gar getanzt. Das muntere Wachen soll den Hinterbliebenen die Trauerarbeit erleichtern. Ein Wake Museum hätte diese im Verschwinden begriffene Tradition ebenso näher zu beleuchten wie die englischen Kommentare dazu, die etwa in »Brand’s Popular Antiquities of Great Britain« von 1905 zu finden sind. Auch ein Hinweis auf »Finnegans Wake«, das 1939 erschienene letzte Werk von James Joyce, dürfte im Museum der Totenwache eigentlich nicht fehlen.
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