Dahme-Spreewald: 319 Stimmen hinter der AfD

Landratskandidat Herzberger muss in Dahme-Spreewald in der Stichwahl kleinen Rückstand aufholen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 6 Min.

Ein Bild mit Seltenheitswert: Arm in Arm und die Daumen hoch stehen der CDU-Kreisvorsitzende Björn Lakenmacher und der Linke-Kreisvorsitzende Michael Wippold am Sonntagabend auf der Wahlparty von Sven Herzberger im Haus am See in Wildau. Bei der Landratswahl in Dahme-Spreewald wird der parteilose Herzberger von den beiden doch so unterschiedlichen Parteien CDU und Linke unterstützt – und außerdem von der FDP und den Freien Wählern.

Wenn die Christdemokraten und die Sozialisten in der Vergangenheit im Land Brandenburg einmal gemeinsame Sache machten – das hat es beispielsweise 2006 bei der Oberbürgermeisterwahl in Cottbus gegeben – dann lief das selten gut. Doch hier scheint die bei CDU und FDP eigentlich durch Unvereinbarkeitsbeschlüsse verbotene Kooperation mit der Linken auf der Erfolgsspur zu sein.

34,8 Prozent der Stimmen erzielte der gemeinsam unterstützte Kandidat Sven Herzberger bei der Landratswahl am Sonntag. Er lag damit zwar einen halben Prozentpunkt hinter dem Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré (AfD), aber 4,9 Prozentpunkte vor Vizelandrätin Susanne Rieckhof (SPD). Die drittplatzierte Rieckhof ist damit ausgeschieden und in fünf Wochen entscheidet eine Stichwahl zwischen Herzberger und Kotré, wer denn der neue Landrat von Dahme-Spreewald wird. Der alte Landrat Stephan Loge (SPD) verabschiedet sich nach 16 Jahren im Amt. Er trat nicht wieder an. Kotré bekam am Sonntag 25 862 Stimmen, Herzberger erhielt 25 543 Stimmen.

Im Normalfall müsste Herzberger den kleinen Rückstand auf Kotré leicht aufholen und das Rennen für sich entscheiden können – zumal die unterlegene Vizelandrätin Rieckhof bei Herzbergers Wahlparty im Haus am See vorbeischaute, ihm fair gratulierte und die Unterstützung der SPD zusicherte. Bei der Landratsstichwahl im Frühjahr 2023 in Oder-Spree hatte Frank Steffen (SPD) 2,3 Prozentpunkte auf Rainer Galla (AfD) aufgeholt – und damit den ersten Landrat der AfD im Land Brandenburg verhindert. Das müsste bei einem geringeren Abstand von Herzberger auf Kotré wieder gelingen. Insofern könnte man Herzberger durchaus als den eigentlichen Sieger der Landratswahl feiern.

Darin liegt aber zugleich eine große Gefahr. Wenn die Stichwahl gegen den AfD-Kandidaten Kotré zu leicht genommen wird und viele gar nicht mehr hingehen, weil sie glauben, die Sache sei ohnehin gelaufen, dann könnte es ein böses Erwachen geben. Dem Linke-Kreisvorsitzenden Michael Wippold ist das bewusst. Er sagt: »Die AfD kriegt ihre Wähler mobilisiert, wir müssen unsere mobilisieren.« Die fünf Wochen bis zur nächsten Abstimmung werden also ein hartes Stück Arbeit. »Ich bin sehr schlecht in Prognosen, weil ich parteiisch bin«, gibt Wippold zu.

Manche Mitstreiter, auch Herzberger selbst, hatten es nicht für ausgeschlossen gehalten, dass Herzberger gleich in der ersten Wahlrunde mit mehr als 50 Prozent der Stimmen den Sieg bei der Landratswahl perfekt macht und gar nicht in eine Stichwahl muss. Doch der AfD-Bewerber Kotré schnitt mit seinen 35,3 Prozent noch besser ab als ohnehin schon befürchtet. Herzberger hatte diesen Konkurrenten bei rund 30 Prozent erwartet und Vizelandrätin Rieckhof bei gut 20 Prozent. Rieckhof selbst zeigte sich nicht unzufrieden mit ihrem Ergebnis. Sie bezeichnete die knapp 30 Prozent als noch recht gut angesichts der Tatsache, dass sie kein so breites Bündnis wie Herzberger hinter sich hatte, und sieht einen Grund für ihr Ausscheiden auch in den schlechten Umfragewerten der SPD auf Bundesebene.

