US-Thriller »Fair Play«: Führende Frauen, gekränkte Männer

Chloe Domonts neuer Film erzählt von einer toxischen Beziehung in der New Yorker Finanzbranche

  • Nicolai Hagedorn
  • Lesedauer: 5 Min.
Die Frau wird befördert, der Mann gekränkt: Emily (Phoebe Dynevor) und Luke (Alden Ehrenreich) in »Fair Play«
Die Frau wird befördert, der Mann gekränkt: Emily (Phoebe Dynevor) und Luke (Alden Ehrenreich) in »Fair Play«

Seine Weltpremiere feierte »Fair Play« auf dem Sundance-Filmfestival im Januar dieses Jahres. Netflix sicherte sich die Verwertungsrechte; hierzulande läuft der Film seit diesem Donnerstag in ausgewählten Kinos und ist auch auf Netflix zu sehen. »Fair Play« ist das Spielfilmdebüt der Regisseurin Chloe Domont, die bereits mit Kurzfilmen und einzelnen Folgen für bekannte Serien auf sich aufmerksam machte. Der in der New Yorker Finanzbranche angesiedelte Thriller sorgte in den USA bereits für einiges Aufsehen, mauserte sich zum Kritiker*innenliebling und erntete auch beim US-Publikum weitgehend positive Reaktionen. Um es vorwegzunehmen: Den Lobeshymnen wird der fast zweistündige Film nur teilweise gerecht.

Emily und Luke arbeiten beim gleichen Finanzunternehmen in New York, sind ein Paar, müssen das aber wegen etwas unklarer Firmenregeln am Arbeitsplatz geheim halten; und als einer der Vorgesetzten entlassen wird, scheint klar, dass Luke dessen Nachfolger wird, jedenfalls pfeifen das im Großraumbüro die Spatzen von den Monitoren. Doch es kommt anders: Statt Luke erhält Emily den hoch dotierten Managerposten, eine Entscheidung, die Luke zwar zunächst scheinbar gelassen akzeptiert, die aber bald vor allem sein Selbstverständnis als dominante männliche Person innerhalb der Beziehung derart unterminiert, dass er Emily nicht mehr lieben und begehren kann und will. Er setzt zunehmend alles daran, sie zu erniedrigen und gleichzeitig selbst eine Beförderung zu erlangen. Letztlich kann er nur im gewalttätigen Übergriff, in der Vergewaltigung der überlegenen Frau wieder sexuell handlungsfähiger »Mann« werden.

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Domont gibt sich bei all dem wenig Mühe, eine spannende Geschichte zu erzählen; wirklich Fahrt nimmt die Thriller-Handlung eigentlich nie auf, die Hintergrundstory um vermasselte bzw. erfolgreiche Aktiendeals ist belanglos, und die dauernde Profilierungssucht der Protagonist*innen gegenüber dem zynischen und misogynen CEO ist kaum mehr als Setting für die eskalierende Entfremdung der beiden Liebenden.

Diese Liebe besteht hauptsächlich darin, internalisierte Kitsch-Konventionen zu bedienen. Der von vornherein wenig liebevolle Sex wird in einer Szene auf einer öffentlichen Toilette gezeigt, Emily hat dabei gerade ihre Periode, als Luke ihr einen Heiratsantrag macht, den sie mit einem etwas unschlüssigen »Okay« quittiert, bevor es wieder zur Sache geht. Aber schon am nächsten Morgen bleibt der Verlobungsring zu Hause liegen, man darf im Büro ja die Beziehung nicht öffentlich machen.

So sehr die Liebe hier im Grunde von vornherein als Farce präsentiert wird, so sehr klammert sich Emily später daran, versucht die Beziehung zu retten, selbst als Luke sich immer mehr zum Arschloch entwickelt, das nicht damit klarkommt, dass seine Partnerin nun seine Vorgesetzte ist und er in der Firma zunehmend einen schweren Stand hat. Mit seiner beruflichen Degradierung und zunehmend schwachen Position gerät der von sich überaus überzeugte Emporkömmling in eine inferiore, in seiner Weltsicht weiblich konnotierte Rolle, während Emily die starke, »männliche« Rolle einnimmt. Mit der Konsequenz, dass er die »männliche« Frau nicht mehr begehren, nicht mehr mit ihr schlafen kann und will.

