Tesla-Ausbau in Grünheide: Ein übermächtiger Gegner

Die Bürgerinitiative Grünheide führt durch das Waldstück, das der nächsten Erweiterung des Elektroautoherstellers weichen soll

Blick auf die Gigafabrik: Beim Waldspaziergang informiert die Bürgerinitiative Grünheide über die Folgen der geplanten Erweiterung.
Blick auf die Gigafabrik: Beim Waldspaziergang informiert die Bürgerinitiative Grünheide über die Folgen der geplanten Erweiterung.

Ein Maschendrahtzaun trennt etwa 50 Spaziergänger*innen von der riesigen Tesla-Fabrik in Grünheide (Landkreis Oder-Spree). Sie sind am Samstag vom Bahnhof Fangschleuse aus durch den Wald gelaufen, um sich ein Bild davon zu machen, was das konkrete Ergebnis der aktuellen Erweiterungspläne des Elektroautoproduzenten für das betroffene Naturstück haben wird. Ein dunkler Kleintransporter fährt vom Tesla-Gelände aus nah an den Zaun heran und verweilt dort. Möglicherweise sind es Beschäftigte des Werks, die Aufnahmen der Spaziergänger*innen anfertigen. Manu Hoyer von der Bürgerinitiative Grünheide hält ihren schönsten Finger hoch und fährt damit fort, die Gruppe über die verheerenden Auswirkungen der Erweiterungspläne für die Umwelt und die Wasserversorgung Brandenburgs zu informieren.

Zum Osten der Fabrik sollen 120 Hektar Wald gerodet und 130 Hektar Fläche neu versiegelt werden. Tesla will dort unter anderem Logistikgebäude errichten. »Dieser Wald wird seit 30 Jahren umgebaut. Das heißt, dass Kiefern herausgenommen und Laubbäume eingesetzt wurden«, sagt Hoyer. In der Tat befinden sich zwischen den für Brandenburg üblichen, hoch gezüchteten Kiefernbäumen viele noch ziemlich junge und kleine Laubbäume. Auch sehr alte Kiefern habe man bisher in dem Waldgebiet gefunden. »Das soll jetzt alles weg.«

Das betroffene Gebiet reicht vom derzeitigen Fabrikgelände nach Osten bis zur Landstraße 23 und nach Norden bis zum Bahnhof Fangschleuse. Die Bürgerinitiative beklagt intransparente Verfahren, welche den Anwohner*innen kaum die Möglichkeit geben, tatsächlich an den Entscheidungen bezüglich der Tesla-Pläne teilzuhaben. Pläne von zehntausenden Seiten lägen zwar als PDF zur Einsicht vor, seien aber nicht nach Schlagworten durchsuchbar. Ständig würden Änderungen vorgenommen, jedoch nicht gekennzeichnet.

»Es wird den Leuten so schwierig wie möglich gemacht, qualifizierte Einwände einzureichen«, sagt Manu Hoyer. Schon im Verfahren um den Ausbau der Fabrik auf den bestehenden, bereits gerodeten Flächen boykottierten Umweltverbände die Erörterung in Erkner, weil eine angemessene Bürger*innenbeteiligung nicht gewährleistet worden sei. Bei diesem Verfahren geht es darum, die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Produktion auf eine Millionen Elektroautos im Jahr zu schaffen. Aktuell genehmigt sind 500 000, tatsächlich produziert Tesla aktuell etwa 250 000 Autos im Jahr. Unter anderem soll dafür eine 50 Hektar große Halle entstehen. Dafür sollen wie schon bei der bestehenden Halle Pfähle in den Boden gesetzt werden.

Geologe Werner Klink aus Storkow ist wie Hoyer Teil der Bürgerinitiative, die sich 2019 gegründet hat, um sich kritisch mit den Plänen der Tesla-Ansiedelung zu befassen. Er erklärt den Spaziergänger*innen, warum es so problematisch ist, dass Tesla für den Bau der Produktionshallen Pfähle in den Boden rammt. »Die verschiedenen Bodenschichten werden dadurch stark beschädigt. Es entstehen Verbindungen zwischen eigentlich getrennten Grundwasserleitern.« Dadurch würden chemikalische Prozesse durch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Mineralstoffe im Wasser in Gang gesetzt, die die Wasserqualität verschlechtern. Eigentlich gebe es bei jedem Bauvorhaben strenge Vorschriften gegen so etwas. »Ich hab mir die Unterlagen angeschaut, es ist katastrophal. Hier werden die Gesetze einfach ignoriert«, sagt Klink.

