Nations League: DFB-Frauen müssen nach Wales auch Island besiegen

Horst Hrubesch bringt die deutschen Fußballerinnen auf olympischen Kurs

  • Frank Hellmann, Sinsheim
  • Lesedauer: 4 Min.
Die starke Linksverteidigerin Sarai Linder (l.) und die DFB-Frauen ließen sich von den Waliserinnen um Kayleigh Green nicht aufhalten.
Die starke Linksverteidigerin Sarai Linder (l.) und die DFB-Frauen ließen sich von den Waliserinnen um Kayleigh Green nicht aufhalten.

Über die nächste Dienstreise muss Horst Hrubesch selbst ein bisschen schmunzeln. Dass am Sonntag in Frankfurt der Flieger nach Reykjavik abhob, der die deutschen Fußballerinnen zum nächsten Gruppenspiel der Nations League am Dienstag gegen die Isländerinnen brachte, verknüpft beim Interimstrainer zwangsläufig Vergangenheit und Gegenwart. Auf der Nordmeerinsel hatte er mit den DFB-Frauen am 1. September 2018 das entscheidende Spiel in der WM-Qualifikation gewonnen, bei seinem zweiten Retter-Einsatz geht es nun an selber Stelle um die Chance auf die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024.

»Island können wir«, erzählte der 72-Jährige mit einem Schmunzeln, verdeutlichte aber: »Wir werden beißen und dieses Spiel gewinnen müssen.« Beste Erinnerungen ans zugige Laugardalsvöllur-Stadion, wo der Gruppenerste Dänemark am Freitagabend nur mühsam mit 1:0 gewinnen konnte, hegt Svenja Huth als damalige Doppeltorschützin. Die Ersatzkapitänin für die angeschlagen abgereiste Torjägerin Alexandra Popp hat die Hrubesch-Rückkehr sehr begrüßt. »Die Handschrift von Horst war klar zu erkennen, was das Thema Spielgeschwindigkeit und Spielverlagerung angeht«, sagte die 32-Jährige nach dem 5:1-Sieg gegen Wales in Sinsheim.

Jennifer Hermoso jubelt wieder

Salerno. Nach ihrem Comeback konnte Jennifer Hermoso einfach »nur noch lächeln«. Zuvor hatte sie im Nations-League-Spiel in Italien am Freitagabend in der 89. Minute den 1:0-Siegtreffer erzielt. »Das Leben gibt einem manchmal kleine Geschenke.« Sie habe nach dem Kuss-Skandal bei der WM wieder Spaß am Fußball, betonte die 33-Jährige.
Nach dem WM-Titelgewinn der Spanierinnen hatte der damalige Verbandspräsident Luis Rubiales bei der Siegerehrung Hermoso gegen ihren Willen auf den Mund geküsst. Gegen Rubiales läuft seit über einem Monat ein staatliches Ermittlungsverfahren, er räumte widerwillig sein Amt. dpa/nd

Hrubesch war danach so klug, die Schwachstellen nicht zu verschweigen. »Dass nicht alles rund läuft, davon bin ich eigentlich ausgegangen. Es muss jetzt halt zusammenwachsen.« Schließlich hat er ein verunsichertes Ensemble übernommen, das tagelange Störgeräusche um die selbstgerechte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg zu verkraften hatte. »Wir haben es ausgeblendet«, versicherte ihr Vorgänger und Nachfolger. Über die Vertragsauflösung mit der 55-Jährigen soll in der kommenden Woche gesprochen werden: Das Thema soll vom Tisch, bevor alles auf ein Endspiel um den Gruppensieg gegen Dänemark am 1. Dezember in Rostock hinausläuft.

Liebend gerne würde Hrubesch Anfang kommenden Jahres noch die Finals der Nations-League-Gruppensieger bestreiten, wo die zwei Startplätze für die Sommerspiele in Paris ausgespielt werden. »Wir müssen einfach alles dafür geben, um Olympia zu erreichen.« Sein Erfahrungsschatz und sein Sachverstand sollten helfen. Und er weiß, dass ein Fußballlehrer mit gespielter Harmonie nicht weiterkommt, sondern auch unpopuläre Entscheidungen treffen muss: Weil Sara Däbritz am Freitagabend ähnlich schwerfällig wirkte wie bei der WM, musste die Mittelfeldspielerin zur Pause in der Kabine bleiben. Genau wie Laura Freigang, die auf ihrer Lieblingsposition hinter den Spitzen ohne Wirkung blieb. Dafür kamen Sjoeke Nüsken und Linda Dallmann, die sofort das 2:1 von Doppeltorschützin Lea Schüller einleitete.

Sachverstand erzeugt Glaubwürdigkeit. Und natürliche Autorität besitzt Hrubesch sowieso, der gemeinsam mit seinem Vertrauensmann Thomas Nörenberg derzeit die ideale Übergangslösung darstellt. Altbekannte Mängel sind zwar nicht gleich behoben, aber der forsche Vorwärtsdrang machte irgendwie auch wieder Spaß. DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Geschäftsführer Andreas Rettig, die im Fall der Bundestrainerin ein denkbar schlechtes Bild abgaben, haben mit 20 107 Fans in Sinsheim und 2,63 Millionen Fernsehzuschauern in der ARD gesehen, wie eine väterliche Figur bei den Frauen wieder Zugang findet.

»Mit seiner Art und Weise hat er die richtigen Worte gefunden«, sagte Giulia Gwinn: »Er tut dem Team mit seiner Persönlichkeit extrem gut.« Dass sich die Rechtsverteidigerin nach ihrem zweiten Kreuzbandriss wieder ihrer EM-Form nähert und auf der Gegenseite Sarai Linder wie schon beim 4:0 im Hinspiel gegen Island mit viel Mut agierte, hilft ebenso. Die von Voss-Tecklenburg fehlbesetzten Außenbahnen erwiesen sich bei der WM als fatale Schwachstelle.

Hrubesch begibt sich nach den Länderspielen auf Inspektionstour durch die Bundesliga, um nach Alternativen zu fahnden. Am kommenden Wochenende wird von ihm erst die Partie der TSG Hoffenheim gegen den SC Freiburg, dann das Spitzenspiel des FC Bayern gegen den VfL Wolfsburg in Augenschein genommen. Mittelfristig braucht es beispielsweise Ersatz für die verletzungsanfällige Abwehrchefin Marina Hegering, die wegen Achillessehnenproblemen gerade die Island-Reise absagte. Für sie stieg die von Voss-Tecklenburg gerne übergangene Sophia Kleinherne in Frankfurt in den Flieger.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -