Sachsen: Krisenmanagerin führt SPD in die Wahl

Sozialministerin Petra Köpping zur Spitzenkandidatin gewählt – Partei will im Freistaat weiterregieren

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit manchen Gepflogenheiten in der Sozialdemokratie fremdelt Petra Köpping auch nach zwei Jahrzehnten Mitgliedschaft. Das Duzen etwa »werde ich nie lernen«, gestand Sachsens Sozialministerin, nachdem sie die Delegierten eines Parteitags der Landes-SPD am Samstag in Neukieritzsch zum wiederholten Mal gesiezt hatte. Mehrere Redner adressieren sie daraufhin als »Frau Köpping«. Die augenzwinkernde sprachliche Distanzierung tat aber dem politischen Schulterschluss keinen Abbruch. Köpping wurde mit 96,9 Prozent zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl am 1. September 2024 gekürt.

Das ist vorläufiger Höhepunkt einer politischen Laufbahn, die vor 45 Jahren unweit des Tagungsortes im Süden von Leipzig begonnen hatte. Köpping war in der DDR Vizebürgermeisterin eines Dorfes, arbeitete im Rat des Kreises und des Bezirkes. Sie studierte an der Akademie für Staat und Recht und war SED-Mitglied. Nach 1989 folgte ein Intermezzo als Außendienstlerin bei einer Krankenkasse, dann ging es zurück in die Politik: erneut als Bürgermeisterin, dann als bislang einzige sächsische SPD-Landrätin, seit 2014 als Kabinettsmitglied. Sie leitete zweimal Ressorts, die enorme Herausforderungen bewältigen mussten: zunächst als Integrationsministerin während der Flüchtlingskrise 2015, dann als Gesundheitsministerin während der Corona-Pandemie. »Mit Krise kenne ich mich ein bisschen aus«, sagte die 65-Jährige kokett.

Ihre Qualifikation als Krisenmanagerin wird nicht als erstes genannt, wenn es um die Frage geht, warum ihre Partei erstmals Köpping als Spitzenkandidatin aufstellt. Vielmehr wird neben Nahbarkeit etwa auch ihre Prinzipienfestigkeit lobend erwähnt. Ihr Kabinettskollege Martin Dulig, der die SPD in die Wahlkämpfe 2014 und 2019 führte, beschrieb sie als Gegenbild zu CDU-Regierungschef Michael Kretschmer und dessen, wie er sagte, »politischer Orientierungslosigkeit«. Köpping sei »unsere Frau für den Zusammenhalt«, ergänzte Landesvorsitzende Kathrin Michel; sie sei eine Politikerin »mit dem Fokus auf Themen, die die Menschen umtreiben«, formulierte SPD-Bundeschef Lars Klingbeil. Köpping gilt als Interessenvertreterin Ostdeutschlands, die das Agieren der Treuhand bei der Privatisierung der DDR-Betriebe kritisierte und sich für die Behebung von Ungerechtigkeiten bei der Überleitung von DDR-Renten einsetzte – wobei sie einräumte, dabei »nicht alles erreicht« zu haben. 2019 bewarb sie sich gemeinsam mit Boris Pistorius um den SPD-Bundesvorsitz, scheiterte aber. Dass ihr damaliger Partner heute als Bundesverteidigungsminister höchste Beliebtheitswerte verzeichne und sie die Landes-SPD in eine Wahl führe, deutete sie als Beleg dafür, »dass aus uns beiden noch etwas geworden ist«.

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Zu erwarten ist aber, dass im Wahlkampf auch Köppings Fähigkeiten als Krisenmanagerin gebraucht werden. Angesichts des Umfragehochs der AfD und der Wahlerfolge von Rechtspopulisten und -extremisten europaweit sagte Köpping, es gehe 2024 in Sachsen um nicht weniger als den »Erhalt der Demokratie«. Sie warnte vor einem Wahlkampf, in dem die »echten Gegner Lüge, Fake News und Populismus« heißen. Wie schon 2019 droht eine mediale Zuspitzung auf ein Duell zwischen CDU und AfD, die in Umfragen mit über 30 Prozent klar führt. Vor fünf Jahren reagierte die CDU mit einer Leihstimmenkampagne, in deren Folge die SPD mit 7,7 Prozent so schlecht abschnitt wie nie zuvor bei einer Landtagswahl. Köpping warnte vor einer Neuauflage: »CDU zu wählen, um die AfD zu verhindern, ist Mumpitz.« In derzeitigen Umfragen aber rangiert die SPD dennoch bei nur sieben bis acht Prozent und damit ebenso wie die ebenfalls mitregierenden Grünen gefährlich nahe an der Fünf-Prozent-Grenze.

Die Genossen empfehlen sich angesichts dieser Konstellation als Stabilitätsanker für Land und Regierung. »Auf uns kommt es an«, sagte Ko-Landeschef Henning Homann. Das gelte zum einen, weil die SPD wichtige politische Kursänderungen durchgesetzt habe. So seien der jahrelange Sparkurs bei Lehrern und Polizisten sowie die »entwürdigende CDU-Niedriglohnstrategie« beendet und die demokratische Zivilgesellschaft aus der »Bittstellerhaltung herausgeholt« worden. Daneben aber sei seine Partei ein Garant dafür, dass Sachsen nicht kippt: »Wir blinken nicht nach rechts, wir kokettieren nicht«, sagte Homann. Auch Köpping betonte, man wolle, dass das Land weiter von demokratischen Parteien geführt wird: »Wir wollen dafür sorgen, dass dort Mehrheiten entstehen.« Sie äußerte sich zuversichtlich, dass »die AfD in diesem Land nicht regieren wird«.

Auf ihr Talent als Krisenmanagerin hatte Köpping zuletzt auch in eigener Sache bauen müssen. Der Rechnungshof kritisiert die von ihrem Haus verantwortete Ausgabe von Fördermitteln für Integration; die Rede war von »korruptionsgefährdeten Strukturen«. Teile des Berichts gelangten just zu dem Zeitpunkt an die Medien, als Köpping als Spitzenkandidatin vorgestellt werden sollte. Die Ministerin räumte Fehler ein und trennte sich von ihrem Staatssekretär. Auf dem Parteitag verteidigte sie sich aber auch: Man habe »nicht alles richtig gemacht, aber das Richtige gewollt«. Den Prüfbericht des Rechnungshofes nannte sie ein »Dokument des Misstrauens«, wie es Politik und Verwaltung in Sachsen präge. Am 7. Dezember wird das Dokument offiziell vorgestellt. In der SPD hoffen sie, dass ihre Spitzenfrau dann nicht in der Krise steckt.

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