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Guatemala: Staatsstreich in Zeitlupe

In Guatemala wird die Amtseinführung des Präsidenten Bernardo Alévaro hintertrieben

  • Sara Meyer, Panajachel (Guatemala)
  • Lesedauer: 5 Min.

In Guatemala deutet alles auf einen schleichenden Staatsstreich hin. Die Staatsanwaltschaft unternimmt sämtliche Schritte, um den Amtsantritt des demokratisch gewählten Präsidenten Bernardo Arévalo zu verhindern. Seit Wochen finden deshalb landesweit Proteste statt, vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft in der Hauptstadt hat sich seit dem 2. Oktober ein Protestcamp angesiedelt, das regelmäßig Kundgebungen und Großdemonstrationen organisiert. Die Staatsanwaltschaft hat vergangene Woche verkündet, gegen die im August gewählte Regierung strafrechtliche Ermittlungen führen zu wollen und verlangt vom Obersten Gerichtshof des Landes die Aufhebung der Immunität des künftigen Präsidenten und seiner Vizepräsidentin Karin Herrera, die im Januar 2024 beide ihr Amt antreten sollen.

Am 16. November wurde gegen 27 Personen ein Haftbefehl erlassen, von denen aktuell noch sechs festgehalten werden, unter ihnen eine ehemalige Kandidatin der Semilla-Partei des künftigen Staatschefs Arévalo. Außerdem wurde auf Befehl des Richters Victor Cruz mehr als 30 Razzien in Privathäusern durchgeführt. Die Betroffenen gelten als Sympathisant*innen des Präsidenten in spe und sind überwiegend Student*innen und Dozent*innen der öffentlichen Universität San Carlos. Den Verhafteten wird unter anderem die Beschädigung von kulturellem Erbe und die Vereinigung mit illegalen Absichten vorgeworfen, da sie im Jahr 2022 die öffentliche Universität San Carlos besetzt hatten. Die Akademiker*innen waren nicht mit dem Zustandekommen der Besetzung des neuen Direktors der Einrichtung einverstanden und hatten den Wahlprozess als unrechtmäßig befunden.

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Am 21. November begannen die Anhörungen der sechs Inhaftierten, die selbst nicht zu Wort kamen. Den Medien wurde der Zugang verwehrt. Am darauffolgenden Tag zeigte die Staatsanwaltschaft Videos der Besetzung der Universität und die Schäden, die die Beschuldigten vermeintlich angerichtet hätten. Deren Verteidigung erklärte, dass die Personen in den Videos nicht zu erkennen seien. Am 24. November wurden die sechs Inhaftierten in zwei Delikten schuldig gesprochen. Gegen eine Zahlung von 10 000 Quetzal (etwa 1170 Euro) werden sie in einen »Hausarest« entlassen. Sie müssen sich aber regelmäßig bei den Behörden melden. Die Semilla-Kandidatin Marcela Blanco bekam zusätzlich ein Verbot, die Universität zu betreten.

Das progressive Medium Prensa Comunitaria verkündete in den sozialen Medien, dass derselbe Richter mehrere unabhängige Medien des Landes aufgefordert habe, Informationen über bestimmte Journalist*innen preiszugeben und sein Vorgehen der Öffentlichkeit nicht mitzuteilen. Auch gegen indigene Autoritäten mehrerer Gemeinden werden Untersuchungen geführt, da diese seit dem 2. Oktober einen landesweiten Streik anführen, der zu Blockaden und Verzögerungen im Alltag geführt hat und dem sich breite Massen angeschlossen haben, um die Aufmerksamkeit auf den »Pakt der Korrupten«, in dem sich Guatemalas Elite zusammengeschlossen hat, zu lenken und den Rücktritt der Leitung der Staatsanwaltschaft fordern.

Neben diesen jüngsten Versuchen, den Amtsantritt Arévalos zu verhindern, fordert die Sonderstaatsanwaltschaft gegen Straflosigkeit (FECI) seit Monaten das Verbot der Semila-Partei des Präsidenten. Sie stützt sich auf eine Anzeige, die Arévalo selbst gegen frühere Parteimitglieder erstattet hatte, weil Unterschriften für die Parteisatzung gefälscht worden waren. Das Verfahren wurde jedoch 15 Tage nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses eingestellt. Kürzlich reichte die Kontrahenten der Partei Unidad de la Esperanza (Vereinigung der Hoffnung) eine Anzeige ein, die von Wahlbetrug während der diesjährigen Präsidentschaftswahlen ausgeht.

Der progressive Überraschungskandidat der Semilla-Partei wurde im August mit 58 Prozent mit dem Versprechen, die »Korruption auszurotten« zum künftigen Staatschef des mittelamerikanischen Landes gewählt. Arévalo ist ein alter Bekannter im guatemaltekischen Politikgeschäft: Schon sein Vater Juan José Arévalo war Regierungschef von 1945 bis 1951. In dessen Amtszeit scheiterten mindestens 30 Putschversuche gegen seine Regierung.

Am Tag der Festnahmen hielt Arévalo eine Rede, in der er betonte, dass die »Institutionen des Landes in einer Krise« seien. »Wir sind mit einer tiefen Traurigkeit und einer starken Wut wegen der Festnahme unschuldiger junger Leute, Studenten und Dozenten aufgewacht, die sich gegen eine kleine Gruppe von Korrupten aufgelehnt haben, die weiterhin versuchen, uns die Gegenwart und die Zukunft zu stehlen«, erklärte der designierte Präsident dem Volk. Im Laufe der Woche äußerte sich Arévalo über X (ehemals Twitter) mehrfach zu den Geschehnissen und schrieb: »Niemand sollte wegen seiner politischen Ansichten verfolgt werden. Wahrheit und Gerechtigkeit werden sich durchsetzen. Wir werden nicht zulassen, dass die Saat der Hoffnung mit Füßen getreten wird.«

Inzwischen zeigen sich die Vereinten Nationen, die Europäische Union sowie die interamerikanische Kommission der Menschenrechte besorgt über die Vorkommnisse in Guatemala. Die Organisation amerikanischer Staaten verurteilt das Vorhaben der guatemaltekischen Staatsanwaltschaft, die Immunität des künftigen Staatsoberhauptes und seiner Vizepräsidentin aufheben zu wollen. Die Staatsanwaltschaft unternähme Versuche, um das Wahlergebnis durch »selektive und willkürliche« Maßnahmen zu »untergraben«.

Das internationale Linke-Kollektiv »Grupo Puebla« – dem berühmte Politker*innen wie José Mujica (Ex-Präsident Uruguay), Lula da Silva (Präsident Brasiliens) und Evo Morales (Ex-Präsident Boliviens) angehören – hat sich an die internationale Gemeinde gewandt, um einen »fortgeschrittenen Staatsstreich gegen den auf demokratischem Wege gewählten Präsidenten und seine Vizepräsidentin zu kritisieren«. Das Kollektiv spricht von einer »antidemokratischen Verschwörung« der derzeitigen Regierung, die unter anderem Teile der Justiz unter ihrer Kontrolle hat. Die Generalstaatsanwältin María Consuelo Porras und der Leiter der FECI, Rafael Curruchiche, unternähmen mit der Rückendeckung des aktuellen Präsidenten Alejandro Giammattei und einigen korrupten Richtern Schritte, die darauf abzielten, den Amtsantritt des Staatschefs in spe und seiner Vizepräsidentin zu verhindern.

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