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Neue spanische Regierung steht
Die rechten Ultras toben, in der Polizei hört man von Putschaufrufen
Der Weg ist vier Monate nach den Wahlen dafür geebnet, dass der Sozialdemokrat Pedro Sánchez am Donnerstag mit absoluter Mehrheit erneut zum spanischen Regierungschef gewählt wird. Heute beginnt vorhersehbar eine von Krawall bestimmte Debatte über das von Sánchez dargelegte Programm. Nachdem am Montag die Sozialdemokraten (PSOE) im Parlament das Amnestiegesetz eingebracht hatten, das Straffreiheit für katalanische Unabhängigkeitspolitiker und ‑aktivisten vorsieht, war der Weg frei, um den Termin für die Amtseinführung festzusetzen.
Zuvor hatte die Partei von Exilpräsident Carles Puigdemont in einer Urabstimmung mit einer großen Mehrheit von 86 Prozent das Abkommen ratifiziert, das Puigdemont in Brüssel mit der PSOE ausgehandelt hatte. Mit den sieben Stimmen von »Gemeinsam für Katalonien« (JxCat) kommt die Patchwork-Regierung von Sánchez schon im ersten Wahlgang auf die nötige absolute Mehrheit. Zuvor hatten sich 87 Prozent der PSOE-Mitglieder für eine Koalitionsregierung mit der neuen Linkskoalition »Sumar« (Summieren) und für ein Abkommen mit katalanischen und baskischen Parteien ausgesprochen.
Sánchez musste schon bisher mit Unterstützung diverser Parteien regieren: linke Kräfte wie Unidas Podemos, Republikanische Linke Kataloniens (ERC), EH Bildu (Baskenland vereinen), aber auch die christdemokratische Baskisch-Nationalistische Partei (PNV). Durch das schlechte Wahlergebnis des Podemos-Nachfolgers Sumar musste Sánchez auch die Puigdemont-Formation einbinden. Diese Situation hatte sich der Exilpolitiker, Europaparlamentarier und Puigdemont-Vertraute Toni Comín erhofft, sagte er dem »nd«.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Puigdemont und JxCat legten die Latte für eine Unterstützung hoch. Sie setzten schon im Vorfeld durch, dass fast 50 Jahre nach dem Ende der Franco-Diktatur nun auch Katalanisch, Baskisch und Galicisch im spanischen Parlament gesprochen werden darf. Außer der Amnestie für die Vorgänge vor der Bürgerbefragung 2014 und das Unabhängigkeitsreferendum 2017 sollte eigentlich neben einer internationalen Vermittlung auch ein neues Referendum vereinbart werden. Puigdemont konnte die internationale Überwachung monatlicher Verhandlungsrunden durchsetzen. Das Referendum wurde aber in weitere Verhandlungen verschoben, weil sich die PSOE weiter dagegen sträubt.
Das muss nichts bedeuten, denn die PSOE hatte sich vor den Wahlen auch gegen die Amnestie gestemmt. Gegen diese läuft vor allem die rechte und ultrarechte Opposition seit zwei Wochen Sturm. Vor dem PSOE-Büro in Madrid kam es zu heftigen Straßenschlachten mit Faschisten. Nach dem Aufwallen am Wochenende ebben die Proteste aber ab. In der Nacht auf Dienstag wurden nur noch gut 1000 Protestler gezählt. Am Sonntag waren im ganzen Land etwa 400 000 Menschen dem Aufruf der rechten Volkspartei (PP) und deren ultrarechter Abspaltung Vox gefolgt, um gegen die Amnestie zu protestieren. Die PP sprach überzogen von zwei Millionen, wobei eine Million in der Hauptstadt Madrid demonstriert haben soll. Nach Angaben der Polizei waren es aber nur 80 000, die Mobilisierung hielt sich in Grenzen.
Die Amnestie ist nur der Aufhänger. Die PP verkraftet nicht, dass der Versuch von PP-Chef Alberto Núñez Feijóo gescheitert ist, sich zum Präsidenten wählen zu lassen, da er nicht einmal eine einfache Mehrheit im zweiten Wahlgang erhielt. Núñez Feijóo wirft Sánchez »Verrat«, »Skrupellosigkeit« und »Erniedrigung« vor. Das Abkommen mit Puigdemont sei »Hochverrat«. Spanien bekomme einen Präsidenten, der sich das mit »Straffreiheit für seine Partner erkauft hat«. Er forderte deshalb Neuwahlen. Die »spanische Demokratie ist einem nie dagewesenen Angriff ausgesetzt«, sagte er und verglich die demokratische Regierungsbildung mit dem letzten Putsch des Militärs 1981. Die PP-Präsidentin der Hauptstadtregion Isabel Díaz Ayuso wähnt sich sogar am »Anfang einer Diktatur«.
Es ist erstaunlich, dass das von einer Partei wie der PP kommt, die sich von der Franco-Diktatur nie distanziert hat. Sie behauptet, eine Amnestie sei »verfassungswidrig«, dabei hat die PP besonders von der Amnestie am Ende der Diktatur profitiert, die von Ministern der Diktatur gegründet wurde. Durch die wurden Massenmord, Folter und Vergewaltigungen straffrei gestellt, dabei können nach internationalem Recht Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht amnestiert werden.
Doch die PP und Ultras wie Díaz Ayuso, die kein Problem damit hat, Faschistin genannt zu werden, lassen sich Ton und Vorgehensweise von der rechtsextremen Vox diktieren. Die hat zu den Belagerungen der PSOE-Büros aufgerufen, spricht von der »totalen Mobilisierung«. Die winzige Vox-Gewerkschaft, die sich ausgerechnet »Solidarität« nennt, ruft sogar zum »Generalstreik« auf – dabei vertritt sie 0,1 Prozent der Beschäftigten. In den Sicherheitskräften zirkulieren Putsch-Aufrufe. In einem Aufruf einer Vereinigung der paramilitärischen Guardia Civil wird erklärt, man sei bereit, »auch den letzten Tropfen unseres Bluts für Spanien zu vergießen«, um die »verfassungsmäßige Ordnung« zu verteidigen.
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