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In der U-Bahn von Dresden nach Prag
Deutsche Bahn will Neubaustrecke komplett als Tunnel bauen und verspricht Entlastung für das Elbtal
Wer derzeit mit dem Zug von Dresden in die tschechische Hauptstadt Prag fährt, müsste eigentlich einen Attraktivitätszuschlag bezahlen. Weil sich die Trasse durch das Elbtal südlich der sächsischen Landeshauptstadt windet, eröffnen sich aus dem Zugfenster bezaubernde Blicke auf die bizarren Felsentürme des Elbsandsteingebirges. Allerdings hat die Idylle ihren Preis. Die Fahrt erfolgt in vergleichsweise beschaulichem Tempo; für die knapp 150 Kilometer benötigen die Eurocity-Züge zweieinhalb Stunden. Die Autofahrt dauert 30 Minuten weniger. Außerdem verkehren die Züge nur alle zwei Stunden.
In nicht allzu ferner Zeit soll sich das ändern. Dann könnte in Dresden stündlich ein Zug nach Prag abfahren, der bereits 60 Minuten später an der Moldau eintrifft. Allerdings hat auch das seinen Preis. Der Panoramablick auf das Elbsandsteingebirge wäre passé. Stattdessen brettern die Züge dann mit 200 Sachen durch Tunnelröhren, die den Kamm des Erzgebirges in bis zu 500 Metern Tiefe unterqueren. Sie wären Teil einer milliardenteuren Neubaustrecke, für die 2008 eine erste Machbarkeitsstudie erstellt wurde und an der die Deutsche Bahn AG seit fünf Jahren konkret plant. Im Jahr 2044, sagt Projektleiter Kay Müller, könnten darauf die ersten Züge fahren.
Das ehrgeizige Vorhaben hat jetzt einen wichtigen Punkt erreicht: Die DB hat bekannt gegeben, welcher Variante für die Unterquerung des Erzgebirges sie den Vorzug gibt. Ursprünglich waren innerhalb eines 1,8 Kilometer breiten Korridors sieben verschiedene Trassen untersucht worden, die teils unterirdisch, teils aber auch über der Erde verlaufen sollten. Die Landesdirektion Sachsen als zuständige Genehmigungsbehörde hatte zwei davon als »raumverträglich« eingestuft. Eine davon sollte 26 Kilometer unter der Erde verlaufen, aber ein Stück weit auch oberirdisch. Auf diesem Abschnitt hätte unweit des Abzweigs von der bisherigen Trasse bei Heidenau eine fast 500 Meter lange Brücke über das Tal des Flüsschens Seidewitz errichtet werden müssen, zudem war ein längerer Überholbahnhof geplant. Die zweite Variante sieht vor, dass die Züge in Heidenau in einen 30 Kilometer langen Tunnel einbiegen und erst kurz vor der tschechischen Bezirkshauptstadt Ústí nad Labem wieder an die Oberfläche kommen.
Jetzt steht fest: Die Bahn gibt dieser Variante den Vorzug. Das sei das Ergebnis einer Prüfung von Wirtschaftlichkeit, Auswirkungen auf die Umwelt und Baudurchführung. »Die Volltunnelvariante liegt in allen drei Bereichen vorn«, sagte Müller. In manchen Punkten ist das offenkundig, etwa was Lärm oder Naturzerstörung anbelangt: »Wenn wir unter der Erde bauen, erzeugen wir über der Erdoberfläche keine Betroffenheit«, sagte Müller. Mit Blick auf die Kosten sei die Abwägung zunächst »nicht so eindeutig« gewesen. Nach Abwägung aller Rahmenbedingungen aber sei klar, dass die Volltunnelvariante auch »die wirtschaftlichere« sei, betont der Projektleiter. Bei der Alternativvariante würden die Kosten vor allem durch das Brückenbauwerk und den tief eingeschnittenen Bahnhof in die Höhe getrieben, bei dem es zudem Probleme mit dem Grundwasser gebe.
