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Wenn Heizen unbezahlbar wird
Die klimapolitische Bremse der Ampel trifft arme Menschen besonders hart. Deshalb sind effiziente Gebäude sozial und ökologisch ein Muss
Nach einem Sommer der Wetterextreme sinken die Temperaturen und die Heizsaison beginnt. Für immer mehr Menschen bedeutet dies eine finanzielle Bedrohung. Rekordverdächtige Heizkosten werden zur Schuldenfalle, im schlimmsten Fall drohen Energiesperren oder gar die Kündigung der Wohnung. Viele können sich das Heizen nicht leisten, weil das Geld nicht für eine warme Wohnung und den Wocheneinkauf reicht. Die Folge sind kalte und feuchte Wohnungen, auf die Dauer droht Schimmel.
Zwar sinken die Energiepreise nach einem Krisenhoch im letzten Herbst wieder. Doch kostet etwa die Kilowattstunde Gas durchschnittlich immer noch doppelt so viel wie 2021. Laut Sachverständigenrat für Verbraucherfragen müssen aktuell 43 Prozent der Haushalte mehr als zehn Prozent ihres Einkommens für warme Wohnungen, warmes Wasser und Strom aufwenden. Im Zeitraum von 2016 bis 2020 waren es noch 16 Prozent. Die hohen Kosten treffen diejenigen besonders hart, die wenig Geld haben und zudem noch wegen verschleppter Klimapolitik in schlecht oder gar nicht sanierten Gebäuden wohnen.
Olaf Bandt ist Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
Drohender Gasmangel, Anstieg von Energiearmut, Naturkatastrophen und verfehlte Klimaziele im Gebäudesektor: All das hätte eine Steilvorlage für die Ampel sein müssen, um es besser zu machen als die Vorgänger*innen. Doch statt endlich die Wärmewende abzusichern, verabschiedete die Bundesregierung jüngst ein »Heizungsgesetz«, das nach langem Koalitionsstreit nur noch ein Schatten seiner selbst ist. Fossile und ressourcenhungrige Strukturen erhalten weiter politischen Rückenwind. Menschen laufen außerdem Gefahr, in eine Kostenfalle zu tappen, wenn sie sich darauf verlassen, dass die neue Gasheizung durch Beimischung von Wasserstoff oder Biogas irgendwann »ergrünt«. Umso wichtiger wird es sein, dass die Kommunen in der Wärmeplanung auf effiziente, nachhaltige und bezahlbare Wärmequellen achten.
Weniger prominent als die weichgewaschenen Vorgaben für Heizungen war die klimapolitische Kehrtwende der Ampel beim »Baugipfel« im September. Angeführt von Bundesbauministerin Geywitz, drehte die Regierung nicht nur die Erhöhung der Klimastandards für neue Gebäude zurück. Sie erteilte auch den sogenannten Mindeststandards für die Energiesparqualität von Bestandsgebäuden eine Absage. Vom einstigen Klimakanzler und vom Ziel der SPD, soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz zusammenzubringen, keine Spur mehr.
Die Mindeststandards für Gebäude sind ein kluger Vorstoß aus Brüssel. Bis zu einer festgelegten Frist, zum Beispiel 2030, sollten Eigentümer*innen der Gebäude mit der schlechtesten Energiebilanz wenige Maßnahmen durchführen müssen, um ihr Gebäude auf ein Mindestniveau an Effizienz zu bringen. Klima- und energiepolitisch sowie für den Geldbeutel eine gute Idee. Aber nicht mehr für die Regierung: Deutschland wurde während der europäischen Verhandlungen vom Treiber zum Bremser. Alternativen, wie sie den Gebäudebestand auf Klimakurs bringen will, nennt die Bundesregierung bislang nicht.
Wir sind uns mit zahlreichen Sozialverbänden einig: Es braucht gesetzliche Vorgaben für die energetische Modernisierung. Bei den klimaschädlichsten Gebäuden anzufangen entlastet die Bewohner*innen, die es wirklich nötig haben, und ist klimapolitisch besonders wirksam. Allein die Wohngebäude der beiden schlechtesten Effizienzklassen verursachen die Hälfte der Treibhausgasemissionen aller Wohnungen!
Damit die Transformation für alle machbar ist, braucht es gleichzeitig eine zielgerichtete Unterstützung. Es müssen sozial gestaffelte Förderprogramme eingeführt und die Modernisierungsumlage deutlich gesenkt werden, es braucht unabhängige Beratung und organisatorische Hilfe. Viele gute Vorschläge für eine sozialverträgliche Sanierungsoffensive liegen auf dem Tisch. Was fehlt, ist der politische Wille, sie umzusetzen. Ein weiteres Verschleppen ist sozial und ökologisch inakzeptabel.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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