Werbung

Ein neues Wir: Aktivisten verbündet euch!

Klimaschutz-, Asyl-, Menschenrechts- und andere Aktivisten müssen sich angesichts der Mehrfachkrisen verbünden

Vor zehn Jahren, als ich begann, mich ernsthaft mit der Klimakrise auseinanderzusetzen, habe ich mit Angst und Bangen auf den Moment geblickt, da die Naturkatastrophen uns überrollen werden. Wahrscheinlich nicht hier in Deutschland, sondern in den Ländern, die eh schon am meisten betroffen waren. In Afrika, Südamerika und Asien. Ich habe mich gefragt, wie das sein wird, wenn immer mehr Leute sich auf den Weg machen müssen, weil sie keine andere Wahl haben. Weil sie einfach keinen Zugang zu Trinkwasser, zu Nahrung haben oder ihr Zuhause überflutet oder abgebrannt ist. Zusätzlich war vorhersehbar, dass Kriege ausbrechen werden, neue Verteilungskämpfe und diese Waren als neue Kriegswerkzeuge benutzt werden.

Ob in Nordost-Syrien die Türkei den Menschen das Wasser abdreht, Olivenhaine zerbombt und Felder in Brand setzt; ob Russland mit ukrainischem Getreide feilscht, was vor allem Afrika trifft; ob im Gazastreifen Hilfsgüter für Zivilist*innen gestoppt werden: Täglich sterben Menschen nicht nur im Mittelmeer, sondern in den Flüchtlingslagern in Libyen, Tunesien und den vielen anderen Sub-Sahara Ländern. Dort, wo seit 2016 »maßgeschneiderte Länderpakete« geschnürt wurden, um die Migration nach Europa militärisch zu kontrollieren und eine schnelle Abschiebung in die Herkunftsländer zu organisieren. Hauptsache, die Menschen sterben nicht in der Nähe Europas.

Lakshmi Thevasagayam
Lakshmi Thevasagayam

Lakshmi Thevasagayam ist Ärztin, Klima- und Gesundheitsaktivistin und engagiert sich in der Antikohlebewegung.

Es ist wie ein schlechter Traum, dass Nancy Faeser (SPD) sich mit dem neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) brüstet, mit dem das Recht auf Asyl quasi ausgehebelt wird. Gleichzeitig sagt Markus Soeder (CSU) ganz offen, man müsse »das Undenkbare nochmal diskutieren – ob die einzige Chance vielleicht sogar die Rechtsänderung ist bei der Verfassungsfrage des Grundrechts auf Asyl«. Die AfD hat es nicht nur geschafft, die Migrationspolitik zum Thema Nr. 1 zu machen, sondern auch andere Parteien in ihren rechten Sog zu ziehen.

Es ist der Punkt gekommen, vor dem ich mich vor zehn Jahren gefürchtet habe. Spielen wir das gleiche Spiel wie fast alle von Union über SPD bis Wagenknecht, sind Unterstützer einer rassistischen, menschenverachtenden Abschiebepolitik und der Infragestellung von Grundrechten? Was derzeit passiert, kann die Asylpolitik der nächsten Jahre und Jahrzehnte prägen. Es kann ein Moment sein wie Anfang der 30er Jahre, als auch vieles falsch lief und sich am Ende der Faschismus durchsetzte.

Der Anschlag auf die Synagoge in Halle jährte sich dieser Tage, immer wieder werden rechte Chatgruppen in der Polizei aufgedeckt, in Bad Salzuflen wurde bei einer Polizeikontrolle auf einen 19-Jährige mit 34 mal geschossen. Es gibt genug Anlässe für Menschenrechtler*innen, sich mit der migrantischen Community zusammenzutun. Wenn wir unsere Vision groß machen wollen, dann heißt es nicht nur, gegen das GEAS-Gesetz zu kämpfen, Polizei und Militär anzuprangern, sondern auch aus unserer Blase rauszukommen, Berührungspunkte zwischen Menschen zu schaffen.

Es ist an uns, die Hetze mit Bildern eines neuen Wir zu zerstören und lächerlich zu machen. Ein Wir, in dem die alleinerziehende Maja mit Sohn Fritz aus Pankow gemeinsam mit Familie Al Masri aus Neukölln für bezahlbaren Wohnraum und die Enteignung von Deutsche Wohnen & Co kämpft. Wo sich Murat, der Busfahrer, mit der Studentin Katarcyna aus der Ukraine und Jonas, der im Rollstuhl unterwegs ist, für bezahlbaren ÖPNV und bessere Arbeitsbedingungen bei Bus und Bahn bei #WirFahrenZusammen organisieren. Angebote in Stadtteilen, wo Opa Günther mit der Familie Mohammed aus Eritrea Deutsch üben kann und sie danach Opa Günther beim Einkauf helfen, weil er es allein nicht mehr schafft. Fremdenhass kann man nicht abbauen, indem man immer wieder »Wehret den Anfängen« ruft. Wir müssen aus unserer Theorieblase, aus den Szeneläden und Trott rauskommen und dieses neue Wir schaffen und leben.

nd.Kompakt – unser täglicher Newsletter

Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.