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Israel-Reise: Scholz und Biden auf heikler Mission
Sowohl der US-Präsident als auch der Bundeskanzler reisen nach Israel. Sie wollen Solidarität demonstrieren und eine Ausweitung des Konflikts verhindern
Sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz als auch US-Präsident Biden haben sich für einen raschen Besuch in Israel entschieden – und beide Politiker betonen ausdrücklich, an der Seite Israels zu stehen. Gleichzeitig wollen sie eine Ausweitung und Eskalation des Konflikts verhindern – in Gaza, aber vor allem auch in anderen Teilen der Region. Ein schwieriger diplomatischer Drahtseilakt.
Scholz will nach seinen Beratungen mit israelischen Regierungsvertretern am Dienstag weiter nach Ägypten reisen, Biden wird am Mittwoch im Land erwartet. Ziel seiner Reise sei, »die Solidarität mit Israel« nach dem Angriff der im Gazastreifen herrschenden Hamas zum Ausdruck zu bringen und »konkrete praktische Fragen« wie die Sicherheitslage im Land und die Organisation humanitärer Hilfe zu besprechen, so Scholz.
Der Bundeskanzler betonte am Dienstag in Berlin nach einem Treffen mit dem jordanischen König Abdullah II. Bin Al-Hussein die Notwendigkeit eines humanitären Zugangs zum Gazastreifen. Dies sei notwendig, da die Menschen von der Hamas »als menschliche Schutzschilde« benutzt würden. »Wir setzen unsere humanitäre Hilfe fort, um das Leid der Zivilbevölkerung zu lindern«, bekräftige der Bundeskanzler. Denn es müsse differenziert werden: »Die Palästinenser sind nicht Hamas und die Hamas hat kein Recht für sie zu sprechen.« Die Bevölkerung des Gazastreifens sei auch Opfer der Terrororganisation.
Auf dem Programm des Kanzlers standen Gespräche mit Regierungschef Benjamin Netanjahu, Präsident Isaac Herzog und dem Oppositionspolitiker Benny Gantz, der vergangene Woche in Netanjahus Notstandsregierung eingetreten war. Geplant war auch ein Treffen mit Angehörigen deutscher Geiseln, die von der Hamas im Gazastreifen festgehalten werden. Laut Angaben der Terrororganisation Hamas befinden sich derzeit insgesamt 200 bis 250 Geiseln im Gazastreifen in Gefangenschaft.
Scholz warnte zugleich »ausdrücklich die Hisbollah und den Iran, in den Konflikt einzugreifen«. Es gehe darum, »einen Flächenbrand in der Region zu verhindern«, gab Scholz als gemeinsames Ziel mit dem jordanischen König aus. Dieser warnte, die ganze Region stehe »am Abgrund«. Der Zyklus der Gewalt müsse durchbrochen werden.
Es müssten humanitäre Hilfe geleistet und Zivilisten geschützt werden, betonte König Abdullah II. Bin Al-Hussein. »Wir haben die Verpflichtung, Zivilisten zu schützen.« Langfristig müsse der Prozess hin zu einer Zwei-Staaten Lösung zwischen Israel und den Palästinenser wieder in Gang gesetzt werden. »Wir brauchen eine politische Perspektive«, bekräftigte der jordanische König. Gleichzeitig lehnte er die Aufnahme weiterer palästinensischer Flüchtlinge in seinem Land ab.
US-Präsident Biden hat für Mittwoch ebenfalls einen Besuch in Israel sowie in der jordanischen Hauptstadt Amman angekündigt. Auch der US-Präsident verfolgt offenbar das Ziel, den Konflikt nicht unkontrolliert eskalieren zu lassen und hatte sich zuletzt gegen eine Besatzung des Gazastreifens durch Israel ausgesprochen. Dies wäre ein »großer Fehler«, so der Präsident in einem Interview mit der Fernsehsendung »60 Minutes« des Senders CBS.
Auch der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, hatte am Montag gefordert, der Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten müsse für Hilfslieferungen geöffnet werden, aber auch, um Menschen die Flucht zu ermöglichen.
Nach Aussagen von US-Außenminister Antony Blinken einigten sich die USA und Israel inzwischen auf die Ausarbeitung eines Hilfsplans. Eine Abmachung über einen Zugang für Hilfslieferungen durch den Grenzübergang rücke näher, sagte ein Vertreter des Roten Kreuzes am Dienstagmorgen der Nachrichtenagentur AFP. Seit Tagen in Ägypten wartende Lkw-Konvois mit Hilfsgütern machten sich auf den Weg Richtung Rafah.
Kirby betonte außerdem, man habe gegenüber Israel »die Wichtigkeit des Kriegsrechts und des Schutzes der unschuldigen Zivilbevölkerung« betont. Neue Hilfsgelder sollten aber nicht an konkrete Vorgaben gebunden werden.
In der US-Innenpolitik gehen die Einschätzungen zum Konflikt inzwischen weit auseinander. Bei den Demokraten werden die Stimmen lauter, die das Vorgehen der israelischen Regierung scharf kritisieren. »Die Blockade von Wasser, Nahrung und Strom ist eine willkürliche und kollektive Strafmaßnahme und ein Verbrechen«, so etwa die demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez. 13 demokratische Abgeordnete im Repräsentantenhaus forderten in einem offenen Brief an Biden, sich für einen sofortigen Waffenstillstand und humanitäre Hilfe für Gaza einzusetzen. Die republikanischen Abgeordneten Tom Tiffany und Andy Ogles sprachen sich gegen eine Aufnahme palästinensischer Flüchtlinge in den USA auf und brachten einen entsprechenden Gesetzentwurf im Repräsentantenhaus ein.
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts J.L. Partners sind die US-Amerikanerinnen und -amerikaner gespalten zur israelischen Antwort auf den Angriff der Hamas. 60 Prozent halten Luftangriffe auf die Hamas im Gazastreifen für gerechtfertigt, 45 Prozent »umfangreiche Bombardierungen« und eine Blockade der Versorgung mit Wasser, Nahrungsmitteln, Elektrizität und Treibstoff. Mit Agenturen
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