Geplatzte Träume von der Globalisierung im Hamburger Hafen

Die Politik in Hamburg ist tief gespalten, was die Zukunft von Deutschlands größtem Hafen angeht

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Es soll eine Art Befreiungsschlag werden: Der rot-grüne Hamburger Senat will mit dem Verkauf einer Beteiligung am Hafenbetreiber HHLA an die weltgrößte Reederei MSC die immer deutlicheren Probleme in den Griff bekommen. Frühere Träume von einem immerwährenden Wachstum des Welthandels, wovon auch Deutschlands größter Hafen profitieren würde, sind geplatzt. Im alten Hafenentwicklungsplan war bereits für 2020 ein Umschlag von 17 Millionen Standardcontainern erwartet worden. Erreicht wurde lediglich die Hälfte. Besserung ist nicht in Sicht: Im ersten Halbjahr 2023 gingen gerade einmal 3,8 Millionen Container über die Kaikante.

Dabei ist Hamburgs geografische Lage durchaus günstig. Da der Transport von Waren mit dem Schiff weit kostengünstiger als per Bahn oder Lkw vonstattengeht, ist auch die 100 Kilometer lange Revierfahrt die Elbe hoch kein Handicap. Und Hamburg ist als Metropolregion und Industriestandort selbst ein Schwergewicht des Im- und Exports. Aber lahmende Globalisierung, Corona und die wirtschaftliche Krise Chinas, auf das ein Drittel des Hafenumschlags entfällt, lassen den maritimen Motor stottern. Die westlichen Sanktionen gegen Russland treffen den Hafen ebenfalls hart. Traditionell nutzte Russland die Hansestadt als Tor zur Welt.

Zudem belastet die in Teilen marode Infrastruktur den rot-grünen Senat in Milliardenhöhe. Das Nadelöhr des Hafens, die erst 1974 eröffnete Köhlbrandbrücke, ist nur noch bedingt nutzbar und muss in absehbarer Zeit durch einen Neubau ersetzt werden. Seit Jahren liegen freie Flächen brach, deren Erschließung viel Geld kosten wird. Autobahnen und Elbtunnel sind durch den Hafenverkehr überlastet, und die stadteigene Hafenbahn platzt aus allen Gleisen. Auch weil es der Deutschen Bahn nicht gelingen will, die Hinterlandanbindung vor allem gen Süden auszubauen.

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Angesichts der Gemengelage verharrt der im Sommer von der bislang populären Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) vorgestellte neue Hafenentwicklungsplan im Ungefähren. Er gleicht einer Endlosliste an Vorhaben der Landesregierung. Darauf finden sich Projekte zur Digitalisierung ebenso wie die Dekarbonisierung, der Erhalt und Ausbau der Infrastruktur, ein aktives Flächenmanagement sowie die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, aber auch die Ausrichtung auf die zunehmende Abwicklung des Einzelhandels übers Internet sowie die Positionierung des Hafens als ein Wahrzeichen der Stadt.

Durchgriffsmöglichkeiten hat der Senat durchaus, weil ihm alle Flächen gehören. Auf dieser öffentlichen Infrastruktur arbeitet die »Suprastruktur«, Firmen wie die Hamburger Hafen und Logistik AG, kurz HHLA. Das Unternehmen wickelt zwei Drittel des Hafenumschlags ab und ist zugleich international aufgestellt. Ihm gehören auch Terminals in Italien, Estland und der Ukraine, dazu Dutzende ausländische Beteiligungen und ein europaweites Bahnnetz.

Nach Teilprivatisierung und Börsengang sind noch 69 Prozent des Kapitals im Eigentum der Stadt. Zukünftig will sich der Senat mit 50,1 Prozent begnügen. Damit bliebe man zwar Herr im Hause, allerdings fielen die schönen Gewinne, welche die HHLA überweist, zukünftig etwas kleiner aus. Senatorin Leonhard setzt aber darauf, dass frisches Kapital ins Haus kommt. Die MSC-Millionen, die der Senat kassieren will, sollen denn auch in die HHLA investiert werden.

Stadt und Parteien sind über den Einstieg der schweizerischen Reederei zerrissen. Die oppositionelle CDU hält den Kaufpreis für »grotesk niedrig«; die AfD forderte, weitere Interessenten ins Boot zu holen. Dagegen begrüßen der Grünen-Fraktionsvorsitzende Dominik Lorenzen genauso wie SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher den Einstieg der Reederei. Die rot-grüne Koalition gebe damit »die richtige Antwort auf drängende Wettbewerbsfragen«, so dessen Credo.

Die Grüne Jugend ist allerdings dagegen mit dem Argument, MSC sei als privates Unternehmen auf Profitmaximierung ausgerichtet. »Im Interesse des Unternehmens liegt nicht die Daseinsvorsorge der Stadt.« Dem grünen Nachwuchs geht es weniger um die konkreten Modalitäten wie etwa die Sicherung der Arbeitsplätze als um die generelle Ablehnung einer Veräußerung von Tafelsilber, nach dem Motto: mehr Staat, weniger Markt. Die Linksfraktion fordert sogar die Rekommunalisierung der HHLA. Für ihren hafenpolitischen Sprecher, Norbert Hackbusch, wäre sie dann auch »der beste Akteur für die dringend benötigte Hafenkooperation zumindest auf deutscher Ebene«. Einen solchen Befreiungsschlag fordern auch Grüne und SPD-Politiker in ganz Norddeutschland seit langem.

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