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Die Champions League mit Eintracht Frankfurt und dem FC Bayern
Die Entwicklung des Wettbewerbs der Frauen ist rasant, Kritik kommt aus München
Es ist ganz wie im richtigen Leben: Irgendwo schließt sich im Fußball immer ein Kreis. Und das ist bei der Premiere der Fußballerinnen von Eintracht Frankfurt in der Champions League nicht anders. Und klar ist auch, dass der erstmals in die Gruppenphase eingezogene Klub vor dem Auftaktspiel an diesem Dienstag beim schwedischen Vertreter FC Rosengård die Historie seines Vorgängervereins 1. FFC Frankfurt in Erinnerung ruft.
Als vor 22 Jahren der bis heute einzige Europapokalwettbewerb für Frauen aus der Taufe gehoben wurde – damals noch Uefa Women’s Cup genannt –, reüssierte sogleich der frisch gegründete Frauenverein aus der Mainmetropole. Die Generation um die spätere Weltmeisterin Birgit Prinz holte 2002 gegen den schwedischen Meister Umea IK den ersten internationalen Titel nach Frankfurt. Sechs Jahre später sah schon eine für damalige Verhältnisse außergewöhnliche Zahl von 27 640 Zuschauern im alten Waldstadion, wie erneut Umea mit seiner Weltfußballerin Marta im Europapokalfinale unterlag. Und 2015 saß Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin auf der Tribüne, als Trainer und Taktikfuchs Colin Bell den Favoriten Paris St. Germain beim vierten FFC-Coup überrumpelte.
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Aus dieser Zeit erinnert sich Kerstin Garefrekes an Auswärtsreisen bis nach Kasachstan, die »gefühlt zwei Tage Anreise, zehn Stunden Aufenthalt und zwei Tage Rückreise« dauerten. Ein professionelles Setting mit Charterflieger war aus finanziellen Gründen nicht drin. Frankfurts Manager Siegfried Dietrich mischte damals in seinen Jubel am Frankfurter Römer bereits die Vorahnung, den letzten Champions-League-Triumph eines reinen Frauenvereins miterlebt zu haben. Der Vordenker dürfte rückblickend recht behalten.
Ohne die 2020 vollzogene Fusion mit der Eintracht wäre der Standort Frankfurt vermutlich wie der einstige Erzrivale Turbine Potsdam in der Versenkung verschwunden. Den Wettbewerb prägen mittlerweile die globalen Marken, die dafür einfach ein paar Millionen aus dem Fußball der Männer abzweigen. Die Benchmark bildet der FC Barcelona mit seinen spanischen Weltmeisterinnen und internationalen Topstars. Auf die Titelverteidigerinnen trifft die Eintracht gleich im zweiten Gruppenspiel am 22. November. Die Hoffnung auf eine neue Rekordkulisse ist nicht unberechtigt.
Für die Verantwortlichen der Eintracht war es selbstverständlich, dass alle Heimspiele in der großen Arena ausgetragen werden. Warum haben bitte die Frauen im Frühjahr 2022 die Europa-League-Festspiele der Männer in Barcelona und Sevilla vor Ort verfolgen dürfen? Daraus sollte der Ansporn erwachsen, selbst »magische Nächte« zu kreieren. »Wir freuen uns alle riesig, weil wir jahrelang darauf hingearbeitet haben, in diesem Wettbewerb zu spielen«, sagt Laura Freigang, die mit Torhüterin Stina Johannes, Sophia Kleinherne, Sara Doorsoun und Nicole Anyomi zu den aktuellen deutschen Nationalspielerinnen gehört, die im gewachsenen Gerüst der Hessen gesetzt sind.
Das Problem der Eintracht: Dem Kader fehlt es für die unerbittliche Terminhatz der kommenden Wochen an Breite. Der auch mit Manageraufgaben betreute Trainer Niko Arnautis überhört solche Einwände gerne. Seine Prämisse vor der ersten Dienstreise nach Malmö geht so: »Mit Frankfurt international zu spielen, ist etwas Besonderes.« Die Technische Direktorin Katharina Kiel hat an anderer Stelle jedoch Kritik geübt: »In Sachen Prämien gibt es eindeutig noch Luft nach oben, damit sie die Kosten an der Teilnahme nicht nur decken, sondern den Klubs darüber hinaus auch die Möglichkeit geben, Investitionen vorzunehmen.« Die in der Champions League der Frauen von der Uefa verteilten 24 Millionen Euro an Preisgeld sind mit den zwei Milliarden Euro der Männer im selben Wettbewerb eben nicht zu vergleichen. Noch sind Fernsehanstalten und Sponsoren nicht zu auch nur ansatzweise ähnlichen Investitionen bereit.
In erster Linie auf sportliche Meriten ist der FC Bayern aus, der am Mittwoch gegen AS Rom in die Champions League startet. Danach geht es für den Meister gegen Paris St. Germain und Ajax Amsterdam weiter. »Es ist die schwierigste Gruppe, daran gibt es keine Zweifel«, meint der Münchner Trainer Alexander Straus. Gleichwohl weiß der Norweger um die interne Vorgabe, mindestens das Viertelfinale zu erreichen. Den Auftakt bestreitet der bislang ungeschlagene Bundesliga-Tabellenführer erst einmal auf dem Campus, denn jeder Umzug in die Arena will in München wegen der hohen Betriebskosten gut überlegt sein.
Münchens Sportliche Leiterin Bianca Rech, die den Gewinn der Champions League ein »mittelfristiges Ziel« nennt, meldet Änderungsbedarf am Modus an: »Dass das Format an die positive Entwicklung angepasst werden muss, steht außer Frage. Aus meiner Sicht müsste mehr Mannschaften die direkte Qualifikation in die Gruppenphase ermöglicht werden.« Weil Teams aus mindestens zehn Nationen mitspielen sollen, eliminieren sich die Klubs der Topnationen teilweise bereits in der Qualifikation. So hat es aus England nur der FC Chelsea unter die besten 16 geschafft. Dass die am professionellsten vermarktete Liga Europas mit dem lukrativsten Fernsehmarkt nur einen Repräsentanten stellt, kann auch der Uefa nicht gefallen. Zudem hat es bekanntermaßen mit dem am Paris FC in den Playoffs gescheiterten VfL Wolfsburg auch den erfolgreichsten deutschen Verein des letzten Jahrzehnts erwischt.
VfL-Direktor Ralf Kellermann merkte im »Kicker« an, dass zwar die Zahl der Vereine, »die Frauenfußball jetzt so pushen, wie wir es schon seit Jahren machen«, in Deutschland und Europa rasant gewachsen sei, »der Pool an Spielerinnen ist aber nicht gewachsen«. Nadine Keßler, früher Weltfußballerin unter Kellermann beim VfL Wolfsburg, heute Frauenfußball-Direktorin bei der Uefa, hat immerhin einen »Revisionsprozess« angekündigt. Klubs, Ligen und Nationalverbände würden längst in einer Taskforce zusammenarbeiten. Angeblich liegen die Pläne in der Schublade, die weibliche Königsklasse auszuweiten oder einen zweiten Wettbewerb zu schaffen. Änderungen können wegen bestehender Vermarktungsverträge jedoch frühestens ab 2025 wirksam werden.
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