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Berliner Plansche-Prozess: Gabrielle Lebreton kämpft weiter
Rausschmiss nach Sonnenbad mit freiem Oberkörper – Betroffene verklagt Berlin wegen Diskriminierung
Weil Gabrielle Lebreton sich mit nacktem Oberkörper auf einem Spielplatz aufhielt, wurde sie des Ortes verwiesen. Darauf folgten eine Welle der Solidarität, eine Klage gegen das Land Berlin und zähe Gerichtsprozesse. Mittlerweile zehren die Verhandlungen an der Frau, die am Freitag im Berufungsverfahren am Kammergericht sitzt.
Sicherheitsdienst und Polizei hatten Lebreton im Juli 2021 auf dem Wasserspielplatz Plansche im Plänterwald wegen »ungehörigen« Verhaltens gerügt, weil sie zum Sonnen ihr Oberteil ausgezogen hatte. Sie musste den Platz mit ihrem Kind verlassen. Gleichzeitig hielten sich auf dem Platz viele Männer mit nacktem Oberkörper auf. Ihr Fall weckte viel Aufmerksamkeit, unter anderem in den sozialen Medien. In Berlin demonstrierten Frauen mit nackten Oberkörpern oder Männer mit BHs, während sie mit dem Fahrrad durch die Stadt fuhren. Die Betroffene Lebreton verklagte das Land wegen Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts. Doch ihre Klage scheiterte in erster Instanz vor dem Landgericht. Begründung: Die Klägerin habe das »geschlechtliche Schamgefühl« in Teilen der Gesellschaft verletzt. Lebreton ging mit ihrer Anwältin Leonie Thum in Berufung.
Die Klage beruft sich auf das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG), welches erst im Juni 2020 vom Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedet wurde. Es gilt als Meilenstein, denn es ist das erste und bisher einzige Gesetz seiner Art auf Landesebene in Deutschland. Kern des LADG ist, Diskriminierung durch öffentliche Stellen und Behörden des Landes wie Schulen, Bürgerämter, Polizei oder Gerichte zu verbieten. Betroffenen gibt es die Möglichkeit zu klagen, und es schließt eine Rechtslücke des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, denn das gilt nur für Diskriminierung im privaten Bereich wie bei der Arbeit oder auf dem Wohnungsmarkt.
Bereits in der ersten Instanz habe das Landgericht die verfassungsrechtlichen Maßstäbe im LADG übergangen, meint Anwältin Thum. Nach Artikel 3 des Grundgesetzes darf kein Mensch wegen seines Geschlechts bevorzugt oder benachteiligt werden. Thum legt dar, dass das Land Berlin mit aufwendigen Mitteln eine Ombudsstelle eingerichtet habe, welche die Umsetzung des LADG überprüfe. Nach dem Verweis Lebretons von der Plansche schaltete sich die Ombudsstelle ein und bewirkte, dass der Bezirk Treptow-Köpenick und sämtliche Berliner Bäder ihre Nutzungsordnungen anpassten. Seitdem ist es allen Geschlechtern offiziell erlaubt, ihren Oberkörper unbekleidet zu lassen – auch in der Plansche. Es ist eine Entwicklung, die den weiteren Verlauf des Plansche-Prozesses wesentlich bestimmt.
Nun steht die Forderung der Klägerin auf Entschädigung offen: Die vom Gericht vorgeschlagene Summe von 500 Euro Schadensersatz sei nicht genügend, sagt Thum. »Diese Summe hat über einen längeren Zeitraum keinen Effekt, da sie keinen Sanktions- oder Präventionscharakter hat«, sagt die Anwältin. Um zu verhindern, dass es künftig zu vergleichbarer Diskriminierung komme, fordert Thum 10 000 Euro Entschädigung. Sie verweist dabei insbesondere auf die Folgeschäden Lebretons: »Im ganzen Verfahren wurde ihr Fall nicht als Diskriminierung anerkannt. Das Verhalten und die Behandlung der Mandantin im Nachgang ist besonders wichtig, da es ihre Belastung verschlimmert hat.«
Unterdessen argumentiert Rechtsanwalt Eike-Heinrich Duhme, der das Land vertritt, Sicherheitsdienst und Polizei seien im Fall Plansche nicht als behördliche Vertreter anzuprangern: Der Sicherheitsdienst habe nicht öffentlich-rechtlich gehandelt und die Polizei sei lediglich zur Amtshilfe verpflichtet gewesen. Sie habe kein »tiefgreifendes Prüfungsrecht gehabt« und den Sicherheitsdienst lediglich beim Ausführen seines Auftrags unterstützt. Zudem habe der Bezirk das Verhalten der Klägerin gar nicht als ordnungswidrig nach Paragraf 118 beanstandet und »viel dafür getan, ihr entgegenzukommen«. Dass die Klägerin im Nachgang schwer belastet gewesen sei, wäre jedoch vermeidbar gewesen, indem sie der »höflichen Bitte des Sicherheitsdienstes Folge geleistet hätte«, ihr Oberteil wieder anzuziehen.
Diese Darstellung, wendet Anwältin Thum umgehend ein, sei eine klassische, retraumatisierende Täter-Opfer-Umkehr. »Die Auswirkungen der Diskriminierung sind nicht ihre Schuld«, sagt Thume. Zu argumentieren, ihre Mandantin hätte sich den Prozess ersparen können, wenn sie den Anweisungen gefolgt wäre, verstärke nur die Diskriminierung. Am Ende der fast dreistündigen Verhandlung am Freitag legt die Vorsitzende Richterin Cornelia Holldorf der Klägerin nahe, über eine einvernehmliche Lösung ohne Urteil nachzudenken. Schließlich würde ein solches Ereignis aufgrund der vorgenommenen Änderungen heute nicht mehr so passieren, betont Holldorf. Nachdem die Nutzungsordnung geändert wurde, »bleibt nicht viel zu kompensieren«, stellt sie fest.
Doch Klägerin Lebreton schließt den vorgeschlagenen Vergleich aus. »Ich habe nach zwei Jahren kein Vertrauen mehr, dass die diskriminierende Behandlung anerkannt wird«, sagt die 39-Jährige. »Ich möchte, dass das Gericht eine Entscheidung trifft.« Da Lebreton einen Vergleich ablehnt, schlägt Richterin Holldorf ein sogenanntes Anerkenntnis vor. Dieses stellt im Zivilrecht eine Erklärung dar, mit der der Beklagte im Gerichtsprozess die an ihn gestellten Ansprüche ganz oder in Teilen anerkennt. Damit würden sich die Forderungen der Klägerin erübrigen. Anwalt Duhme zeigt sich am Ende offen, darüber nachzudenken. Die Verhandlung soll an einem Folgetermin fortgesetzt werden.
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