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Für die Anwohner*innen der Bürgerinitiative sowie die munter mitdiskutierenden Spaziergänger*innen ist der enorme Wasserverbrauch der Fabrik ein großes Übel. »Tesla hat einen Jahresverbrauch von 1,8 Millionen Kubikmetern vertraglich zugesichert bekommen. Das entspricht dem Verbauch einer 40 000-Einwohner-Stadt«, sagt Manu Hoyer. Währenddessen müssten sich Bürger*innen in der Umgebung aufgrund der Wasserknappheit in Brandenburg darauf einstellen, dass ihr Wasserverbrauch rationiert werde und Sanktionen bei zu großem Verbrauch drohen. »Es ist der Bevölkerung nicht klar, dass diese Autofabrik nichts mit Naturschutz zu tun hat, sondern den Menschen weltweit das Wasser abgräbt.« Denn auch der Abbau von Lithium für die Elektroautos brauche viel Wasser.

In Berlin und Brandenburg wird die Wasserknappheit nicht nur durch die Trockenheit der letzten Jahre und die Versandung der Böden verstärkt, sondern könnte auch durch das zukünftige Abschalten der Pumpen der Kohlekraftwerke in der Lausitz, welche die Spree mit Wasser versorgen, maßgeblich verschärft werden. Deshalb stößt der hohe Wasserverbrauch der Fabrik und die drohende Versiegelung der Noch-Wald-Flächen, die verhindert, dass Regenwasser ins Grundwasser versickern kann, besonders auf.

Das ist auch ein Hauptkritikpunkt der zwei Radsportvereine Roter Stern und Steppenwolf, die mit etwa 20 Radfahrer*innen zu den rund 50 Spaziergänger*innen dazustoßen, um ein Grußwort auszurichten und eine Geldspende von 500 Euro an die gegen Tesla kämpfende Bürgerintiative zu überreichen. »Wir merken selbst, dass die Wege immer weiter vertrocknen und dass die Wälder in schlechtem Zustand sind«, sagt Ricardo vom Roten Stern. »Deshalb ist der Widerstand so wichtig. Es geht nicht, noch mehr Wald zu roden.« Außerdem müssten auch die Arbeitskämpfe gegen Tesla unterstützt werden.

Das Verfahren um den Bebauungsplan Nummer 60, welcher die Rodung des Waldes vorsieht, laufe bereits seit dem vergangenen Jahr. Obwohl die Bürgerinitiative 6800 Unterschriften gegen den Plan an die Gemeindevertretung Grünheide überreichte, stimmte diese dem Bebauungsplan zu, erklärt Heiko Baschin, ebenfalls Teil der der Bürgerinitiative. »Inzwischen wurde der Planentwurf ausgelegt. Das sind mehrere Tausend Seiten, die man sich anschauen kann.« Dieser Entwurf lag bereits seit Mitte Oktober aus, nun aber wurde eine neue Version bereitgestellt, ohne dass die Bürger*innen wissen, was geändert wurde. Diese liege bis zum 23. Dezember aus. Mit einer Abstimmung des Plans sei im März zu rechnen, dann sei aber die Rodungssaison vorbei, das betroffene Waldstück würde also erst im Oktober des kommenden Jahres gerodet werden können. »Wir haben also noch etwas Zeit zu kämpfen und wir hoffen, dass ihr mit uns kämpft«, sagt Baschin zu den Teilnehmenden am Waldspaziergang.

Eine Gelegenheit, sich dem Kampf gegen die Erweiterung der Tesla-Fabrik nach Osten anzuschließen, bietet sich schon in knapp drei Wochen am Bahnhof Fangschleuse: Die Bürgerintiative ruft zusammen mit dem Bündnis »Tesla den Hahn abdrehen« dazu auf, am 9. Dezember eine Menschenkette um den Wald herum zu bilden.

Am 16. Dezember soll dann der nächste Waldspaziergang stattfinden, passend zur Winterzeit mit Plätzchen und Glühwein. Das Ziel wird das Löcknitztal sein, denn auch dieses nahegelegene Naturschutzgebiet ist in seinem Bestehen durch die Tesla-Fabrik bedroht. »Das ist ein sehr schützenswertes Gebiet mit Mooren und einer großen Artenvielfalt. Es droht, auszutrocknen«, sagt Hoyer gegenüber »nd«. Der hohe Wasserverbrauch und die Versiegelung von Flächen durch Tesla können dazu führen, dass die Löcknitz bald nicht mehr durch das Tal fließt oder zumindest das dort bestehende Ökosystem empfindlich gestört wird.

Sophie und Dittmann sind aus Marzahn-Hellersdorf nach Grünheide gereist, um am Waldspaziergang teilzunehmen. »Mich macht vor allem die Wasserverschwendung zur Produktion von Autos, von denen man eigentlich gar nicht so viele braucht, wütend«, sagt Sophie zu »nd«. »Die großen Konzerne können sich alles erlauben. So sollte das nicht funktionieren«, ergänzt Dittmann. Die beiden jungen Aktivist*innen wollen auch an den kommenden Aktionen gegen die Tesla-Erweiterung teilnehmen. »Ich bin gespannt, wie es weitergeht«, sagt Dittmann.

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