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Steinmeier in Tansania: Freundliche Worte statt Entschädigung
Bundespräsident Steinmeier will sich bei seinem Besuch in Tansania zu deutschen Kolonialverbrechen äußern
In Songea, im Südwesten von Tansania, erinnert noch heute ein Galgen an die Grausamkeit der deutschen Kolonialisten. Hier wurden am 27. Februar 1906 mehr als 60 Anführer hingerichtet, die sich gegen die Herrschaft des Kaiserreichs in der Kolonie mit dem Namen Deutsch-Ostafrika gewehrt hatten. Sie kämpften im Maji-Maji-Krieg, der ein Jahr zuvor in der Kolonie ausgebrochen war und 1908 endgültig von den Kolonialtruppen niedergeschlagen wurde.
Der Galgen in Songea ist Teil des Maji-Maji-Museums. Am Mittwoch wird dort erneut Geschichte geschrieben. Die Tansanier erwarten erstmals hohen Besuch aus Deutschland. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will zum Abschluss seiner dreitägigen Visite in Tansania das Museum und die Gräber von afrikanischen Opfern des Maji-Maji-Krieges besuchen und Gespräche mit ihren Nachfahren führen. Vertreter des tansanischen Staates nehmen hier regelmäßig an Gedenkfeiern teil, deutsche Spitzenpolitiker haben diesen Ort bisher hingegen gemieden. Aus seinem Büro wird verlautbart, dass Steinmeier sich »der tansanischen Geschichte und insbesondere der deutschen Kolonialherrschaft widmen« wolle.
Der Maji-Maji-Krieg ist ein zentraler Teil dieser Geschichte. Maji bedeutet übersetzt aus der Kiswahili-Sprache Wasser. Die afrikanischen Krieger vertrauten auf einen Trank mit diesem Namen, von dem erzählt wurde, dass er die deutschen Gewehrkugeln in Wasser verwandeln würde.
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Einer ihrer Anführer war Songea Mbano. Die Stadt im Südwesten von Tansania ist nach dem Ngoni-Herrscher benannt. Songea Mbano wurde von den Kolonialtruppen gefangen genommen, im Februar 1906 hingerichtet und ebenso wie viele seiner Leidensgefährten ohne Kopf beerdigt. Sein Schädel wurde für rassistische und pseudowissenschaftliche Forschungen nach Deutschland gebracht. Hier wurde er noch immer nicht gefunden.
Im Jahr 2017 startete die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ein Projekt, um die Herkunft von etwa 1000 geraubten Schädeln aus der früheren Kolonie zu erforschen, die sich in deutschen Museen befinden. Mehr als 900 von ihnen konnten Gebieten in den heutigen Staaten Ruanda, Tansania und Kenia zugeordnet werden und sollen in die Heimat zurückgebracht werden. Die genetischen Daten von einzelnen Schädeln wurden mit der DNA aus Speichelproben möglicher Nachfahren verglichen. In einem Fall wurde eine vollständige Übereinstimmung mit einem Mann festgestellt, der in Tansania lebt. In Songea wird Steinmeier Fragen beantworten müssen, wie es um die Rückgabe von weiteren Gebeinen und Kulturschätzen steht, welche die frühere Kolonialmacht einst gestohlen hatte.
Doch das dürfte nicht das einzige Thema bei Steinmeiers Visite sein. In einem Forderungskatalog an den Bundespräsidenten, der unter anderem von den Organisationen Tanzania Network und Berlin Postkolonial unterzeichnet wurde, heißt es, dass Steinmeier »um Entschuldigung Deutschlands bei den Nachfahren der Opfer des Maji-Maji-Kriegs« und für alle von Deutschen in Ostafrika begangenen Kolonialverbrechen bitten solle. Darüber hinaus wird die Bundesregierung zu Verhandlungen aufgefordert. Diese sollten mit den vom deutschen Kolonialismus besonders betroffenen tansanischen Communities und Regionen sowie mit der tansanischen Regierung über Entschädigungenfür diese Gemeinschaften geführt werden.
Zu diesen Fragen hatte sich die Bundesregierung bisher zurückhaltend geäußert. Im Mai hatte sie auf eine Kleine Anfrage der inzwischen parteilosen Abgeordneten Sevim Dağdelen, die zu diesem Zeitpunkt noch Mitglied der Linken war, lediglich mitgeteilt, sich »der moralischen und politischen Verantwortung zu stellen, die aus den durch deutsche Kolonialtruppen verübten Verbrechen in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika resultiert«. Hinsichtlich der Erwartungen und Bedürfnisse der tansanischen Seite würden auch von Seiten der Bundesregierung vertrauensvolle Gespräche geführt.
Tansania, ohne die Insel Sansibar, war von 1885 bis 1918 Teil der Kolonie, zu der auch Burundi, Ruanda und ein kleiner Teil von Mosambik gehörten. Unterschiedliche ethnische Gruppen lehnten sich gegen die Kolonialisten auf und es kam zu mehreren Kriegen. Die größte und blutigste Auseinandersetzung war der Maji-Maji-Krieg. Die Kolonialtruppen verübten zahlreiche Kriegsverbrechen und setzten auf die Strategie der verbrannten Erde, die sich vor allem gegen die Zivilbevölkerung richtete und zu Hungersnöten und Seuchen führte. Felder, Getreidespeicher, Brunnen und ganze Dörfer wurden zerstört. Tansanische Historiker gehen von bis zu 300 000 Todesopfern aus, ein Drittel der Menschen, die in dem betroffenen Gebiet lebten.
Anders als Sevim Dağdelen und ihre Genossen, die ebenso wie einige tansanische Historiker von »Völkermord« sprechen, vermeidet die Bundesregierung diesen Begriff. In diesem Fall müsste sie damit rechnen, dass Tansania dem Beispiel Namibias, wo das Kaiserreich einen Völkermord an den Herero und Nama beging, folgen und Entschädigungen von der Bundesrepublik verlangen wird. Solche Forderungen wurden seit 2017 von einzelnen tansanischen Politikern wie etwa Hussein Mwinyi, damals Verteidigungsminister, erhoben, aber später von anderen Mitgliedern des Kabinetts wieder revidiert.
Die Debatte in Tansania wird auch vor dem Hintergrund geführt, dass die Folgen der grausamen deutschen Kolonialherrschaft und des Maji-Maji-Krieges noch immer sichtbar sind. Berlin Postkolonial und das Tanzania Network verweisen darauf, dass die einstigen Kriegsgebiete im Süden von Tansania »im Vergleich zum Rest des Landes arm sind und eine höhere Kindersterblichkeit und ein niedrigeres Pro-Kopf-Einkommen aufweisen«. Auch dies sei ein Erbe der Kolonialzeit.
Inwieweit sich Steinmeier auch hiermit beschäftigen wird, ist noch offen. Er will sich ab 11 Uhr eine Stunde Zeit nehmen, um das Maji-Maji-Museum zu besuchen. Es folgt ein Kurzbesuch der Maji-Maji-Grundschule in Songea. Bereits mittags will das deutsche Staatsoberhaupt das Land wieder verlassen, weil es zu politischen Gesprächen im benachbarten Sambia erwartet wird.
Aert van Riel: »Der verschwiegene Völkermord. Deutsche Kolonialverbrechen in Ostafrika und ihre Folgen.« Papyrossa, 178 S., br., 16,90
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