- Politik
- Geplante EU-Chatkontrolle
Europol will Entschlüsselung auch zur Migrationsabwehr nutzen
Die EU-Polizeiagentur will mithilfe der geplanten Chatkontrolle auch Schleuser bekämpfen
Um gegen »organisierte Schleuserkriminalität« vorzugehen, will die EU-Polizeiagentur Europol verstärkt Beweismittel aus verschlüsselten Textnachrichten nutzen. Um dies zu ermöglichen, sollen die Kapazitäten der Strafverfolgungs- und Justizbehörden entlang der Migrationsrouten verstärkt werden. Dies geht aus einem Papier der spanischen EU-Ratspräsidentschaft hervor, das von der britischen Organisation Statewatch veröffentlicht wurde. Die Methoden sollen demnach auch »in Drittländern« eingesetzt werden.
Europol will außerdem sämtliche Informationen verarbeiten dürfen, die aus der geplanten EU-Chatkontrolle stammen. Die EU-Kommission hatte für diese Chatkontrolle nach Aufforderung des Rates im Mai vergangenen Jahres eine Verordnung zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern vorgeschlagen. Damit sollen die Anbieter von Betriebssystemen für Mobiltelefone verpflichtet werden, einen Überwachungsmechanismus auf sämtlichen Geräten zu installieren – eine Art Hintertür für Sicherheitsbehörden.
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Wenn dieser Mechanismus auf den Geräten Hinweise auf strafwürdiges Verhalten im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch von Kindern findet, wird eine zuständige Polizeibehörde benachrichtigt. Der Vorschlag der Kommission sieht außerdem die Einrichtung eines neuen EU-Zentrums zu dem Thema vor, das eng mit Europol zusammenarbeiten soll.
Letzte Woche wurde durch eine gemeinsame Recherche europäischer Medien bekannt, dass Europol und die Kommission im vergangenen Jahr bereits die weitere Verwertung aller entschlüsselten Telefondaten aus der Chatkontrolle besprochen haben. »Alle Daten sind nützlich und sollten an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden«, wird Europol in Berichten zitiert. Demnach sollten diese Informationen ausdrücklich nicht für den Verwendungszweck der Verfolgung sexualisierter Straftaten an Kindern begrenzt werden. Europol soll sogar vorgeschlagen haben, das geplante Gesetz zur Chatkontrolle auf andere Kriminalitätsbereiche auszuweiten.
Die Recherchen ergaben zudem, dass Europol und die Kommission zur Durchsetzung der Chatkontrolle enge Verbindungen zu diversen Lobby-Organisationen unterhalten. Der Leiter einer Europol-Abteilung gegen sexuellen Kindesmissbrauch wechselte demnach zur US-Organisation Thorn, die von dem Schauspieler Ashton Kutcher gegründet wurde und Künstliche Intelligenz zur Bekämpfung von Kinderpornografie entwickelt. Derselbe Abteilungsleiter nahm anschließend an einem entsprechenden Expertentreffen bei Europol teil. Auch der Leiter des Cybercrime-Zentrums von Europol wechselte 2022 zu Thorn und ist dort mittlerweile im Vorstand. Neelie Kroes, ehemalige EU-Kommissarin für die Digitale Agenda, ist dort ebenfalls vertreten.
Die geplante EU-Verordnung zur Chatkontrolle sollte kürzlich im Rat der Innenminister vorentschieden und anschließend mit dem Parlament verhandelt werden. Einige Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, sprechen sich jedoch gegen den aktuellen Gesetzestext aus. Dabei geht es unter anderem um die Überwachung der privaten Mobiltelefone. Eine aktualisierte Fassung der spanischen Ratspräsidentschaft, die den Bedenken Rechnung trägt, steht noch aus.
Europol verfügt bereits über ein Entschlüsselungszentrum, in dem jedoch nur verschlüsselte Dateien verarbeitet werden, die Europol oder Behörden einzelner Mitgliedstaaten im Rahmen von Ermittlungen erhalten haben. Dem Vernehmen nach ist der Erfolg dieses Zentrums aber bescheiden. Das könnte sich ändern, wenn der geplante Zugang Europols zu Supercomputern der EU-Forschungsagentur zur Routine geworden ist.
Um gegen die unerwünschte Fluchthilfe vorzugehen, hat Europol bereits 2016 ein Zentrum zur Bekämpfung der Migrantenschleusung eingerichtet. Zu den Aufgaben dieses Zentrums gehört die Suche nach Inhalten im Internet, die Dienste zur Unterstützung von Menschen auf der Flucht bewerben. Anschließend sorgt eine Meldestelle für Internetinhalte bei Europol dafür, dass diese Postings entfernt werden. Diese Meldestelle schickt entsprechende Anordnungen an die sozialen Medien oder die Inhaber von Webseiten, auf denen die Inhalte gefunden wurden. Ursprünglich sollten auf diese Weise ausschließlich terrorismusbezogene Straftaten verfolgt werden, doch kurz nach Gründung der Meldestelle wurde deren Aufgabenbereich auf »Schleusungskriminalität« erweitert.
Europol verarbeitet auch Daten, die es von der EU-Grenzagentur Frontex erhalten hat. Darunter befinden sich laut Medienberichten auch Informationen zu migrationssolidarischen Nichtregierungsorganisationen, die Frontex bei Befragungen von Asylsuchenden erhalten hat. In ihrem jüngsten »Trendbericht« zu Terrorismus bezeichnete die Polizeiagentur außerdem die Anti-Frontex-Kampagne sowie die internationale No-Border-Bewegung als extremistische Netzwerke.
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