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Für eine Gesellschaft im Gleichschritt

Neue verteidigungspolitische Richtlinien sollen auch für Kriegstüchtigkeit in den Köpfen sorgen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 5 Min.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius ist ein Macher, der Kurs hält und dabei das Vertrauen der Menschen gewinnt. Der SPD-Mann schafft Ordnung, zuerst einmal in den Reihen seines Hauses. Dort soll es statt 16 Abteilungen noch zwölf geben, statt 40 Unterabteilungen 26, Dienstposten werden um rund 35 Prozent reduziert… Oh nein: Kommando zurück! Das waren Ziele, mit denen Pistorius’ Amtsvorgänger Thomas de Maizière (CDU) vor zwölf Jahren zum großen Effizienzschlag ausholen wollte.

Welch Déjà-vu! Wie de Maizière stellte nun auch Pistorius auf einer Bundeswehrtagung neue verteidigungspolitische Richtlinien vor. Am Freitag schob er eine Organisationsreform für sein Ministerium nach. Er will »Redundanzen« abbauen, »unklare Schnittstellen« beseitigen, »schlanker« werden. Sein Einsatz: Die Streichung von drei Unterabteilungen. Mehr als 200 Dienstposten werden »nach unten« verschoben und über 1000 anders strukturiert. Alles, um die »strategische Steuerungsfähigkeit des Hauses« weiter zu stärken. Mit hoher Wahrscheinlichkeit lässt sich aber sagen: Pistorius, seit Frühjahr im Amt, hat – wie andere Verteidigungsminister zuvor – den Krieg gegen die Bürokratie verloren, ehe er richtig begann.

Doch des Kanzlers neuer Besen im Verteidigungsressort muss noch an anderen Fronten kämpfen. Vor allem hat er Russland und die Lage in Osteuropa im Blick. Daher müsse das sicherheitspolitische Kerninstrument Bundeswehr »in allen Bereichen kriegstüchtig sein«, sagte er.

Um das zu erreichen, sollen die Richtlinien als »Leitplanken« für Führungskultur, Personalgewinnung, Ausrüstung und Ausbildung genutzt werden, wie der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, betonte: »Auf ihrer Grundlage formen wir ein neues gemeinsames Selbstverständnis von Wehrhaftigkeit und Kriegstüchtigkeit.« Personal und Ausrüstung müssten vor allem darauf ausgerichtet werden, »jederzeit die Bereitschaft zum Kampf mit dem Anspruch auf Erfolg im hochintensiven Gefecht« zu gewährleisten. Nur so werde »Abschreckung glaubwürdig und Frieden gewahrt«.

Im Papier heißt es, die Truppe müsse »in allen Dimensionen« in der Lage sein, sowohl das eigene als auch das Hoheitsgebiet von Bündnispartnern zu verteidigen, auch gegen terroristische und hybride Gefahren. Und weiter: »Um der anhaltenden und umfassenden Bedrohung durch die Russische Föderation national und im Bündnis entschlossen zu begegnen, ist es unabdingbar, die Nato als Garant von Abschreckung und Verteidigung weiter zu festigen und gleichermaßen die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union im Rahmen ihrer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu stärken.«

So allgemein formuliert also nichts Neues. Zur Gestaltung der von Kanzler Scholz propagierten »Zeitenwende« bedürfe es dauerhaft Ausgaben in Mindesthöhe von zwei Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung, die in die Verteidigung und insbesondere in die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr investiert werden. Auch schon gehört. Doch: Noch kauft man auf Basis eines 100-Milliarden-Kredits ein. Ist das Geld in spätestens zwei Jahren verbraucht, muss man den bereits jetzt über 50 Milliarden Euro teuren Wehretat jährlich um weitere 20 Milliarden aufstocken. Welche Gesellschaft hält das aus?

So allgemein formuliert also nichts Neues. Zugleich ist nun aber auch in den Leitlinien festgehalten, dass es zur Gestaltung der von Kanzler Scholz propagierten »Zeitenwende« dauerhaft Ausgaben in Höhe von mindestens zwei Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung bedürfe, die in die Verteidigung und insbesondere in die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr investiert werden. Doch noch kauft man auf Basis eines 100-Milliarden-Kredits ein. Vor wenigen Tagen hat der Haushaltsausschuss des Bundestages Beschaffungs- und Entwicklungsprojekte in Höhe von mehr als 4,4 Milliarden Euro bewilligt.

Die Autoren des neuen Papiers heben den »deutschen Gestaltungsanspruch« im Bündnis und das damit verbundene »Leuchtturmprojekt der Zeitenwende« heraus. Gemeint ist die Aufstellung einer im Nato-Land Litauen stehenden Kampfbrigade. Die permanente Stationierung eines solchen Truppenverbands im Ausland ist in der Geschichte der Bundeswehr ohne Präzedenz. Sie sei ein wichtiges Signal für die Kraft der Allianz, liest man. Und: »Vornepräsenz«, zu der weiter die »glaubhafte nukleare Abschreckung« gehöre, werde als »Ausdruck der strategischen Neuorientierung der Bundeswehr« zur Norm.

Dabei ist die Stationierung an der »Ostflanke« der Nato nicht die einzige Herausforderung. Im Papier wird auf »unser verteidigungspolitisches Engagement im östlichen Mittelmeer, im Nahen und Mittleren Osten und auf dem afrikanischen Kontinent« verwiesen. Dieses diene »vorrangig dazu, den transnationalen Terror und Ursachen und Folgewirkungen staatlicher Fragilität zu bekämpfen sowie regionale Stabilität und das friedliche Zusammenleben der Menschen zu befördern«, wird behauptet.

Wer glaubt, mit den Richtlinien sollten »nur« die Streitkräfte gegen (oder für?) den großen Bums fit gemacht werden, unterschätzt den Weitblick der Autoren. Die setzen auf ein Konzept der »Gesamtverteidigung«, vereinen somit Militärisches und Ziviles, streben also die Verzahnung aller relevanten Akteure bereits im Frieden: Staat, Gesellschaft und Wirtschaft. Dem müsse ein gemeinsames Verständnis für die Bedeutung der »Wehrhaftigkeit« zugrunde liegen: »Insbesondere Widerstands- und Anpassungsfähigkeit gesamtstaatlich zu maximieren, muss das gemeinsame Ziel sein.«

Natürlich strebt man auch bessere Rahmenbedingungen für die Sicherheits- und Rüstungsindustrie an. In Zukunft soll schneller beschafft werden, »wo möglich marktverfügbar und wo nötig durch Entwicklungslösungen«. Gesicherte Kapazitäten seien wichtig zur schnellen, umfassenden und durchgängigen Versorgung der Bundeswehr in Krise und Krieg. Erhöht werden müssten »Resilienz« und der Schutz verteidigungswichtiger sowie kritischer Infrastruktur. Vage bleibt man bei den Themen Klimakrise und Anpassung der Sicherstellungs- und Vorsorgegesetze. Deutlich wird dagegen im Papier, dass von den Deutschen vor allem eines erwartet wird: im Gleichschritt Marsch!

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