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  • Ski-Weltcup in Sölden

Skisportler haben Angst vor falschen Wachs-Messungen

Das neu eingeführte Fluorwachs-Verbot sorgt gleich zum Auftakt des Skiweltcups für Diskussionen

  • Elisabeth Schlammerl, Sölden
  • Lesedauer: 4 Min.
Ragnhild Mowinckel wurde beim Riesenslalom in Sölden wegen eines verbotenen Skiwachses disqualifiziert.
Ragnhild Mowinckel wurde beim Riesenslalom in Sölden wegen eines verbotenen Skiwachses disqualifiziert.

Mit schlechten Wetterbedingungen umzugehen, gehört zum Skirennsport dazu. Dass nach den Diskussionen vor dem alpinen Weltcupstart in Sölden um nicht zeitgemäße Rennen um diese Jahreszeit nun aber noch einer der beiden Riesenslaloms ausfiel, hat dem angekratzten Image der Sportart nicht gerade geholfen. Die Männer wurden am Sonntag auf dem Gletscher in Sölden fast vom Winde verweht und ihr Wettbewerb nach 47 Läufern abgebrochen.

Immerhin war das Rennen der Frauen dank des Bilderbuch-Wetters am Samstag und sportlicher Leistungen auf hohem Niveau eine kleine Werbeveranstaltung für den Weltcup – allerdings nicht aus deutscher Sicht. Die einzige Starterin des Deutschen Skiverbands (DSV), Emma Aicher, verpasste die Qualifikation für den zweiten Lauf. Siegerin Lara Gut-Behrami hatte mit einem fulminanten zweiten Lauf noch die deutlich führende Italienerin Federica Brignone abgefangen.

Die Geschichte der 32-jährigen Schweizerin, die sich im Sommer noch mit Rücktrittsgedanken beschäftigt hatte, nun aber mit ihrem dritten Erfolg zur slowenischen Rekordsiegerin auf dem Rettenbachgletscher, Tina Maze, aufschloss, wäre eine sehr schöne gewesen. Sie rückte angesichts der Disqualifikation von Ragnhild Mowinckel jedoch in den Hintergrund. Die Norwegerin war die erste Beschuldigte des seit dieser Saison geltenden Fluorwachs-Verbots. Weil laut Peter Gerdol, Renndirektor des Internationalen Skiverbandes Fis, die neu eingeführten Grenzwerte bei mehreren Messungen deutlich überschritten worden waren, sei die Entscheidung, Mowinckel nach dem ersten Durchgang zu disqualifizieren, »ein Muss« gewesen. Die zweimalige Olympiazweite stand derweil am Mikrofon des norwegischen Fernsehens und verstand die Welt nicht mehr. »Ich bin mir sicher, dass es einen Fehler gegeben hat«, sagte sie unter Tränen.

Der Internationale Skiverband hatte im Frühjahr entschieden, dass Skiwachs keine umweltschädigenden Fluor-Verbindungen mehr enthalten dürfen, die wegen ihrer wasser- und schmutzabweisenden Wirkung die Schnelligkeit der Ski erhöhen. Damit wurde endgültig ein Beschluss aus dem Jahr 2020 umgesetzt. Das Verbot war seitdem wegen unzuverlässiger Kontrollmethoden immer wieder verschoben worden. Allerdings, heißt es aus den Reihen der Skifirmen, Wachshersteller, Trainer und Athleten, seien die Messungen noch immer nicht valide.

Den Sommer über wurde in den nationalen Verbänden viel getestet – und festgestellt, dass die Abweichungen enorm sind. Auch der Deutsche Skiverband hat sich vier dieser Kontrollgeräte für 30 000 Euro pro Stück gekauft. »Wir haben Ski mit Flour-Wachs getestet, die negativ waren, und welche ohne, die positiv waren«, erzählt DSV-Sportvorstand Wolfgang Maier. Außerdem seien an verschiedenen Stellen des Belags unterschiedliche Werte gemessen worden. »Da könnten leicht«, kritisiert Roswitha Stadlober, Präsidentin des Österreichischen Skiverbandes, »Unschuldige zu Schuldigen« werden.

Da die Fis um die Ungenauigkeiten der Messgeräte weiß, hat sie eine Toleranzgrenze von 1,0 Prozent beschlossen. Das aber, befürchtet Karlheinz Waibel, Bundestrainer Technik und Wissenschaft im DSV, führe zu einer Art »Technologie-Doping«. Denn wären die Gerät verlässlich, sagt er, gäbe es gar keinen Grund, eine Toleranzgrenze einzuführen. »Es wird wie bei den Höchstmaßen beim Radius der Ski oder der Plattenhöhe der Bindung versucht werden, die Grenzwerte auszureizen« – und doch ein wenig Fluor ins Wachs zu mischen.

Bei Mowinckel schloss der Rennchef ihres Skiherstellers Betrug aus. »Der schlimmste Fall ist eingetreten. Wir können es uns absolut nicht erklären«, sagte Rainer Salzgeber. Der Servicemann sei zwei Tage zuvor mit dem Rennski und »genau dieser Präparation« noch bei der Kontrollmessung der Fis gewesen. »Alles war grün. Und heute ist es dunkelrot.«

Schon vor dem Auftakt hatte es die Sorge gegeben, dass der Belag auch unbewusst mit Fluor verunreinigt werden könnte: Wenn sich zum Beispiel am Ski der Helfer, die während der Rennen zwischendurch die Piste abrutschen, noch Fluor von alten Wachsrückständen befindet. Bei Mowinckel lagen die Werte allerdings so hoch, wie die untröstliche Athletin von der Jury erfuhr, »dass, das Fluor nicht auf der Piste aufgenommen worden sein konnte, sondern aufgetragen worden sein muss«.

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