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Die Europäische Union: Ein Imperium zweiter Klasse
Stephan Kaufmann zum Zweck der europäischen Aufrüstung
Mit Sondervermögen, mit Reformen der Schuldenbremse und der europäischen Fiskalregeln schaffen Regierungen derzeit die Rechtsgrundlagen für eine massive Kreditaufnahme zur Finanzierung der Aufrüstung. Nachdem noch vor Kurzem die Begrenzung der Staatsschulden als Garant für Stabilität galt, wird nun klargestellt: Fürs Militär soll jeder Kredit verfügbar sein – »Whatever it takes«, sagte CDU-Chef Friedrich Merz, so viel Rüstung, wie als nötig erachtet wird. Warum?
Begründet wird die Ausweitung der Militäretats zum einen mit einer Bedrohung durch Russland und zum anderen damit, dass die USA als Europas Schutzmacht nicht mehr verlässlich seien. Eingeklemmt zwischen zwei imperialen Mächten, so heißt es, müsse sich Europa nun militärisch »unabhängig« (Merz) machen und seinen Schutz selbst übernehmen. Diese Begründung ist zumindest ungenau – ganz so defensiv ist Europas Programm vermutlich nicht.
Zunächst zu den USA: Nicht erst seit Donald Trump, aber unter ihm verschärft, hat sich die Weltmacht Nummer eins darangemacht, den von ihr geschaffenen und garantierten Weltmarkt neu zu ordnen. »Wir waren ein Sparschwein, das alle anderen Länder ausgeraubt haben«, klagte Trump. Der Nutzen dieser Ordnung soll künftig vermehrt in den USA anfallen, wofür die US-Regierung nun zahlreiche Handels- und Zollkriege vom Zaun bricht und den großen Konkurrenten China mit Sanktionen belegt. Auch die Verbündeten in Europa werden nicht geschont. Trump nutzt dabei die ökonomische Überlegenheit der USA, um sie dauerhaft zu sichern.
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Befürchtet wird, die US-Regierung wolle damit die gesamte Nachkriegsordnung niederreißen. Allerdings dürfte auch Washington bewusst sein, dass Weltmarkt und -ordnung in der Nato ihren letzten Garanten haben. Gelegentlich scheint es zwar, als würde Trumps Politik keiner Rationalität folgen. Eine imperiale Logik vorausgesetzt, benötigt er aber die Europäer und damit die Nato zur Absicherung einer Ordnung, die Trump zum Wohle der USA umbauen will. Teil dieses Umbaus ist, Europa eine neue Rolle als Erfüllungsgehilfe zuzuweisen, womit die US-Regierung dem europäischen Wunsch nach Gleichrangigkeit und Mitgestaltung der Weltordnung eine Absage erteilt.
Das bringt Europas Regierungen in die Klemme. Auch ihre Wirtschaften sind abhängig von einem offenen Weltmarkt, dessen Bestand sie ohne die USA nicht garantieren können. Ihr ökonomischer Weltmachtstatus wird sowohl von China als auch von den USA angegriffen. Politisch stuft sie Trump herab zu Befehlsempfängern, die sich in das US-Programm zur Eindämmung Chinas einfügen sollen, indem sie US-Sanktionen gegen das Land mittragen und gleichzeitig die Kosten für die Front gegen Russland übernehmen.
Diesem – in der Vergangenheit bereits von vielen US-Präsidenten geäußerten – Wunsch nach mehr Militärausgaben kommen Europas Nato-Mächte nun nach. Dargestellt wird dies derzeit zwar als eine Art Emanzipation Europas, als Unabhängigkeit von den USA. Doch zielt diese Unabhängigkeit nicht auf den Aufbau einer echten Konkurrenzmacht zu den Vereinigten Staaten, auf die Gründung einer neuen Weltordnung ohne oder gar gegen die Vereinigten Staaten – dazu sind die Europäer aufgrund ihrer mangelnden materiellen Mittel und ihrer unterschiedlichen nationalen Interessen gar nicht in der Lage.
Mit ihrer Aufrüstung kommen sie vielmehr den Forderungen Trumps nach »Lastenteilung« innerhalb der Nato nach, um so das europäische Gewicht innerhalb der US-Weltordnung zu stärken und dort eine »dienende Führungsrolle« (Robert Habeck) einzunehmen. »Unsere eigene Stärke aufzubauen, ist der beste Weg, Trump davon zu überzeugen, die Zusammenarbeit mit Europa stärken und nicht schwächen zu wollen«, erklärt Polens Präsident Donald Tusk. Denn Weltmacht ist Europa nur als Teilhaber der US-Macht – und Weltmacht will es bleiben.
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