Als bei der Wahlparty in Wildau die Ergebnisse aus den ersten Wahllokalen eintrudelten, in denen die Stimmen schon fertig ausgezählt waren, gab es eine Schrecksekunde. Denn in diesen Wahllokalen habe der Bundestagsabgeordnete Kotré mit über 40 Prozent vorn gelegen, schildert der Linke-Kreisvorsitzende Wippold am Montag die Ursache. Es habe aber trotzdem niemand geglaubt, Kotré könne insgesamt sogar noch über 50 Prozent kommen und die Landratswahl damit sofort für sich entscheiden.

Abgeräumt hat Kotré erwartungsgemäß mit an die 45 Prozent in den ländlichen Regionen im Süden von Dahme-Spreewald, wo er mit Ausnahme von Luckau überall vorn lag. Im dicht besiedelten Berliner Umland dagegen trug Herzberger den Sieg davon – besonders deutlich mit 42 Prozent in Zeuthen, wo er seit 2017 Bürgermeister ist. Hier konnte Kotré kaum einen Stich machen und blieb zum Teil noch hinter der SPD-Kandidatin Rieckhof zurück.

Punktuell verbuchte der Bundestagsabgeordnete, der dem offiziell aufgelösten völkischen Flügel der AfD um Björn Höcke zugeordnet wird, aber auch im Berliner Speckgürtel Erfolge. So habe Kotré in den Wahllokalen von Wernsdorf gewonnen, das zur Stadt Königs Wusterhausen gehöre und direkt an Berlin grenze, berichtet der Linke-Kreisvorsitzende Wippold. »Das sind Dinge, die zu denken geben, die ich aber nicht erklären kann«, sagt er.

Wenige Tage vor der Landratswahl wurde eine Petition gestartet, die einen Aufruf darstellte, am 8. Oktober keinen der drei Landratskandidaten anzukreuzen. »Frieden wählen! Keinen Cent, keinen Menschen dem Krieg. Keine Stimme für den Krieg«, so hieß es in der Petition, die von 4000 Menschen unterzeichnet wurde. Ein Landratskandidat, »der sich nicht vom Kriegskurs der Regierung lossagt, nicht dagegen steuert, ist nicht wählbar«. Rieckhoff stehe eins zu eins hinter dem Kurs der Bundesregierung. Herzberger werde von CDU, FDP und Linke unterstützt und sei »dadurch nicht unabhängig«. Die AfD schließlich stehe, auch wenn sie das Gegenteil behaupte, für Militarisierung und für eine menschenverachtende Politik. Um Unmut darüber auszudrücken, sollten die Wahlberechtigten am 8. Oktober groß das Wort »Frieden« auf ihren Stimmzettel schreiben und ihn damit ungültig machen. »Wir müssen viele sein«, hieß es von der nicht näher bezeichneten »Kampagne friedenspolitisch aktiver Menschen aus dem Landkreis Dahme-Spreewald«, von der die Online-Petition angeschoben wurde. Dieses Ziel wurde verfehlt: Insgesamt gab es am Sonntag nur 1307 ungültige Stimmen, was 1,8 Prozent der abgegebenen Stimmen entsprach. Die Wahlbeteiligung lag bei 50,8 Prozent und damit deutlich höher als bei der Landratswahl vor acht Jahren, als 36,8 Prozent der Wahlberechtigten im Landkreis ihre Stimme abgegeben hatten.

Bei einem Forum der »Märkischen Allgemeinen Zeitung« zur Landratswahl am 12. September hatte Herzberger übrigens von Solidarität mit der Ukraine gesprochen, aber auch gesagt: »Für mich ist es wichtig, dass man diesen Krieg so schnell wie möglich beendet.«

Indes meint der Linke-Kreisvorsitzende Wippold, die CDU solle einmal darüber nachdenken, ihren realitätsfremden Unvereinbarkeitsbeschluss zu kippen. In der Kommunalpolitik gehe es doch um ganz konkrete Sachfragen und da verstehe sich Die Linke in Brandenburg manchmal besser mit der CDU als mit der SPD. Umgangen wurde der Unvereinbarkeitsbeschluss dadurch, dass es in Dahme-Spreewald keine direkte Kooperation von CDU und Linke gibt. Jede Partei entschied für sich, das Wahlprogramm des parteilosen Kandidaten Herzberger mitzutragen.

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