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Antwort auf Chinas Neue Seidenstraße

EU-Ministerpräsidenten berieten über die Infrastrukturpläne der »Global Gateway«-Initiative

  • René Heilig
  • Lesedauer: 5 Min.

Das EU-Programm »Global Gateway« zeigt üppige Erfolge – aus Sicht der Cateringfirma, die die Kaffeepausen des zweitägigen Kongresses betreute, der am Donnerstagmittag in Brüssel zu Ende ging. Ob die angereisten Staats- und Regierungschefs aus mehr als 40 Ländern darüber hinaus mit den beim Treffen besprochenen Angeboten zufrieden sein können, wird sich erst in den kommenden Jahren erweisen.

Bis 2027 will die Europäische Union im Rahmen der »Global Gateway«-Initiative 300 Milliarden Euro bereitstellen. Die Summe klingt gewaltig, ist jedoch angesichts der weit vorangekommenen Konkurrenz eher bescheiden. Das Staatenbündnis will damit nämlich in den Wettbewerb mit China um Ausbau und Kontrolle von Infrastrukturen weltweit treten.

Die Volksrepublik hatte erst vor einer Woche zu einem vergleichbaren Treffen nach Peking zur Fortentwicklung ihres vor mittlerweile zehn Jahren gestarteten globalen Infrastrukturprojekts »Neue Seidenstraße« alias Belt and Road Initiative (BRO) eingeladen. Es umfasst Partnerschaften mit mehr als 130 Ländern beim Ausbau von Infrastrukturen, die der globalen wirtschaftlichen Vernetzung dienen sollen. Zum dritten Seidenstraßen-Gipfel waren Vertreter des sogenannten globalen Südens in beeindruckender Geschlossenheit angereist. Chinas starker Mann Xi Jinping begrüßte Repräsentanten von rund 140 Staaten, darunter mehr als 20 Präsidenten.

Sieht man von Ungarns Premier Viktor Orbán und dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić ab, ignorierte der Westen das Pekinger Treffen weitgehend. Schließlich hat man als Alternative zur chinesischen Seidenstraßeninitiative, die man in EU-Kreisen dafür kritisiert, dass sie Entwicklungsländer in Abhängigkeit und in die »Schuldenfalle« treibt, mit »Global Gateway« eine eigene Strategie entwickelt.

Seit seinem Start vor knapp zwei Jahren wurden im Rahmen des EU-Programms 89 Projekte in Lateinamerika, der Karibik, im Nahen Osten, in Asien, der Pazifikregion und in afrikanischen Staaten südlich der Sahara ins Leben gerufen und dafür 66 Milliarden Euro zugesagt. Ganz demokratisch soll alles laufen, wenngleich sich Länder wie Brasilien darüber beschweren, dass Projekte einfach an den jeweils zuständigen staatlichen Behörden »vorbei entwickelt« würden.

Darüber sprach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Eröffnungsrede am Mittwoch nicht. Sie betonte, dass es »Global Gateway« darum gehe, ärmeren Ländern eine Alternative und damit Gelegenheit zu einer besseren Wahl ihrer Partner zu geben. Denn in den Offerten anderer sei das »Kleingedruckte« oft mit einem sehr hohen Preis verbunden: »Manchmal ist es die Umwelt, die den Preis zahlt, manchmal sind es Arbeiter, die ihrer Rechte beraubt werden, manchmal werden ausländische Arbeiter hinzugezogen, und manchmal ist es die nationale Souveränität, die kompromittiert wird.«

Was denn bei der »Global Gateway«-Initiative anders und besser laufe als bei der Neuen Seidenstraße, wurde Reinhard Bütikofer am Mittwoch im Deutschlandfunk gefragt. Er ist außenpolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für internationalen Handel. Der Abgeordnete wählte das Beispiel Namibia und seltene Erden, die man für jedes Windrad und jedes Handy braucht. Bis jetzt sei das afrikanische Land darauf angewiesen, diese Bodenschätze zur Weiterverarbeitung nach China zu exportieren. Die Welt sei somit vom »guten Willen Chinas abhängig, ob wir diese Verarbeitungsprodukte, die wir unbedingt brauchen, auch bekommen«. Peking habe vor zwölf Jahren schon einmal »die Tür einfach zugeschlagen«, beklagte der Politiker. »Da sahen die Japaner und wir sehr blöd aus.«

Jetzt, so Bütikofer, könne man Namibia ein Angebot machen: »Wir helfen euch, eine Verarbeitungsindustrie aufzubauen. Das ist für euch industriell ein Gewinn.
Und wir bekommen aber Zugang zu einer von China unabhängigen Bezugsquelle. Das ist tatsächlich für beide Seiten ein Vorteil.«

Die Antwort sagt einiges über die Zielsetzung von »Global Gateway«. Gefragt, warum es damit nicht so recht vorangehe, verwies Bütikofer darauf, dass »die entsprechende Brüsseler Bürokratie eine Zeit lang gemeint hat, ›Global Gateway‹ bestehe darin, dass man einfach Sachen, die man sowieso schon macht, mit einem neuen Etikett versieht«. Das müsse sich ändern.

Von der Leyen stellte derweil in Brüssel klar: »Weil wir wissen, dass viele unserer Projekte gerade erst starten, sind wir entschlossen, alle Hürden zu überwinden und Erfolg zu haben.« Zu klären sei: »Was müssen wir priorisieren, um noch schneller zu sein, noch größer zu werden und noch mehr Einfluss zu haben?« Sie versicherte den angereisten Investoren wie potenziellen Partnern: »Ihr Input und Rat sind uns sehr wichtig.«

Die EU-Initiative ist indes nicht nur Reaktion auf Chinas Vormarsch. »Meine Botschaft war immer klar: Wir befinden uns im geopolitischen Wettbewerb«, sagte EU-Kommissarin für internationale Partnerschaften, Jutta Urpilainen, jüngst in einem Interview mit der Plattform »Euractiv«. Und verwies auch auf die Konkurrenz aus den USA, aus Russland oder der Türkei. Zudem, so Urpilainen, könne man mit »Global Gateway« auch die Wirtschaft in Entwicklungsländern stärken und so Fluchtursachen bekämpfen, was ebenso im europäischen Interesse sei.

Gleichwohl gelang es Brüssel nur mäßig, auf der Konferenz am Mittwoch und Donnerstag mit Ergebnissen zu glänzen. Zwar wurde die Unterzeichnung Dutzender Abkommen mit Partnerländern angekündigt, etwa mit Vietnam und Ägypten. Wirklich greifbar scheinen aber wenige Vereinbarungen zu sein. »Gemeinsam bauen wir den transafrikanischen Korridor, der den Süden der Demokratischen Republik Kongo und den Norden Sambias über den Hafen von Lobito in Angola mit den globalen Märkten verbinden wird«, sagte von der Leyen. Verträge mit Sambia und der DR Kongo zum Handel mit »kritischen Rohstoffen« seien in Vorbereitung. Mit dem »Korridor« zum Atlantik will man offenbar China beim Transport strategisch wichtiger Mineralien das Wasser abgraben und eigene Routen etablieren.

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