- Sport
- Fußball Nationalmannschaft
DFB-Team: Viel Druck beim Länderspiel gegen die Türkei in Berlin
Bei der Partie zwischen Deutschland und dem türkischen Team treffen auch Fußball und Politik aufeinander
Noch sind es sieben Monate, bis die Europameisterschaft angepfiffen wird. Der Druck ist schon jetzt spürbar. Am Mittwoch wurde in Berlin das offizielle Spielgerät vorgestellt. Die »Fußballliebe«, so der Name des Balles, kann also in Produktion gehen. Derartige Leidenschaft würde auch der Deutsche Fußball-Bund gern so leichterhand herstellen. Und dabei setzt der krisengeplagte DFB alles auf das Heimturnier im kommenden Sommer. Das Großereignis muss nach Jahren des Niedergangs ein großer Erfolg werden.
Der einfachste und schnellste Weg zurück in die Herzen der Menschen sind Siege auf dem Fußballplatz. Seit drei Monaten ist dafür Julian Nagelsmann zuständig. An diesem Sonnabend gibt der Bundestrainer sein Heimdebüt, im Berliner Olympiastadion treffen er und seine DFB-Auswahl auf die türkische Nationalmannschaft. Ausgerechnet dort, wo am 14. Juli das Endspiel der Europameisterschaft ausgetragen wird. Und dazu noch das: »Ich will in diesem Stadion spielen, weil hier das Finale ist«, sagte Manuel Neuer am Mittwoch. Der wieder einsatzbereite Torwart des FC Bayern war bei der Präsentation des Spielballes der Erste, der die »Fußballliebe« in den Händen hielt. Im Kader des Nationalteams ist er noch nicht, gab aber im Glanz des EM-Pokals gleich das »große Ziel« aus: »Wir wollen gemeinsam mit den Fans positive Emotionen in unserem Land schaffen.«
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.
Julian Nagelsmann nimmt die Rahmenbedingungen als Ansporn, nach dem Aus beim FC Bayern muss auch er sich neu beweisen. Und er freut er sich auf die »Emotionalität« des Spiels gegen die Türkei vor mehr als 70 000 Zuschauern: »Das wird sehr, sehr laut. Es werden viele türkische Fans da sein.« Sorgen hat der Bundestrainer schließlich genug. »Unsere Baustelle ist stabiles Verteidigen, das wollen wir jetzt hinkriegen«, erklärte er. Dies war in den Tagen der Vorbereitung auf dem DFB-Campus in Frankfurt am Main ein besonderer Trainingsschwerpunkt. Dort durften seit Mittwoch auch die Nationalspieler Bekanntschaft mit der »Fußballliebe« machen.
Wie viel die defensive Übungsarbeit gebracht hat, wird schon das Spiel in Berlin zeigen. Die türkischen Fußballer führen in der EM-Qualifikation ihre Gruppe D vor Wales und den WM-Dritten aus Kroatien an. Gleiches gilt für den Gegner am kommenden Dienstag in Wien: Trainer Ralf Rangnick hat Österreich auf Platz eins der Gruppe F geführt, noch vor den starken Belgiern. Über die Erkenntnisse des Bundestrainers von den letzten Trainingstagen war auch noch nichts zu erfahren, erst am Freitagabend auf der offiziellen Pressekonferenz zum Länderspiel berichtete er darüber.
Die Medienbühne in Frankfurt überließ der Bundestrainer den Spielern. Einer ließ sich nicht blicken, ausgerechnet der Kapitän. İlkay Gündoğan, dem Nagelsmann die Binde von Neuer anvertraut hat, meidet vor dem Spiel gegen das Nationalteam aus dem Land seiner Eltern ganz bewusst die Öffentlichkeit. Da sind einerseits die Erinnerungen an den Eklat um das gemeinsame Foto von İlkay Gündoğan und Mesut Özil mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan im Mai 2018 – kurz vor den Wahlen in der Türkei und der Weltmeisterschaft in Russland. Und die Gefahr lauert gerade vor der Haustür. Als das Nationalteam am Freitagmittag in Berlin landete, war Erdoğan schon in der Stadt. Begleitend zum Staatsbesuch des türkischen Präsidenten wurden zahlreiche Demonstrationen angemeldet. Und dass es dabei nicht nur um die Unterdrückung der Kurden geht, dafür hat Erdoğan vor seiner Ankunft selbst gesorgt, indem er Israel im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt »Staatsterror« vorgeworfen und auch die Legitimität des Landes infrage gestellt hatte.
»Der Sport kann sich da nicht verstecken«, sagte DFB-Sportdirektor Rudi Völler. Hätte er dann doch bloß nicht weitergeredet. Der vollkommen vagen und hilflos klingenden Formulierung, dass immer versucht würde, eine gewisse Haltung zu zeigen, folgte der unbeholfene Ratschlag, sich in »die Dinge ein bisschen einzulesen«, um zu verstehen, worum es geht. Allseits für Erleichterung sorgte in jedem Fall, dass Erdoğan das Spiel in Berlin nicht besuchen wollte. Die Sicherheitsvorkehrungen rund um das Olympiastadion übersteigen dennoch jedes normale Maß.
Das Zusammentreffen von Fußball und Politik ist in gewisser Weise auch schon ein Testlauf für die Europameisterschaft im kommenden Jahr. Sehr viel weniger Zeit als den Organisatoren des Turniers bleibt dabei dem Bundestrainer. Nach den beiden Länderspielen gegen die Türkei und Österreich kommt die Nationalmannschaft erst wieder im März zusammen. Und Julian Nagelsmann hatte ja auch erst zwei Spiele als Bundestrainer. Während der USA-Reise im Oktober konnten die deutschen Fußballer zwar mit 3:1 gegen die Gastgeber gewinnen, beim 2:2 gegen Mexiko haben sie immerhin nicht verloren. Doch trotz der leicht verbesserten Auftritte ist das nun schon Jahre belastende Grundproblem nicht gelöst. Mittelfeldspieler Leon Goretzka formulierte es so: »Es ist immer noch zu einfach, gegen uns Tore zu schießen. Jedem ist bewusst, dass bei Turnieren die Defensive der Schlüssel zum Erfolg ist.« Und diesen Erfolg braucht vor allem der DFB.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.