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Geschäft mit Terminen: Berliner Ausländerbehörde gibt sich auf
Der Kollaps der Berliner Ausländerbehörde ist Ausdruck politischer Prioritätensetzung
Die Berliner Verwaltung – sie dient als Lachnummer für alle Nicht-Berliner*innen, als ewiger Tagesordnungspunkt in den Ausschüssen, als Projektionsfläche für Visionen der digitalen Automatisierung und als Ablenkungsmanöver, wenn politische Verantwortung mal wieder zwischen Bezirken und Land hin- und hergeschoben wird.
Vor allem aber bringt sie Menschen in existenzielle Not. Und wo Not herrscht, wittern andere ein Geschäft. Kein Wunder also, dass unterschiedliche Unternehmen und Privatpersonen ihre Chance sehen und den verzweifelten Seelen auf der Suche nach einem Termin bei der Ausländerbehörde aus der Patsche helfen – gegen ordentlich Geld, versteht sich. Das macht natürlich sauer: Wer einen Weg gefunden hat, das wahrscheinlich nicht perfekt gesicherte Onlinebuchungssystem so zu manipulieren, dass sich leichter ein freier Termin findet, sollte das als kostenlosen Akt der Solidarität anbieten. Alles andere ist verwerflich und führt dazu, dass reichere Expats den ärmeren Geflüchteten Termine wegschnappen.
Trotzdem sollte die Aufregung nicht hier stehenbleiben. Der wirkliche Skandal liegt in dem absoluten Scheitern der Behörde, die für die Aufenthaltsrechte der gesamten nichtdeutschen Community in Berlin zuständig ist. Die Ausländerbehörde steht nicht vor dem Kollaps, sie ist bereits kollabiert. Die einzige sinnvolle Antwort darauf lautet: Wenn Visa nicht mehr verlängert werden können, laufen Visa einfach nicht mehr ab. Wenn eine Duldung ihre Gültigkeit verliert, erhält die Person eben sofort einen Aufenthaltsstatus. So viel bürokratischer Aufwand ließe sich durch die Abschaffung der Ausländerbehörde sparen.
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Doch bevor es so weit kommt, stellt das Landesamt lieber eine Fiktionsbescheinigung nach der anderen aus, bringt Betroffene damit in die Papierlosigkeit und richtet seine Ressourcen weiterhin auf die eigentlich wichtigste Aufgabe: abschieben. So kompliziert, verzahnt und kaum reformierbar die Berliner Verwaltung auch sein mag – sie bleibt Ausdruck politischer Entscheidungen.
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