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Nations League: Horst Hrubesch startet mit den DFB-Frauen
Der 72-Jährige soll die deutschen Fußballerinnen zu Olympia führen
Die Ansagen waren nicht zu überhören: »Pass, Pass, Mitte zu!« Oder: »Ball flach, Ball unten!« Dann wieder: »Schneller, schneller!« Horst Hrubesch hat sich in den vergangenen Herbsttagen auf dem DFB-Campus in seiner abermaligen Rettermission für den deutschen Fußball der Frauen natürlich nicht mit der Zuschauerrolle begnügt. Das seit der Weltmeisterschaft in schwere Nöte geratene Nationalteam hört wieder gern auf sein Kommando, Assistenztrainerin Britta Carlson und Hrubeschs Vertrauensmann Thomas Nörenberg traten fast ehrfürchtig beiseite, wenn sich der 72-Jährige mit ausgebreiteten Armen in die Platzmitte begab, um Kapitänin Alexandra Popp und ihren Mitspielerinnen wieder eine klare Anweisung zu übermitteln. Popp wird dem Team wegen Museklproblemen allerdings fehlen.
Mag die Vorbereitung auf die wichtigen Aufgaben in der Nations League an diesem Freitag gegen Wales in Sinsheim und vier Tage später gegen Island in Reykjavik von den Turbulenzen um die renitent um ihre Weiterbeschäftigung kämpfende Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg überschattet worden sein: Die Spielerinnen hat bei ihrem Kampf um zwei europäische Startplätze für die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris nicht zu interessieren, welche Ränkespiele sich der Verband im Krisenmodus und eine Cheftrainerin im Erholungsurlaub liefern. Sie wollen im Kraichgau, wo immerhin schon 18 000 Tickets verkauft sind, ein sportliches Signal setzen.
»Es stehen wichtige Spiele an, daher kann ich, glaube ich, für die Mannschaft sprechen und sagen, dass das Thema gerade kein großes Gewicht hat«, erklärte Abwehrspielerin Sara Doorsoun von Eintracht Frankfurt. Die Münchner Mittelfeldspielerin Linda Dallmann ergänzte: »Ich habe schon ein Gefühl von Neustart, auch persönlich.« Die Filigrantechnikerin vom FC Bayern, die verletzungsbedingt die verkorkste WM verpasst hatte, berichtete, dass auch selbstkritische Prozesse angestoßen worden seien: »Wir haben uns als Mannschaft hinterfragt.« Denn die vielen Fehlpässe in Down Under hat schließlich nicht die Trainerin gespielt.
Doch die Sehnsucht nach neuen Leitplanken, nach einer anderen Spielausrichtung ist riesengroß, wie Dallmann sagte: »Ich bin froh, dass Horst in der Situation mit seinem Trainerteam für uns da ist. Wir haben sehr viel Lust, seine Ideen umzusetzen.« Konkret sind das: mehr Tempo, mehr Direktspiel, mehr Abschlüsse – und insgesamt einfach mehr Mut und Überzeugung. Mag die für die verletzte Stammtorhüterin Merle Frohms einspringende Ann-Katrin Berger vom FC Chelsea auch vor den ihr gut bekannten Waliserinnen in der Nations League warnen, weil »die alle Fußball spielen können«, ist der Auftrag für die beiden Länderspiele eindeutig: klare Siege einfahren, möglichst viele Tore schießen.
Horst Hrubesch hat es so ausgedrückt: »Wir wollen bestimmen, was auf dem Platz passiert.« Dass der Mann für Olympia brennt, fast mehr noch als für die Europameisterschaft 2025 in der Schweiz, ist spürbar, wie Dallmann verriet: »Er hat gesagt, er läuft nach Frankreich, um uns dort spielen zu sehen – wenn wir ihn nicht mitnehmen.«
Vor dem Hintergrund der vielen atmosphärischen Verstimmungen, die zuletzt gar an die Zeit der als Fußballlehrerin überforderten Steffi Jones erinnerten, kann es keinen besseren Anker als Horst Hrubesch geben. Torwarttrainer Michael Fuchs, der loyale Seismograph für die Stimmungslage, sagte im Gespräch mit dieser Zeitung über seinen Chef: »Er will allein, dass es allen gut geht. Er weiß, wie er mit Menschen umgehen muss, damit Harmonie einkehrt. Und da gehört vielleicht auch mal eine ruppige Ansage dazu.« Der seit 2007 mit kurzer Unterbrechung für die DFB-Frauen arbeitende 53-Jährige ist davon überzeugt, dass der neue Coach die richtigen Knöpfe drückt: »Er gibt der Mannschaft das, was sie braucht, um wieder ein Team zu werden. Damit alle zusammenhalten.«
Dass die zeitlosen Hrubesch-Botschaften bei Popp und Co. auch nach fünf Jahren noch einmal verfangen, ist verbürgt – genauso wie die Distanz zur Vorgängerin, die nicht auf diesen Posten zurückkehren wird, wie es hinter den Kulissen heißt. Der überfällige Schlussstrich unter das inzwischen leidige und irgendwie auch traurige Kapitel Voss-Tecklenburg könnte nächste Woche erfolgen.
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