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Signa in Berlin: Aufwerter legt Vollbremsung hin
Signa geht das Geld aus. Nun sind auch alle Projekte in Berlin gestoppt und es drohen Bauruinen
Was Berlin alles mit den Standorten in bester Lage anstellen könnte: ein autonomes Jugendzentrum am Ku'damm vielleicht? Oder doch ein kommunal betriebenes und gemeinnütziges Kaufhaus für den Bedarf der Nachbarschaft am Hermannplatz? Die Ideen könnten dieser Tage nur so sprudeln. Falls nicht, dann dürfte zumindest die geringe Hoffnung vorhanden sein, dass einige von Signas umstrittenen Immobilienprojekten in der Hauptstadt vielleicht doch nicht mehr umgesetzt werden.
Wie der »Tagesspiegel« unter Berufung auf Unternehmenskreise berichtet, hat der österreichische Immobilien- und Warenhauskonzern alle Projekte in Berlin gestoppt. Darunter sind sowohl weit fortgeschrittene und weniger bekannte Projekte wie beispielsweise an der Schönhauser Allee 9 als auch Vorhaben, die noch in der Planung stecken. Am bekanntesten: Die umstrittene Aufwertung der Karstadt-Standorte am Hermannplatz in Neukölln und an der Müllerstraße in Wedding. Für diese wie auch für die zwei geplanten Türme am Kurfürstendamm, von denen der größte 120 Meter in den Himmel ragen soll, gibt es noch kein Baurecht.
Der Planungs- und Baustopp kommt nicht überraschend. Schon länger steckt Signa in der Krise. Seitdem der Konzern Mitte Oktober der Tochter Signa Sports United keine Finanzhilfen gewähren wollte, zeigt sich auch öffentlich in einer Kettenreaktion, wie schlecht es um das verzweigte Unternehmensnetzwerk bestellt ist. Die EZB warnt Banken vor Krediten an Signa und wichtige Investoren ziehen sich zurück. Arndt Geiwitz, der bereits bei der Signa-Tochter Galerie Karstadt Kaufhof als Sanierungsexperte verpflichtet worden war, übernimmt nun auch bei der Holding, wie am Mittwoch den Investoren mitgeteilt wurde. Dass sich Gründer René Benko aus dem Unternehmen zurückzieht, war eine Bedingung der Investoren, bevor überhaupt frisches Geld zugeschossen wird.
Die Geldnöte haben direkte Auswirkungen auf die Bauprojekte in deutschen Städten. In Hamburg stoppte das Bauunternehmen die Arbeiten am Rohbau für den Elbtower, weil Signa im Zahlungsverzug ist. Auch in Stuttgart und Düsseldorf ist die Zukunft von angefangenen Baugruben durch einen Stopp der Arbeiten ungewiss. Gleiches gilt für Berlin: Fraglich ist, ob es an verschiedenen Standorten überhaupt und wenn ja mit Signa weitergeht.
Die Baugrube mit Baurecht für ein Hochhaus am Alexanderplatz hatte Signa erst im Juni an eine Commerzbank-Tochter verkauft, nun hat sich diese von Signa als Projektentwickler verabschiedet. Daneben gibt es Baugruben, an denen es schon länger nicht vorangeht. In der Franklinstraße 8 wurde zwar ein altes Möbelhaus abgerissen und ohne Genehmigung wurden Bäume gefällt, von Signas Projekt »Glance« direkt an der Spree ist dennoch nichts zu sehen. Eine Fotodokumentationen in einem Online-Portal zeigt, dass es auf der Baustelle noch genauso wie im Januar aussieht.
Wie also umgehen mit Signa? Die Opposition aus Grünen und Die Linke wirbt schon länger für einen Stopp der Bebauungsplanverfahren am Hermannplatz und dem Kurfürstendamm. Nun erhält die Frage, ob Signa überhaupt noch seine Projekte stemmen kann, neue Brisanz. Ein festgesetzter Bebauungsplan würde so oder so den Wert der Grundstücke im Sinne Signas steigern.
Ein anschließender Verkauf von Signas Projekten selbst in solchen Bestlagen ist nach dem im Juni noch überraschenden Verkauf am Alexanderplatz aus Signas Prime-Bereich denkbar. Andererseits dürfte es aufgrund der gegenwärtigen Lage der Branche auch nicht einfach sein, Interessenten für Immobilienprojekte mit hohem Investitionsvolumen zu finden. Drohen dann Bauruinen? Nach Insider-Berichten ist beispielsweise für den Elbtower nicht mit einer zeitnahen Fortsetzung der Arbeiten zu rechnen.
»Wir sehen im Moment noch keine konkreten Sorgen, dass Bauruinen entstehen«, sagte Bausenator Christian Gaebler (SPD) am Montag im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses. Der Forderung nach einem Stopp der Bebauungsplanverfahren erteilte er eine Absage. Mit diesen verbunden seien auch »städtebauliche Zielsetzungen, die über das reine Interesse von Signa hinausgehen«.
Am Hermannplatz gehe es auch um Einzelhandel, Wohnungen und Gemeinbedarf, am Kurfürstendamm um die »städtebaulich notwendige Neuordnung des Areals«, wie Gaeblers Sprecher mitteilt. Der Prozess für einen Bebauungsplan werde nicht gestoppt. »Wer dies fordert, nimmt billigend in Kauf, dass wichtige Projekte zur Entwicklung der Berliner Zentren und zahlreiche Arbeitsplätze aufs Spiel gesetzt werden«, so Martin Pallgen.
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2020 hatten sich im Zuge der Pleite bei Galeria Karstadt Kaufhof Senat und Signa in einer Absichtserklärung geeinigt. Auf der einen Seite gab es Zusagen für die Immobilienprojekte am Hermannplatz und Kurfürstendamm, auf der anderen machte Signa Arbeitsplatzgarantien für die Kaufhaustochter. 2022 geriet der Kaufhauskonzern erneut in die Insolvenz.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das Immobilien- und Kaufhausgeschäft bald nicht mehr unter einem Dach sind. »Um die Kerngesellschaften zu retten, führt über kurz oder lang kein Weg an einer Zerschlagung der Signa-Gruppe vorbei«, sagte der Wirtschaftswissenschaftler und Signa-Experte Leonhard Dombusch der »Wirtschaftswoche«.
Auch die einzelnen Immobiliensparten des Konzerns könnten voneinander getrennt werden. Die Ratingagentur Fitch stufte die Bonität der Signa Development AG diese Woche mit der Note »erhebliches Risiko« ein. Sie warnt auch davor, dass sich die einzelnen Gesellschaften »gegenseitig kontaminieren«. So bestehe ein Risiko, das aus der Signa Development AG Geld an andere Gesellschaften überführt werde wie die Signa Prime Selection, in der die Prestigeprojekte des Konzerns gebündelt sind.
Was das für Berlin bedeutet, ist noch ungewiss. Nur mit einem sollte niemand rechnen: Aus großen Immobilienprojekten wird freiwillig kein gemeinnütziges Kiezkaufhaus.
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