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Frauen im Sport: »Wir müssen aufhören, dankbar zu sein!«

Deutsche Sportverbände wollen Frauen in ihren Reihen mehr fördern: auf dem Feld und allen Führungsebenen

Deutschlands Handballerinnen um Emily Bölk (am Ball) sollen bei der Heim-WM 2025 zu Stars werden, damit ihnen junge Mädchen nacheifern.
Deutschlands Handballerinnen um Emily Bölk (am Ball) sollen bei der Heim-WM 2025 zu Stars werden, damit ihnen junge Mädchen nacheifern.

Im Sport wird gern ein »Star des Abends« gekürt. Die meisten Tore, die schönste Kür, die höchste Punktzahl: Was auch immer die Fans begeistert, wird herausgestellt. Bei Symposien ist so etwas eher unüblich. Und doch war bei der Frauen-Teamsportkonferenz am Donnerstag in Berlin allen Anwesenden klar, dass Katja Kraus dieser imaginäre Titel gebührt hätte. Szenenapplaus, Gelächter, dann wieder ernstes Nicken, vor allem aber Inspiration hatte es sonst bei keiner Rede im Saal der saarländischen Landesvertretung gegeben. Auch weil die ehemalige Nationaltorhüterin und Vorständin des Hamburger SV sehr persönlich geworden war: »Ich war immer die einzige Frau: als Fußballerin in meiner Schule, als Pressesprecherin bei Eintracht Frankfurt, als Vorstand beim HSV. Ich bin mit Sexismus konfrontiert gewesen, mit Übergriffigkeit, mit struktureller Benachteiligung. Ich hätte das damals aber nie zugegeben, wenn ich danach gefragt worden wäre. Ich dachte, das System ist eben so, und ich muss mich anpassen, dankbar sein, dass ich mitmachen darf. Das waren fulminante Fehleinschätzungen«, sagte Kraus und berührte damit viele im Saal. »Wir Frauen denken zu oft, dass wir schon so viel geschafft haben, und sind deswegen dankbar. Wir müssen aber aufhören, dankbar zu sein. Wir müssen mitentscheiden.«

Geht es nur mit Quote?

Sportlerinnen besser zu fördern, aber auch Frauen häufiger in Führungspositionen von Vereinen und Verbänden zu bringen, war die Klammer dieses Tages. Der 2017 gegründete Zusammenschluss Teamsport Deutschland hatte dazu eingeladen, weil, so sein Sprecher Andreas Michelmann, alle beteiligten Verbände (Fußball, Volleyball, Handball, Eishockey und Basketball) das »größte Potenzial bei den Frauen« erkannt haben, wie es der Präsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB) ausdrückte. Vor allem die EM der Fußballerinnen 2022 war für alle ein Aha-Erlebnis. Da schauten plötzlich fast 22 Millionen Fernsehzuschauer das Finale eines Frauenturniers, die höchste Einschaltquote einer TV-Sendung des ganzen Jahres. Das warf alte Glaubenssätze über Bord: Auch Frauen können Sportfans begeistern, man muss es offenbar nur richtig anpacken.

Wie genau das geht, sollte im Berliner Regierungsviertel besprochen werden, und es mangelte nicht an Ideen. Das Thema der Führungspositionen machte den Anfang, denn allein im Profifußball sind nur drei Prozent der geschäftsführenden Posten weiblich besetzt. Selbst in der Frauen-Bundesliga gibt es nur eine Cheftrainerin, und bei den Landesverbandspräsidenten sinkt die Zahl sogar komplett auf null. Im Handball sieht das übrigens genauso aus.

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Katja Kraus, Mitgründerin der Initiative »Fußball kann mehr«, galt vor einem Jahr lange als Kandidatin für das Präsidentinnenamt des Deutschen Fußball-Bunds (DFB), bis sie zurückzog: »Der Fußball ist veränderungsaversiv, weil er vielen Männern in langen Funktionärskarrieren zu Macht verholfen hat.« Daher befürworte sie Quotenregelungen. Damit stellte sie sich gegen die Position von Heike Ullrich. »Ich bin kein Quotenfan, weil ich über Leistung und Eignung kommen will«, sagte die 2022 zur ersten Generalsekretärin des DFB gewählte Funktionärin.

Vielmehr müssten Frauen direkt angesprochen, ermutigt und gefördert werden. Es sei ja leider immer noch so, dass sich Männer schon auf eine Stelle bewerben, wenn sie nur zwei von zehn Anforderungen eines Jobs erfüllen. Frauen wagten den Schritt in der Regel erst ab acht sogenannten Skills. »Wir müssen ihnen zeigen: Hier ist eine Chance, und wir wollen dich.« Das gelte insbesondere für Führungspositionen, obwohl es Ullrich selbst nie ganz nach vorn ins Rampenlicht gedrängt hat. »Ich sehe mich eher als Führungskraft im Mittelfeld, nah an meinem Team«, sagte sie. »Ich schieße meine Tore gern aus der zweiten Reihe.«

Mehr Frauen bringen mehr Erfolg

Das Problem an dieser Art der direkten Rekrutierung ist, dass sie aktuell noch auf Männer angewiesen ist. Auch sie müssten daher verinnerlichen, dass Frauen für einen Posten genauso gut geeignet sein können, so Ullrich. Die jüngeren Generationen seien schon so weit, bei den älteren sei diese Selbstverständlichkeit aber noch nicht überall angekommen. Der DFB hat sich immerhin vorgenommen, bis 2027 30 Prozent weibliche Führungskräfte einzustellen.

