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Horst Hrubesch gibt noch mal den Retter in der Not

Der 72-Jährige übernimmt erneut die Leitung des Fußballnationalteams der Frauen

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.

Sein Meisterstück vollbrachte Horst Hrubesch einst unter einem schillernden Regenbogen von Reykjavik. Die äußeren Umstände waren wie gemacht für den sturmerprobten Anglerliebhaber, der sein erstes Intermezzo bei der deutschen Frauen-Nationalelf am 1. September 2018 mit einem gewonnenen WM-Qualifikationsspiel auf Island (2:0) krönte. Svenja Huth hieß bei Regen und Wind die von ihm besonders kräftig gedrückte Doppeltorschützin, die den Weg zur Teilnahme an der WM 2019 in Frankreich ebnete. Der Interimstrainer übergab nach acht Monaten eine intakte Gemeinschaft an die damals frisch aus der Schweiz abgeworbene Martina Voss-Tecklenburg.

Es entbehrt nicht einer gewissen Tragik, dass die nach einer auf vielen Ebenen vermasselten WM in Australien auf unbestimmte Zeit erkrankte Bundestrainerin Voss-Tecklenburg nun wieder vom Menschenfänger Hrubesch beerbt werden muss, damit Harmonie einkehrt. Am Samstag teilte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit, dass der ehemalige Sportdirektor »mit Blick auf die hoffentlich weiter voranschreitende Genesung von Martina Voss-Tecklenburg sowie unter Berücksichtigung der sportlichen Entwicklung bis auf Weiteres« das Bundestrainer-Amt übernehmen werde.

Mit dem 72-Jährigen kehrt auch dessen langjähriger Assistent Thomas Nörenberg zurück, der ebenfalls bei den Spielerinnen größte Wertschätzung genoss, weil er bis zur EM in England dem Trainerstab angehörte. Während die zuletzt in die Verantwortung gerückte Britta Carlson vorerst noch bleiben darf, wird Ko-Trainer Michael Urbansky zum weiblichen Nachwuchs versetzt. Er hatte sich als völlige Fehlbesetzung entpuppt.

»Für mich ist es eine Herzensangelegenheit. Ich musste bei der Anfrage nicht lange überlegen«, teilte Hrubesch mit, der den Draht zu »seinen Mädels« nie hatte abreißen lassen. »Wir werden zusammen versuchen, uns in den verbliebenen Spielen der Nations League eine gute Ausgangsposition für die Olympia-Qualifikation zu erarbeiten.« Siege sind gegen Wales in Sinsheim (27. Oktober) und erneut auf Island (31. Oktober), dann gegen Dänemark in Rostock (1. Dezember) und in Wales (5. Dezember) auf dem Weg nach Paris nötig.

Keiner kann besser von einem olympischen Erweckungserlebnis vorschwärmen als der erprobte Nothelfer Hrubesch, der 2016 in Rio de Janeiro mit einer von ihm verschweißten Männer-Auswahl erst das olympische Finale gegen Brasilien im Elfmeterschießen verlor. In jener Zeit war das einstige »Kopfball-Ungeheuer« auch noch DFB-Sportdirektor – aktuell will er seine Tätigkeit als Nachwuchsdirektor beim Hamburger SV weiter ausüben.

Das birgt durchaus Risiken, denn eigentlich benötigen die DFB-Frauen in der vertrackten Gemengelage jemanden, der sich in der engen Taktung mit Bundesliga, Pokal und Champions League einen detaillierten Überblick verschafft, um auf Problempositionen nach Alternativen zu fahnden. Auch der überwölbende Einfluss des VfL Wolfsburg wird von einigen Vereinen kritisch hinterfragt. Ein klarer Schnitt, wie er bei den Männern mit Julian Nagelsmann gewagt wurde, ist bei den Frauen allerdings aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht möglich. Die erkrankte Martin Voss-Tecklenburg ist noch bis 2025 verpflichtet.

Hrubesch wird einen pragmatischen Ansatz wählen, der auf Empathie und Sympathie basiert. Es soll ähnlich wie bei seiner Aushilfstätigkeit vor viereinhalb Jahren zum schnellen Stimmungsumschwung kommen, als der Sportliche Leiter Joti Chatzialexiou nach einer USA-Reise die überforderte Steffi Jones von ihren Aufgaben entband. Kaum hatte das Idol aus dem Männerfußball übernommen, sprühten beide Seiten vor Begeisterung füreinander.

Kapitänin Alexandra Popp oder Stürmerin Lea Schüller schwärmen bis heute von der Wohlfühlatmosphäre. Lina Magull betont, sie habe unter Hrubesch »für ihr Spiel, aber auch fürs Leben gelernt«. Nach dem kommunikativen Desaster zwischen Spielerinnen und Trainerinnen in Down Under ist die Sehnsucht nach klarer Ansprache, direkten Ansagen und einfachen Anweisungen riesig.

Der neue DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig hat sich mit dieser Lösung erst einmal Zeit erkauft. Denn so kann auch für die vakante Direktorenstelle im Frauenbereich in Ruhe eine passende Person gesucht werden. Deshalb hat Rettig keine Anfrage bei der noch an die Schweiz gebundenen Trainerin Inka Grings gestartet; auch der kürzlich in der Türkei entlassene Stefan Kuntz wurde nicht kontaktiert. Eine voreilige Postenvergabe kann sich der finanziell angeschlagene Verband nicht mehr leisten.

Der DFB bedankte sich ausdrücklich beim HSV, dass dieser – genau wie der FC Bayern bei Bundestrainer Nagelsmann – sofort ein Entgegenkommen signalisierte, um dem Verband aus der personellen Patsche zu helfen.

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