Diskussion in Berlin: Rechte Hetze auch an Schulen

In Berlin-Neukölln wird diskutiert, wie man dem gesellschaftlichen Rechtsruck im schulischen Kontext entgegentreten kann

  • Moritz Lang
  • Lesedauer: 6 Min.

Die Hufeisensiedlung in Britz als eines der ersten Projekte des sozialen Wohnungsbaus erinnert an die kraftvolle Geschichte von Sozialdemokraten und Kommunisten im Berliner Bezirk Neukölln. In dem nach dem Leitbild des »Neuen Bauens« errichteten Gebäudekomplex findet sich auch eine Gedenktafel für Erich Mühsam, den anarchistischen Schriftsteller und Aktivisten. Er lebte in der Siedlung, bevor er 1934 von den Faschisten verhaftet und im KZ Oranienburg ermordet wurde.

Knapp 100 Jahre später fühlen sich Nazis und Rechtsextreme wieder zunehmend wohl im Bezirk. Das unweit gelegene Vereinsheim der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken war vor zehn Jahren wiederholt Ziel von Brandanschlägen und Hakenkreuzschmierereien. Auch das Denkmal für Burak Bektaş, 2012 von Unbekannten auf offener Straße erschossen, wurde mehrmals geschändet. Zurzeit wird in einem Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses wieder der Neukölln-Komplex behandelt – eine Anschlagsserie Rechtsextremer mit Verdacht auf Hinweisgeber in den Polizeibehörden.

Auch Bildungseinrichtungen werden vermehrt zum Kampffeld um Einfluss Rechter. Anlässlich des Gedenkens an die Novemberpogrome von 1938 hat daher die Bürgerinitiative »Hufeisern gegen rechts« am Donnerstag in die Fritz-Karsen-Schule geladen, um darüber zu diskutieren, wie dem rechten Kulturkampf an Schulen begegnet werden kann.

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Die Fritz-Karsen-Schule grenzt an die Hufeisensiedlung und wurde dieses Jahr selbst mit Hakenkreuzen beschmiert. Mohamed Boussabah, im 13. Jahrgang und Sprecher der Schülervertretung, sagt, die Schüler seien alle sprachlos gewesen, als sie an dem Morgen in die Schule kamen und die Hakenkreuze sahen. Sprachlosigkeit sei aber schon genug gewesen, »um zu kommunizieren, was man davon hält«. Es sei ein hohes Maß an Enttäuschung und Angst an die Schülervertretung herangetragen worden.

Der Sprecher schätzt die Schule generell als politisch sehr aktiv ein, die Mehrheit stehe klar gegen Rechtsextremismus. Es habe sehr positives Feedback gegeben, als man sich deutlich gegen den Vorgang positioniert und eine kleine Demonstration organisiert hatte, sagt Boussabah. Besonders jetzt sei es wichtig, zusammenzustehen und sich zu organisieren. Rechtsextreme seien sehr gut strukturiert und untereinander vernetzt. »Wir müssen dem mindestens genauso gut strukturiert wie die Rechtsextremen entgegentreten«, sagt Boussabah.

In der Diskussion wird mehrmals die Bedeutung des gesellschaftlichen Umfelds für das Klima in der Schule betont. »Schulen sind ein Querschnitt der Gesellschaft«, sagt Lehrerin Gabi Elverich. Der Aufstieg der AfD sei auch hier zu spüren. An der Schule seien in den vergangenen Monaten immer wieder rechte Sticker aufgetaucht.

Auch wenn die Partei nicht verboten ist, hätten sie einen Auftrag und die Verantwortung, sich auf dem Boden des Grundgesetzes gegen Demokratiefeindlichkeit zu positionieren. Dem komme aber oft ein falsches Verständnis oder gar Missbrauch des Neutralitätsgebotes für Lehrkräfte in die Quere, nach dem die Schule zu einem angeblich unpolitischen Raum gemacht werden soll. Laut Elverich sei es nicht pauschal verboten, sich politisch zu äußern: »Es ist unser Job, unsere Verpflichtung als Lehrer*innen, für Menschenrechte und Demokratie einzutreten.«

Was für die Lehrerin in Neukölln noch selbstverständlich sein mag, ist andernorts lange vergessen. In Burg im Spreewald stellten im Sommer die beiden Lehrkräfte Max Teske und Laura Nickel einen Antrag auf Versetzung an eine andere Schule, nachdem sie nicht genug Rückhalt im Kollegium erfahren hatten und massiven rechten Drohungen und Anfeindungen ausgesetzt gewesen waren. Weil die Politik nicht rechtzeitig reagiert hatte, hatten sie öffentlich darauf aufmerksam gemacht, dass es an der Schule vermehrt zu rechtsextremen Vorfällen gekommen war. Im Winter seien Hakenkreuze in den Schnee gemalt und Mitschüler mit Migrationshintergrund seien bedroht worden. Es tauchte auch ein Foto einer Klasse auf, auf dem viele Schüler*innen den Hitlergruß zeigen.

