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  • Regierungsbildung in Spanien

Pedro Sánchez wittert in Spanien seine Chance

Spaniens Ministerpräsident rechnet mit dem Scheitern der Regierungsbildung des rechten Alberto Feijóo

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 4 Min.

Es kam am Mittwoch, wie es kommen musste. Heute wird sich das Spektakel im spanischen Parlament zwar wiederholen, doch erneut wird der Chef der rechten spanischen Volkspartei (PP) nicht zum Regierungschef gewählt werden. Schon am Mittwoch stimmten 178 Abgeordnete gegen Alberto Núñez Feijóo, nur 172 für ihn. Niemand erwartet, dass er nun im zweiten Anlauf mehr Ja- als Nein-Stimmen erhält. Dass sich einige Abgeordnete enthalten könnten, die noch am Mittwoch gegen ihn gestimmt haben, glauben weder Feijóo noch seine PP, die sich vor allem auf die rechtsradikale Vox-Partei stützt.

Feijóo fehlt offensichtlich die Unterstützung im Parlament. Der Sozialdemokrat und amtierende Ministerpräsident Pedro Sánchez hatte dessen Versuch als »Zeitverschwendung« kritisiert. Der Professor für Verfassungsrecht Joaquín Urías kritisierte, dass mit der Beauftragung von Feijóo eine »Perversion der Verfassung mit Unterstützung des Königs vollzogen wurde«. Denn der Staatschef hatte den PP-Kandidaten beauftragt, obwohl klar war, dass der im Bündnis mit Vox keine Mehrheit erhalten würde. So stellte Feijóo faktisch kein Regierungsprogramm vor, sondern ihm wurde eine Bühne für seine Rolle als Oppositionsführer geboten.

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Sánchez, der in der Debatte nicht einmal das Wort ergriff, Feijóo zu dessen Ärger die kalte Schulter zeigte, gibt sich nun siegessicher. Er lud am Donnerstag sozialdemokratische Europaparlamentarier ein, die sich gerade in Spanien aufhalten, der »reaktionären Niederlage von PP und Vox« beizuwohnen. Er kündigte dazu lauthals an: »Es wird in Kürze eine progressive Regierung geben.« Das sei das Mandat der Wahlen vom 23. Juli. Das ist eine steile These, denn die hat die PP gewonnen.

Die Patchwork-Regierungsbildung von Sánchez vor vier Jahren müsste für eine Mehrheit nun auch noch um die Partei des katalanischen Exilpräsidenten Carles Puigdemont erweitert werden. Ohne die sieben Stimmen der liberalen katalanischen Unabhängigkeitspartei »Gemeinsam für Katalonien« (JxCat) reicht es Sánchez 2023 nicht mehr, da dessen bisherige Koalition und Unterstützer geschwächt wurden. Puigdemont legt aus dem belgischen Exil die Latte hoch. Neben einer Amnestie für Tausende Katalanen, die seit den Vorgängen um das Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober 2017 repressiv von der spanischen Justiz, wie er verfolgt werden, fordert er auch die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts. Diese Forderungen müssen nach Ansicht von JxCat erfüllt sein, um Verhandlungen mit den Sozialdemokraten (PSOE) aufzunehmen.

Puigdemont meint es ernst. Spanien musste schon bei der EU beantragen, dass künftig auch die ko-offiziellen Sprachen wie Katalanisch in der EU gesprochen werden dürfen. JxCat setzte durch, dass sie 45 Jahre nach dem Ende der Diktatur endlich im Madrider Parlament gesprochen werden dürfen. Die Frage wurde in Brüssel aber nicht abgenickt, sondern mit Zweifeln auch aus Deutschland in eine Kommission verschoben, was die Lage für Sánchez verschlechtert hat. Spanien hat derweil auch bei Europol beantragt, die katalanische Unabhängigkeitsbewegung von der Terrorismus-Liste zu streichen, eine weitere Puigdemont-Forderung. Es war absurd, dass die friedliche Bewegung von Spanien als »zweitgrößte Bedrohung« nach islamistischem Terror benannt wurde.

In Bezug auf die Amnestie behauptet die Republikanische Linke Kataloniens (ERC), deren Stimmen Sánchez erneut auch benötigt, die Frage wäre schon geklärt. Puigdemont stellte klar, dass er sich an Absprachen von PSOE und ERC nicht gebunden fühlt. Die ERC tue, was sie tue »und wir werden sehen, was wir tun«, sagte er.

Real ist nicht einmal die Amnestie gesichert. Die katalanische PSOE-Sektion will zum Beispiel im katalanischen Parlament gegen Anträge von verschiedenen Fraktionen zu dieser Frage stimmen. Noch schlechter sieht es bei der Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts aus. Finster ist die Lage in der Referendumsfrage. Auch die neue spanische Linkskoalition »Sumar« (Summieren) erklärt, dass nur über eine Amnestie verhandelt werde. In der PSOE hat Sánchez die Devise ausgegeben, nicht einmal das »kleinste Schlupfloch« in der Referendumsfrage offenzulassen. Denn schon gegen eine Amnestie gibt es starken Widerstand in der PSOE. Da der kaum in kurzer Zeit beseitigt werden kann, zeichnet sich statt einer neuen Sánchez-Regierung eine Wiederholung der Wahlen ab – wie zuletzt 2019, als keine Regierungsbildung zustande kam.

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