Propalästinensische Linke in Großbritannien unter Druck

Die britische Labour-Partei hat offiziell ihre volle Unterstützung für Israel bekundet. Auf ihrem linken Flügel hat die Solidarität mit Palästina Tradition

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 5 Min.
Labour-Chef Keir Starmer sicherte Israel uneingeschränkte Unterstützung zu. Das kommt bei vielen Palästina-freundlichen Mitgliedern an der Basis nicht gut an.
Labour-Chef Keir Starmer sicherte Israel uneingeschränkte Unterstützung zu. Das kommt bei vielen Palästina-freundlichen Mitgliedern an der Basis nicht gut an.

Noch bevor Premierminister Rishi Sunak die Attacke der Hamas-Milizen verurteilte, meldete sich Oppositionschef Keir Starmer zu Wort: »Es gibt keine Rechtfertigung für diesen Terrorakt«, schrieb der Labour-Vorsitzende auf X/Twitter, und fügte hinzu: »Israel hat das Recht, sich selbst zu verteidigen.«

Seither haben Starmer und andere führende Labour-Politiker wiederholt klargemacht, dass die Partei den israelischen Staat uneingeschränkt unterstützt. In einem Radiointerview am vergangenen Mittwoch schien Starmer auch keine Einwände zu haben gegen den Entscheid der israelischen Regierung, der Bevölkerung von Gaza die Wasserzufuhr und die Elektrizität abzustellen. Israel habe »das Recht«, dies zu tun, solange es gemäß internationalem Recht handle. Den offensichtlichen Widerspruch – kollektive Bestrafung ist ein Kriegsverbrechen – löste er nicht auf.

Labour sucht Schulterschluss mit Israel

Seit seinem Antritt als Labour-Chef vor dreieinhalb Jahren versucht Starmer den Schulterschluss mit Israel. Es ist eine scharfe Abkehr von der Politik seines Vorgängers Jeremy Corbyn, der stets Wert auf Solidarität mit Palästina legte. In den Augen Starmers – und eines Großteils der jüdischen Gemeinde in Großbritannien – ging Corbyn nicht entschlossen genug vor gegen Antisemitismus in der Partei.

Die unumwundene Unterstützung für Israel ist also auch Teil eines Versuchs, jüdische Wähler wieder zur Labour-Partei zurückzubringen. In einer Rede vor der Gruppe Labour Friends of Israel, die Israel-Unterstützer innerhalb der Labour-Partei vertritt, sagte Starmer im September 2022: »Wir werden Antisemitismus weiterhin ausmerzen, wo immer er sich in unserer Partei und in unserem Land zeigt.«

Starmer distanziert sich von Vorgänger Corbyn

Wenn Labour erstmal die Regierung stelle, dann werde Labour Friends of Israel zu einer wichtigen Säule in diesem Projekt, verspricht der Parteivorsitzende. Seit Ausbruch der Gewalt in Israel vor einer Woche hat sich Starmer immer wieder explizit von seinem Vorgänger Corbyn distanziert.

Andererseits umfasst die Labour-Partei viele Basismitglieder, die sich mit der palästinensischen Zivilbevölkerung solidarisieren. Auch eine Reihe von linken Abgeordneten tritt regelmäßig auf Events der Palestine Solidarity Campaign (PSC) auf, laut eigener Aussage die größte Palästina-Unterstützungskampagne in Europa. John McDonnell, ein Veteran dieses Flügels, trat während des Labour-Parteitages in der vergangenen Woche in Liverpool bei einem Event der PSC auf. Er forderte die Fürsprecher der Palästinenser auf, sich für einen sofortigen Waffenstillstand stark zu machen: »Wenn es so weitergeht, dann könnte der ganze Nahe Osten in Flammen aufgehen, und zwar in einem Ausmaß, das wir noch nie gesehen haben«, sagte McDonnell.

Gewerkschafter mit Palästina solidarisch

Ebenso zeigen sich weite Teile der britischen Gewerkschaftsbewegung solidarisch mit den Anliegen der Palästinenser. Vierzehn Gewerkschaften sind offizielle Unterstützer der PSC. Mick Whelan, Generalsekretär der Zugführergewerkschaft Aslef, sagte beim selben Anlass: »Wenn jemand in diesem Raum denkt, dass diese Partei nicht für alle Seiten einstehen und sich für eine friedliche und gerechte Lösung für die Selbstbestimmung einsetzen sollte, dann sollten wir nicht in der Labour-Partei sein.«

Aber der Labour-Parteitag zeigte auch, dass Aktivisten, die sich für die Rechte der Palästinenser einsetzen, einen zunehmend schweren Stand haben. Als der Abgeordnete Afzal Khan am Stand der PSC vorbeischaute und sich vor einem Schild mit der Aufschrift »End Apartheid Now« fotografieren ließ, musste er sich anschließend entschuldigen. Die Labour-Partei hatte wenige Tage zuvor verfügt, dass die PSC das Wort »Apartheid« im Zusammenhang mit Israel nicht verwenden dürfe.

Torys setzen Palästina und Hamas gleich

Die Tory-Partei versucht unterdessen, jegliche Solidaritätsbekundung mit den Palästinensern mit Unterstützung für die Hamas gleichzusetzen. Der Tory-Abgeordnete Greg Hands forderte sogar, dass Labour jene Abgeordneten, die sich mit der PSC solidarisch gezeigt haben, suspendieren sollte. Allerdings hatte auch Alf Dubs, Labour-Abgeordneter im House of Lords, am PSC-Stand vorbeigeschaut und sich fotografieren lassen, in der Hand ein Schild mit der Aufschrift »Free Palestine«. Dubs ist jüdischer Herkunft und musste vor den Nazis fliehen, er kam 1939 mit dem Kindertransport von Prag nach Großbritannien.

Die Eskalation in Israel und Palästina hat bereits viele britische Opfer gefordert. Laut der BBC werden 17 britische Staatsangehörige vermisst oder sind als Todesopfer der Hamas-Attacke identifiziert worden. Weniger verlässliche Zahlen gibt es zu den Opfern der israelischen Luftangriffe auf Gaza. Wie prekär die Situation in der Enklave bereits geworden ist, darüber gab Elizabeth El-Nakla in der BBC Auskunft. El-Nakla ist die Schwiegermutter von Humza Yousaf, dem Vorsitzenden der Schottischen Nationalpartei SNP. Sie war wenige Tage vor der Eskalation mit ihrem Mann nach Gaza gereist, um Verwandte zu besuchen. »Wir haben keine Elektrizität, wir haben kein Wasser«, sagte sie am Mittwoch. »Das wenige Essen, das wir haben, wird bald verderben, weil wir keinen Strom haben.«

Humza Yousef selbst rief die internationale Gemeinschaft am Freitag auf X/Twitter auf, »ein Ende der kollektiven Bestrafung zu fordern«. Es gebe »keine Rechtfertigung für den Tod von unschuldigen Männern, Frauen und Kindern«.

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