Konkret beziffern wollte Müller die Baukosten zunächst nicht, weil in den nächsten Monaten noch Feinplanungen erfolgten und Risiken bewertet werden müssten: »Was ich heute sage, wäre in einem halben Jahr wahrscheinlich überholt.« Im Bundesverkehrswegeplan wird ein Betrag von 1,2 Milliarden Euro genannt, plus 217 Millionen für Planungsleistungen. Die tatsächlichen Kosten liegen bei derlei Projekten in aller Regel deutlich über den anfangs genannten Beträgen. Das dürfte beim Bahntunnel nach Prag nicht anders sein. Sicher ist nach Angaben Müllers aber, dass sich das Ergebnis der Abwägung zwischen den beiden Varianten nicht mehr ändern werde: »Die Volltunnelvariante wird auf jeden Fall den Vorzug erhalten.«
Dieses Ergebnis wird vor allem bei einer Bürgerinitiative für Erleichterung sorgen, die sich 2018 gründete und, wie ihr Name sagt, vehement für einen »Basistunnel nach Prag« statt der halboffenen Variante stritt. Sie versammelt Anwohner der künftigen Strecke, die durchaus akzeptieren, dass die bisherige und notorisch überlastete Trasse den Anforderungen eines wichtigen europäischen Schienenkorridors nicht mehr gerecht wird, und die auch befürworten, dass die Bewohner des Elbtals vom Lärm der Züge entlastet werden. »Das Nadelöhr im Elbtal muss aufgelöst werden«, sagte Sprecher Steffen Spittler. Allerdings hatte man auch wenig Lust, den Krach zu übernehmen. Die Kernforderung war daher: kein Lärm in bewohnten Gebieten. Im Tal der Seidenwitz wäre die Bahnbrücke die dritte große Talquerung nach denen für die Autobahn A14 und die Südumfahrung Pirna gewesen. Daher entwarf die Initiative Pläne für eine komplett im Tunnel verlaufende Trasse. Bahn und Politik bot man eine »Entwicklungspartnerschaft« an.
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Die Zuversicht, dass diese Variante umgesetzt werden könnte, war indes zuletzt geschwunden. In den von der Bahn eingerichteten Beteiligungsformaten fühlte man sich teils als fünftes Rad am Wagen; von der Politik fühlte man sich nicht ernst genommen. »Dass der Volltunnel gebaut wird, ist aus heutiger Sicht zwar immer noch möglich, aber dennoch fragwürdig«, heißt es auf der Internetseite der Initiative; der Planungsprozess sei »nicht transparent genug, um einschätzen zu können, ob wirklich nach der besten Lösung gesucht wird«. Um so größer dürfte beim 10. Dialogforum an diesem Montag die Überraschung gewesen sein, dass nun doch die von der Initiative bevorzugte Variante weiter verfolgt werden soll.
Bis tatsächlich mit dem Bau begonnen wird, ist es freilich noch ein langer Weg. Die DB werde die Variante noch ein weiteres halbes Jahr mit Anwohnern und Vertretern der Anrainerkommunen diskutieren, sagte Müller. Im Sommer 2024 soll der entsprechende Entwurf beim Bundesministerium für Verkehr eingereicht werden. Danach muss der Bundestag, der das Vorhaben 2016 in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen hatte, über Umsetzung und Finanzierung abstimmen. Mit einem Beschluss wird in der ersten Jahreshälfte 2025 gerechnet. Danach folge eine mehrjährige Entwurfs- und Genehmigungsplanung, sagte Müller. Im Jahr 2032 könnte Baubeginn sein. Um die beiden parallelen Röhren durch das Gebirge zu treiben, benötigen vier Tunnelbohrmaschinen rund sechs Jahre. Danach erfolgt der Ausbau. Im Jahr 2044 könnten nach jetziger Planung die ersten Züge durch die »U-Bahn nach Böhmen« rollen. Die DB geht von 48 Personen- und 150 Güterzügen pro Tag aus. Die halboffene Trassenvariante hätte wegen des Überholbahnhofs eine etwas höhere Kapazität gehabt. Aber das, sagt Müller, war ihr einziger Vorteil.
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