- Politik
- Möglicher Verstoß gegen Waffenembargo
Deutsche Technik für Militär in Myanmar
Der fortwährende Verkauf von Elektronik könnte gegen das EU-Waffenembargo verstoßen
Neben Bremen ist die Gemeinde Immenstaad in Baden-Württemberg der wohl wichtigste Standort für Satellitentechnik in Deutschland. Die Rüstungssparte von Airbus fertigt dort die Satelliten für das europäische Galileo-Navigationssystem. Ebenfalls aus der Bodenseegemeinde stammt der Spionagesatellit »SARah-1«, mit dem der Bundesnachrichtendienst und die Bundeswehr nunmehr aus dem Weltall mit höchstauflösender Radartechnologie aufklären.
In Immenstaad sitzen auch Anbieter, die Technik zur Weiterleitung und Verarbeitung der Satellitendaten verkaufen. Eine von ihnen ist die Firma ND SatCom, die nun im Verdacht steht, das Militär in Myanmar zu beliefern. Das berichten das Magazin ZDF frontal und der »Spiegel« in einer gemeinsamen Recherche. Dieser Verkauf könnte gegen Sanktionen verstoßen, die von der EU bereits in den 90er Jahren verhängt worden waren.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Nach der 2017 bekannt gewordenen Vertreibung der Bevölkerungsgruppe der Rohingya wurden diese Sanktionen 2019 sogar noch verschärft. Die EU hat das Vorgehen des Militärs seinerzeit als »schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen« eingestuft, die US-Regierung sogar als »Genozid«. Seitdem ist es auch verboten, »Güter mit doppeltem Verwendungszweck« an Myanmar zu liefern. Gemeint sind Produkte, die sowohl zivil als auch von Militär oder Polizei genutzt werden können.
Zu den Lieferungen an Myanmar recherchiert seit Jahren die Aktivistengruppe Justice for Myanmar, die auch den Journalisten von ZDF frontal und dem »Spiegel« hierzu Materialien zur Verfügung gestellt hat. Darin sollen sich Hinweise auf mehr als 40 Lieferungen finden, die zwischen 2016 und 2022 an das myanmarische Militär gegangen sein sollen. Hierzu gehören demnach 5G-Satellitenmodems im Wert von 46 400 Dollar sowie Software. Diese sollen anschließend über Vietnam ins Land gelangt sein. Dass der Verkauf tatsächlich vonstatten ging, belegt den Angaben zufolge eine Rechnung einer weiteren Firma aus Singapur.
Bis 2014 hat ND SatCom zu Airbus gehört, seit 2016 ist der Unternehmer Steffen Görig Eigentümer. In einem Eintrag auf ihrer Webseite heißt es, die Firma verfüge über »alle erforderlichen Kernkompetenzen für die Entwicklung, schlüsselfertige Lieferung und logistische Unterstützung von militärischen Satellitenkommunikationssystemen«. Großaufträge kommen unter anderem von der Bundeswehr, ND SatCom unterhält außerdem Niederlassungen in China und Dubai.
Im Jahr 2017, zur gleichen Zeit als das Militär in Myanmar einen Völkermord an den Rohingya verübte, hatte ND SatCom auf seiner Webseite unter der Überschrift »Verteidigung« über die Lieferung eines Kommunikationssystems an Myanmar berichtet. Das hat Justice for Myanmar nach eigenen Angaben dokumentiert.
Die Gruppe beschreibt in einer Pressemitteilung auch, wie der Verkauf über den Zwischenhändler in Vietnam erfolgte. »Durchgesickerte und öffentlich zugängliche Beweise« zeigten demnach, dass der Liefervertrag über ein myanmarisches Unternehmen vermittelt wurde, das militärische und zivile Satellitendienste anbietet und auch Partner der dortigen Armee sein soll. Diese Firma wurde 2019 von ND SatCom zum Händler für den Verkauf seiner Satellitenkommunikationsausrüstung bestimmt, schreiben die Aktivisten und fordern Sanktionen gegen die beteiligten Firmen aus Vietnam und Singapur.
Seit dem Putsch von 2021 herrscht in Myanmar erneut das Militär, das bereits von 1962 bis 2010 das Land unter seiner Gewalt hatte. Auch in der kurzen Phase einer Zivilregierung war der Einfluss der Armee jedoch beträchtlich. »Das Militär in Myanmar ist verantwortlich für Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die mit Hilfe der Kommunikationstechnologie von ND SatCom völlig ungestraft begangen werden«, kritisiert Justice for Myanmar und fordert Konsequenzen der deutschen Justiz.
Die Kontrolle und Genehmigung zum Export von Gütern, die sowohl für zivil als auch militärisch eingesetzt werden können, obliegt in Deutschland dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Ob ND SatCom hierzu Erlaubnisse erhielt, wollte die Behörde mit Verweis auf das Geschäftsgeheimnis nicht beantworten.
Nachfragen des »nd« zu den Verkäufen an Myanmar wollte ND SatCom mit Verweis auf eine laufende Prüfung beim Ausfuhramt nicht beantworten. Diese Prüfung habe die Firma »vor einigen Wochen« selbst eingeleitet. Gegenüber ZDF frontal und dem »Spiegel« bestreitet die Firma, von den Lieferungen an das Militär gewusst zu haben. Der Endverbleib der Technik vom Bodensee sei nach ihren Informationen Vietnam gewesen. »Die Firma ND SatCom distanziert sich vehement von dem Vorgehen des myanmarischen Militärs gegen die Zivilbevölkerung«, heißt es gegenüber der Recherchegruppe.
Der Tübinger Anwalt Holger Rothbauer hat nach der Vorarbeit von Justice for Myanmar eine Anzeige gegen ND SatCom sowie vier Mitarbeiter der Firma erstattet. Daran beteiligt ist auch der ebenfalls in Tübingen ansässige Verein German Solidarity with Myanmar Democracy. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Ravensburg gegen ND SatCom wegen der Lieferung an das myanmarische Militär.
Auch gegen MAN ermittelt seit diesem Sommer in Augsburg eine deutsche Staatsanwaltschaft. Der Rüstungskonzern hat offenbar wichtige Bauteile für ein myanmarisches Kriegsschiff verkauft und damit möglicherweise ebenfalls gegen das EU-Sanktionsregime verstoßen. Eine entsprechende Strafanzeige stammte von Greenpeace Deutschland. Weitere deutsche Firmen hätten ebenfalls Komponenten dafür geliefert, schreibt Justice for Myanmar. Mit dem Schiff soll sich die myanmarische Marine demnach an Gräueltaten gegen die Rohingya beteiligt haben.
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