Im Landtag: »Nazis« oder »Nazischweine«

Brandenburgs Linksfraktionschef Sebastian Walter handelt sich eine Ordnungsrüge ein

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Brandenburg wird eine beim Landtag angesiedelte Stelle mit der wenig glücklichen Bezeichnung Antisemitismusbeauftragter schaffen. Gegen die Stimmen der AfD wurde das entsprechende Gesetz am Donnerstag mit den Stimmen aller übrigen Abgeordneten angenommen. Zuvor stand der Nazivorwurf im Raum.

»Ja, ich bekenne, ich habe Sie vorhin einen Nazi genannt und Galau auch, und jeder, der bei ihrer Rede geklatscht hat, ist mitgemeint.« Mit diesem Satz wandte sich Linksfraktionschef Sebastian Walter am Donnerstag vom Rednerpult aus an den AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt. Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) quittierte diese Klarstellung von Walter mit einer Ordnungsrüge. Zuvor noch hatte sie im Plenarsaal bekanntgegeben, dass sie »das böse Wort« nicht gehört habe. Linksfraktionschef Sebastian Walter bezeichnete sich selbst als »Enkel eines Waffen-SS-Offiziers«. Das erlege ihm Verantwortung auf. Landtagsvizepräsident Andreas Galau (AfD) ließ die Wortwahl nicht auf sich
beruhen. Er hielt Walter vor: »Sie haben mich und Herrn Berndt Nazischwein genannt.« Galau kündigte an, eine Strafanzeige gegen Walter prüfen zu lassen. Die ständigen Beleidigungen der AfD seitens des Fraktionschefs einer »ertrinkenden Partei« müssten Konsequenzen haben. Die AfD-Abgeordneten donnerten dazu im Takt auf ihre Tische.

Parlamentspräsidentin Liedtke mahnte, dass ein solches Gebaren bei den anwesenden und zuschauenden Gästen, darunter Vertreter der jüdischen Religionsgemeinschaften, einen ungünstigen Eindruck erwecken müsse. Auf Antrag der AfD wurde das Landtagspräsidium zu einer Sondersitzung zusammengerufen. Ergebnisse lagen danach aber nicht vor.

Die Debatte der Aktuellen Stunde zum Thema »Tradition der Toleranz in Brandenburg schützen – Antisemitismus konsequent entgegentreten« und die zweite Lesung des Antisemitismusbeauftragten-Gesetzes waren zusammengelegt worden. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach von der Verpflichtung, »historisches Vertrauen nicht zu verspielen«. Ihm zufolge ist der Antisemitismus in Brandenburg nach dem Überfall der palästinensischen Hamas auf Israel »allgegenwärtig«, ja »auf dem Vormarsch«. Woidke sprach von der Schande, erleben zu müssen, dass auf Deutschlands Straßen das Töten jüdischer Menschen gefeiert werde. Es gelte, unverrückbar festzustellen: »Jüdisches Leben und jüdische Kultur gehören zu Deutschland, gehören zu Brandenburg.« Jüdisches Leben sei keine Nische, sondern ein wichtiger und unverzichtbaren Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens, der Anspruch auf Schutz und Förderung besitze. Dem könnten alle zustimmen – außer die AfD.

Der AfD-Landtagsabgeordnete Dennis Hohloch nannte Woidkes Rede »offen unehrlich«. Der Antisemitismus werde zusammen mit den Konflikten dieser Welt »Tag für Tag über die illegale Masseneinwanderung nach Deutschland importiert«. Über Ausbrüche wie gegenwärtig in Berlin müsse man sich daher nicht wundern.

Für die SPD protestierte Fraktionschef Daniel Keller scharf gegen den Versuch der AfD, »zynisch das Asylrecht zur Ursache von Antisemitismus zu erklären«. Das beweise, die AfD habe »nichts aus der deutschen Geschichte gelernt«. Keller wandte sich dagegen, »Geflüchtete gegen Jüdinnen und Juden auszuspielen«, den Antisemitismus als Folge dessen aufzufassen, »dass wir muslimische Geflüchtete aufgenommen haben«, und dagegen, die Verbrechen der Hamas zur »Verzweiflungstat umzudeuten«. Ausdrücklich erklärte der SPD-Politiker, Israel habe jedes Recht, seine Bevölkerung zu schützen und Geiseln zu befreien.

»Wir haben nicht genug getan«, sagte der Abgeordnete Andreas Büttner (Linke) angesichts der erschütternden Ereignisse im Nahem Osten und der Reaktionen in Deutschland. Auch er betonte, Israel habe jedes Recht, sich zu verteidigen. Er erzählte von einer ihm gut bekannten Frau aus Israel, die von der Hamas ermordet worden sei. Ihre Freundin habe nur überlebt, weil sie vier Stunden unter Leichen verbrachte, bis sie die Stimmen der israelischen Soldaten hörte. Babys seien ermordet worden. Es dürfe nicht sein, dass Juden wieder Angst davor haben müssen, mit Kippa und Davidstern auf die Straße zu gehen, verlangte Büttner. Aus der Asche von Auschwitz-Birkenau habe sich der »jüdische Löwe« erhoben. Israel sei wehrhaft und nur das garantiere das »Nie wieder«, sagte Büttner.

Es sei nicht zuviel verlangt von Menschen, die Asyl in Deutschland bekommen wollen, ein Bekenntnis zum Existenzrecht Israels abzugeben, meinte CDU-Fraktionschef Jan Redmann.

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