Lehrer Max Teske konnte krankheitsbedingt nicht teilnehmen, aber ein kurzer Dokumentarfilm über die Situation in Burg wurde bei der Podiumsdiskussion in Berlin-Neukölln gezeigt. Die Vorgänge verdeutlichen, wie stark auch die mediale Stimmungsmache mit rassistischen Narrativen Auswirkungen darauf hat, wie sicher sich Rechte fühlen. Und der Rückhalt selbst gemäßigter Demokraten in der Gesellschaft gerät ins Wanken.

Die ehemalige Bürgermeisterin von Burg, Ira Frackmann (CDU), hatte das Veröffentlichen der Vorfälle durch die Lehrkräfte kritisiert. Diese hätten damit die ganze Region in ein schlechtes Licht gerückt, es gebe viel schlimmere Dinge, die weniger Beachtung fänden. Im ZDF nannte sie als Beispiel die Situation in Freibädern, wo »Neubürger«, ein anderes Wort für Menschen mit Migrationsgeschichte, mit Messern herumliefen und andere bedrohten. Aufmerksam sei sie darauf vor allem durch die Medien geworden. Politiker von SPD bis AfD heizen das Narrativ von migrantischen Gefährdern in Schwimmbädern an.

Dies hat direkte Auswirkungen auf die Schule und die Fähigkeit, rechtem Gedankengut durch Austausch junger Menschen vorzubeugen. Bei der Veranstaltung erzählt eine Lehrerin einer anderen Neuköllner Schule, ihre Klasse mit vielen arabischen Schüler*innen habe eine Brieffreundschaft mit Schülern einer Brandenburger Schule gehabt. Als es dann zu einem Besuch kommen sollte, sollen die Eltern der Brandenburger Schule Vorbehalte gehabt und sich dagegen ausgesprochen haben, ihre Kinder nach Neukölln fahren zu lassen.

»Wieso fahren dann die Neuköllner Schüler*innen nicht einfach nach Brandenburg?«, fragt sich die Lehrerin. Doch auch das sei nicht ohne Bedenken möglich: Dieses Jahr wurde bereits ein Vorfall bekannt, bei dem migrantische Schüler*innen aus Berlin-Kreuzberg auf Klassenfahrt in Brandenburg im Schullandheim rassistisch beleidigt und bedroht wurden. Dennoch sei das beste Mittel gegen rechts, weiterhin den Austausch zwischen Schulen, Bezirken und Regionen zu fördern. Sport sei dabei ein gutes Mittel, sagt die Lehrerin.

Gabi Elverich schätzt eine Situation dann als kritisch ein, wenn die Schulleitung auf Hilferufe nach rechtsextremen Vorfällen nicht reagiert, andere Lehrkräfte Teil des Problems sind und möglicherweise auch die Schulaufsicht mitspielt. »Wenn der Fisch vom Kopf stinkt, ist es wahnsinnig schwierig, etwas zu machen«, sagt Elverich.

Und vom Kopf stinkt der Fisch im Moment gewaltig. Denn wie verhält es sich mit dem Einstehen für Demokratie und Meinungsfreiheit, wenn diese Begriffe nur selektiv angewendet werden? Mohamed Boussabah zeigt sich schockiert über den im Oktober veröffentlichten Brief der Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU), in dem sie das Kufiya, eine in vielen arabischen Kulturen verbreitete Kopfbedeckung, neben Rufen wie »Free Palestine« als möglicherweise gefährdend für den Schulfrieden einstuft und ein Verbot an den Schulen ermöglicht. Boussabah hat den Brief gleich ein paar Mitschüler*innen geschickt: »Nicht dass die noch Probleme bekommen.« Von konkreten Repressalien gegen Schüler*innen habe er nicht gehört, jedoch auch keine Distanzierung der Schulleitung oder eine Versicherung, dass niemand Angst haben müsse, seine Meinung zu äußern. Auch Lehrerin Gabi Elverich sieht den Brief als pädagogisch problematisch an.

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