Wie sehr der DFB da anderen Ländern noch hinterherhinke, sah Katja Kraus beispielhaft in der Personalie des am Freitag vom Verband vorgestellten Horst Hrubesch als Interims-Bundestrainer der Frauen. »Ich schätze ihn als langjährige HSV-Funktionär sehr. Aber dass es keine Frauen gab, die den Job übernehmen konnten oder wollten, liegt daran, dass sie lange nicht ausreichend für eine Trainerkarriere gefördert wurden«, redete Kraus sportartenübergreifend allen anwesenden Verbandsvertretern ins Gewissen. »Ich weiß, das ist mühsam, und die Frauen stehen nicht Schlange. Aber dann muss man eben mehr Energie aufwenden, sie zu finden.«

Große Turniere als Katalysator

Dabei gehe es nicht um Gleichstellung per se. »Männer erklären es gern zu Charity-Projekten, wenn sie Frauen fördern«, kritisierte Kraus. Dabei hat eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey längst festgestellt: Wenn sich Firmen diverser aufstellen, verdoppelt sich die Wahrscheinlichkeit, profitabel zu sein. Und wollen Verbände erfolgreich sein, müssen sie wie Unternehmen geführt werden. Rekrutiert stattdessen eine Männerriege ihren Nachwuchs immer aus ihresgleichen, behindere das Innovation und Kreativität, so Kraus.

Der zweite Teil der Konferenz widmete sich vermehrt der Aufgabe, Sportlerinnen schon während ihrer Karriere zu mehr Erfolgen und Aufmerksamkeit zu verhelfen. Vertreter des DHB sowie des Deutschen Basketball-Bunds (DBB) setzen dabei auf große Turniere. Sie veranstalten in ihren Sportarten 2025 und 2026 Frauen-Weltmeisterschaften in Deutschland, was für einen Boom sorgen soll. Dieser Ansatz ist jedoch schon oft gescheitert, wie Maren Fromm bestätigte. Die Athletensprecherin im Deutschen Volleyball-Verband erinnert sich noch gut an ihre Heim-EM 2013: »Die Aufmerksamkeit der Medien war viel größer als sonst. Wir sind sogar Vizeeuropameisterinnen geworden. Den Erfolg hätte man gut nutzen können. Aber danach ist alles sofort wieder verpufft.«

DHB und DBB wollen dies ändern, indem sie in Anlehnung an die Fußballerinnen aus den Spielerinnen auch mit Hilfe der sozialen Medien Stars machen wollen. Dabei ließen es die Vertreter beider Verbände aus, vom anwesenden Sportrechtebeauftragten des ZDF, Daniel von Busse, zu fordern, dass der öffentlich-rechtliche Sender diese Turniere auch überträgt. Der Einfluss des analogen Fernsehens ist beim Erfolg der Fußballerinnen aber nicht hoch genug einzuschätzen.

Ob Stars einen Erfolg verstetigen können, ist ohnehin ungewiss, schließlich gibt es oft viel profanere Probleme als die mediale Aufmerksamkeit. So fehlt es allen Teamsportarten hinter dem Fußball schon jetzt an Hallen und Trainingszeiten. Die Basketballvereine etwa könnten eine mögliche Eintrittswelle nach dem WM-Titel der Männer daher gar nicht bewältigen. Dass der Abteilungsleiter Sport im Bundesinnenministerium, Steffen Rülke, dieses Nadelöhr selbst ansprechen musste und mit der Aussage davonkam, dass das ein Problem der Länder und Kommunen sei und der Bund schon 400 Millionen Euro an Unterstützung zahle, war der größte Schwachpunkt dieser Konferenz. Schließlich beziffert der Deutsche Olympische Sportbund den Sanierungsstau der Sportstätten hierzulande auf mehr als 30 Milliarden Euro.

Immerhin waren sich alle darin einig, dass mehr Geld in den Frauensport investiert werden müsse. So könnten die weiblichen Bundesligavereine eine gute Nachwuchsförderung nicht allein stemmen, also will der DHB nun zentrale Bundesstützpunkte für junge Talente einrichten. Fußball-Nationalspielerin und TV-Expertin Almuth Schult kritisierte in diesem Zusammenhang ihre eigene Sportart, da in den Nahwuchsleistungszentren der Bundesligisten bislang nur Jungen ausgebildet werden.

Der Weg zur Gleichstellung bleibt lang

»Wir brauchen einfach Geld, um Strukturen zu verbessern«, meinte auch Katharina Kurz, die mit einigen prominenten Mitstreiterinnen seit gut einem Jahr die Frauen von Viktoria Berlin professionalisieren und in die Bundesliga führen will. »Wir haben den Spielerinnen erstmals auch in der Regionalliga Verträge gegeben. Vorher lag das Jahresbudget für die Abteilung nur bei 60 000 Euro«, berichtete Kurz. Vor der aktuellen Saison zahlten Investoren 1,2 Millionen in die Kassen ein.

Solche Geschichten sind Leuchttürme. Doch die stehen meistens einsam in der Landschaft. Und so blieb die Erkenntnis, dass noch viel getan werden muss. »Es liegt kein Wert darin zu sagen, das System sei falsch, sondern nur darin, es zu verändern, es besser zu machen«, appellierte Katja Kraus zum Ende ihrer Rede. Viele Frauen – und auch einige Männer – im Publikum verpflichteten sich im Anschluss, ihre Anstrengungen zu intensivieren. Nach Dankbarkeit für das Erreichte war jedenfalls niemandem mehr zumute.

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