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Deutsche Einheit mitten im Krieg kein Grund zum Feiern
Berliner Friedenskoordination ruft für den 3. Oktober zur Demonstration vor dem Außenministerium auf
Ein Foto der Nachrichtenagentur AFP zeigt am Sonntag eine brennende Industrieanlage im ukrainischen Uman und zwei Feuerwehrleute beim Löschen der Flammen. Am selben Tag meldet Russland, die Ukraine habe die russische Stadt Schebekino und ein Dorf in der Gegend von Brjansk beschossen. In Schebekino seien drei Menschen von Splittern verletzt, in dem Dorf Wohnhäuser und zwei Verwaltungsgebäude beschädigt worden. Ein Ende des Krieges scheint nicht in Sicht.
Für Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ist der 3. Oktober ein Tag zum Innehalten. Die Wende von 1989/90 in der DDR sei eine Zeit voller Hoffnungen gewesen, aber auch mit Enttäuschungen verbunden. »Deshalb ist die Angst, das in den letzten mehr als 30 Jahren hart Erarbeitete wieder zu verlieren, bei vielen Ostdeutschen stärker ausgeprägt als in Westdeutschland.« Dennoch erklärt Woidke jetzt: »Der Tag der deutschen Einheit ist für mich ein Tag zum Feiern.« Das sieht die Berliner Friedenskoordination (Friko) anders. Sie lädt für den 3. Oktober zu einer Demonstration unter dem Motto: »Tag der deutschen Einheit. Kein Grund zum Feiern! Höchste Zeit für Friedenspolitik!« Treffpunkt ist um 13 Uhr das Außenministerium am Werderschen Markt. Von dort geht es zur SPD-Zentrale – mit einer Zwischenkundgebung am Finanzministerium.
Als Redner angekündigt sind unter anderen Harri Grünberg vom Bündnis »Heizung Brot und Frieden«, geboren im Januar 1951 in einem Lager für Holocaust-Überlebende, und der Journalist Rüdiger Göbel, der 2016 von der Tageszeitung »Junge Welt« ins Büro der Bundestagsabgeordneten Sevim Dağdelen (Linke) wechselte. Wie viele Menschen zur Demonstration kommen werden, vermag Laura von Wimmersperg von der Friko schwer einzuschätzen. An einem Feiertag kurz nach einem Wochenende mit nur einem Brückentag könnten es etwas weniger sein als bei anderen Friedensaktionen, weil viele Berliner da verreisen, vermutet sie. Meint aber: »Immerhin, wir machen es.«
Den Aufruf schmückt ein Zitat des Schriftstellers Erich Maria Remarque (1898-1970), der mit seinem 1928 veröffentlichten Antikriegsroman »Im Westen nichts Neues« berühmt wurde: »Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen Krieg, bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hinmüssen.«
Passend zum Tag der deutschen Einheit erinnert die Friko: »1990 verpflichteten sich die damals noch zwei deutschen Staaten zusammen mit den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs im Zwei-plus-vier-Vertrag, ein gemeinsames friedliches Europa zu errichten, in dem die Sicherheitsinteressen aller berücksichtigt werden müssen.« Das sei Bedingung für die Wiedervereinigung gewesen. 2023 sei Europa weit davon entfernt, im Frieden zu leben. Der Krieg in der Ukraine eskaliere. Es drohe der Einsatz von Atomwaffen. Die deutsche Regierung mache sich zum »Büttel der USA«, sei zweitgrößter Waffenexporteur in die Ukraine und behindere diplomatische Bemühungen. Die Finanzierung des Krieges und die Sanktionen gegen Russland verschärften die soziale Lage in der Bundesrepublik, heißt es. »Kriegsrethorik und staatlich geschürte Russophobie verunmöglichen in Deutschland mittlerweile einen sachlichen Diskurs. Wer von der regierungsoffiziellen Meinung abweicht, wird diffamiert und kann strafrechtlich verfolgt werden.« Das dürfe man nicht hinnehmen. Gefordert werden ein Waffenstillstand ohne Vorbedingungen, ein Stopp aller Waffenlieferungen, ein Ende der Sanktionspolitik und Milliarden für soziale Ausgaben. Das Spendenkonto der Berliner Friko läuft übrigens über Elisabeth Wissel, Bezirksverordnete der Linken in Tempelhof-Schöneberg.
Seit die Berliner Friko 1980 gegründet worden sei, und zwar maßgeblich durch den deutsch-jüdischen Widerstandskämpfer Fritz Teppich (1918-2012), gehöre der Antifaschismus zu den Grundprinzipien der Friedenskoordination, betont Laura von Wimmersperg. Hintergrund sind Vorwürfe der Norh East Antifa, also der Nordost Antifa, von März 2023, es gebe innerhalb der ursprünglich respektablen Friko jüngst Querfront-Bestrebungen und eine Doppelstrategie, sowohl Linken als auch Rechten eine Teilnahme an ihren Friedensaktionen zu ermöglichen. Laura von Wimmersperg weist die Anschuldigungen zurück und gibt lediglich zu, persönlich das Gespräch mit Kritikern der Corona-Maßnahmen gesucht zu haben. »Lässt man die allein, die eigentlich zu uns gehören, orientieren sie sich nach rechts«, befürchtet von Wimmersperg. Sie wird am Dienstag 89 Jahre alt und möchte ungeachtet dessen bei der Friedensdemonstration dabei sein. Dass die pazifistischen Autoren Carl von Ossietzky (1889-1938) und Romain Rolland (1866-1944) ebenfalls am 3. Oktober Geburtstag haben, »hat mich immer gefreut«, sagt Laura von Wimmersperg.
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