Spätestens hier wird die Beziehung toxisch, und der Film hat seine besten Momente, wenn Emily versucht, Lukes gekränkte Männlichkeit durch Unterwürfigkeit wieder aufzurichten, sich verantwortlich fühlt für die Unfähigkeit des Partners, mit der Situation selbstbewusst umzugehen. Denn daran wird nicht nur klar, wie brüchig die liberale Fassade der spätkapitalistischen Veranstaltung in Wirklichkeit ist, sondern auch, wie sehr selbst erfolgreiche Frauen wie Emily die Zuschreibung verinnerlicht haben, wonach Frauen für das Wohlbefinden des Mannes verantwortlich sind und gewissermaßen selbst schuld, wenn sie nicht geliebt, stattdessen verachtet und von gekränkten Männern erniedrigt werden. Sie fühlt sich für das drohende Scheitern der Beziehung verantwortlich. Die Kränkung des Mannes durch die überraschend an die Partnerin gegangene Beförderung, das macht der Film deutlich, rührt indes nicht daher, dass hier zwei Gleiche plötzlich ungleich gemacht werden, sondern vielmehr daher, dass das Rollenverständnis des Mannes und damit sein gesamtes Selbstbild hintergangen werden.

»Ich hab nie ’ne Chance gekriegt«, ruft Luke in der Schlüsselszene des Films, in der die beiden sich lautstark und emotional aussprechen. »Hast du eine Ahnung, wie sich das anfühlt, nichts weiter als eine Stütze zu sein, die darauf wartet, entfernt zu werden? Wenn du an meiner Stelle gewesen wärst …« Worauf Emily ihn unterbricht: »Ich bin an deiner Stelle gewesen. Und dann hab ich dich gefickt in der Nacht, als wir dachten, du hättest es geschafft.« Worauf er sie ungläubig fragt, ob sie »da nicht neidisch gewesen« sei, und als Antwort erhält er: »Ich fühlte mich nicht bedroht!«

So sehr der Dialog das Problem bedrohter Männlichkeit auf den Punkt bringt – man könnte es mit Theweleit als Bedrohung des soldatischen Körperpanzers bezeichnen, als Zerfall der als selbstverständlich angenommenen männlichen Superiorität, was sich unter anderem in Patriarchat, brutaler Misogynie und Incel-Ideologien niederschlägt –, so wenig ist die Geschichte als Kunstwerk wirklich überzeugend. Das gesellschaftliche Problem wird nicht verhandelt, vielmehr ein gesellschaftspolitisches Manifest vorgetragen, um das irgendwie eine Filmhandlung gestrickt wird.

So stolpert der Film letztlich ein wenig über sein zu explizit ausgestelltes Mitteilungsbedürfnis; Figuren und Geschichte verblassen zu sehr dahinter. Und indem wir hier eine zynische Welt präsentiert bekommen, in der auch die Protagonist*innen sich entsprechend bewegen und benehmen, wird das eigentlich gesamtgesellschaftliche Problem in ein elitäres Milieu verlegt, von dem man ohnehin nicht viel mehr als Amoralität erwartet. Damit nimmt sich »Fair Play« letztlich selbst zumindest teilweise seine allgemeingültige Schlagkraft. Dennoch: Trotz seiner Schwächen ein durchaus sehenswerter Film, dem mindestens als Beitrag zur Debatte ein großes Publikum zu wünschen ist.

»Fair Play«, USA 2023. Regie und Buch: Chloe Domont. Mit: Phoebe Dynevor, Alden Ehrenreich, Eddie Marsan. 113 Min. Jetzt im Kino und auf Netflix.

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