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BKA-Kampagne #dontsendit: Moralpanik rund ums Sexting

Jeja Klein über die Kampagne #dontsendit des Bundeskriminalamtes

  • Jeja Klein
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit der Aufklärungskampagne »#dontsendit« versucht das Bundeskriminalamt (BKA), Jugendliche vom Versenden selbstgefertigter Nacktfotos abzuhalten. Messengerdienste seien aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken, heißt es auf der Kampagnenseite. In Sekundenschnelle seien Nachrichten, Fotos und Videos verschickt. Und: »Dabei versenden Minderjährige auch immer wieder selbstgefertigte Nacktbilder an ihre Chatpartnerin oder an ihren Chatpartner – mit oft gravierenden Folgen.«

Die »Folgen« aus dem auch Sexting genannten Verschicken von Nacktfotos aber sind keine hausgemachten, keine natürlichen Konsequenzen. Denn wovor das BKA warnt, ist zunächst einmal die Behörde selbst. Das Verschicken könne nämlich eine Straftat darstellen, ist die erste große Sorge – und für deren Verfolgung sind schließlich Stellen wie das BKA zuständig. »Das Phänomen der sog. ›Selbstfilmer‹ spielt im Deliktsbereich der sog. kinder- und jugendpornografischen Inhalte eine beachtliche Rolle. Hier sind 41,3 Prozent der Tatverdächtigen unter 18 Jahre alt«, wird trocken vorgetragen.

Konsensuelles Austauschen von Nacktfotos als »Kinderpornografie?« 2021 wurde der Besitz sogenannter kinderpornografischer Inhalte zum Verbrechen mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr hochgestuft. Ins Visier gerieten nun Lehrer*innen und Eltern, die die Bilder über Umwege wie Klassenchats auch auf ihre Geräte gesandt bekamen, sich verunsichert an Behörden wandten – und die Jugendlichen selbst. Und zwar egal, ob sie die Fotos konsensuell verschickten oder erhielten, oder ob sie sie inkonsensuell weitergereicht oder gar veröffentlicht hatten. Dabei soll das Sexualstrafrecht doch eigentlich die sexuelle Selbstbestimmung schützen, nicht die öffentliche Moral.

Jeja Klein

Jeja Klein ist freie*r Journalist*in und schreibt vor allem zu queerpolitischen und feministischen Themen.

Auf die aber scheint es die BKA-Kampagne besonders abgesehen zu haben. Denn nicht nur werden Teenager*innen für völlig legitimes Sexualverhalten mit übergriffigen Pädosexuellen gleichgesetzt. Auch wird das Weiterleiten der Nacktaufnahmen durch die Empfänger*innen oder gar die Verbreitung auf dem Schulhof als Resultat der Verschickung von Sexting-Aufnahmen selbst dargestellt. Anders ausgedrückt: Aus Betroffenen werden Täter*innen an sich selbst – selbst schuld, wenn die ganze Klasse das Nacktfoto sieht und weiterleitet, dich als »Schlampe« beschimpft, hänselt, ausgrenzt.

Nicht abgesehen haben es die »Aufklärer*innen« der Kampagne hingegen auf Jugendliche, die die einvernehmlich zugesandten Aufnahmen anderer gegen deren Willen weiterverbreiten, zur Bloßstellung nutzen. Indem aber der Übergriff als natürliche Folge auf vermeintlich zu leichtsinniges Verhalten dargestellt wird – wie beim »zu kurzen« Rock, bei »zu viel« Alkohol –, werden genau solche Übergriffe kulturell legitimiert, erlaubt. Schließlich kamen die Beamten ja auch ausgerechnet auf »#dontsendit« (Sende es nicht!), nicht auf »#dontforwardit« (Leite es nicht weiter!).

Nach diesem Muster der Täter-Opfer-Umkehr geht es im Diskurs um Sexting-Aufnahmen von Minderjährigen nun schon seit bald zwei Jahrzehnten zu. Damals wurden Digitalkameras massenverfügbar, später kam das Smartphone hinzu. Die Öffentlichkeit indes klammert sich auch nach so viel Zeit noch an das liebe Bild von Minderjährigen ohne eigene Sexualität. Denn als solche hätten sie praktischerweise keinen Anspruch darauf, von Eltern, Lehrer*innen und anderen Erwachsenen verantwortungsvoll im Leben als sexuelle Wesen begleitet zu werden.

Die Moralpanik rund um das Sexting hat die Lage besonders vulnerablen Gruppen – allen voran Mädchen, aber auch queerer Jugendlicher – unnötig verschlimmert. Und daraus folgt tatsächlich eine natürliche Konsequenz: Polizist*innen, die Betroffene beschämen, statt sie zu verteidigen.

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