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Haushaltskrise: Auf ganz dünnem Eis
Welche Möglichkeiten der Ampel-Koalition noch bleiben, um den Haushalt 2024 zu retten
An diesem Freitag wollte die Ampel-Koalition von Olaf Scholz den Haushalt 2024 mit ihrer Mehrheit im Bundestag beschließen. Das Bundesverfassungsgericht hat ihr einen Strich durch diese Rechnung gemacht. Ein Urteil mit einer solchen Tragweite braucht Zeit, bis es seine volle Wucht entfaltet. Zwei Wochen nach dem Ordnungsruf aus Karlsruhe brachte die Ampel eine erste Anpassung ihrer Finanzplanung auf den Weg. Die Kredite aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), etwa zur Finanzierung der Energiepreisbremse, wurden am Montag in den Nachtragshaushalt für 2023 verlagert. Dadurch stieg die Nettokreditaufnahme im Bundeshaushalt von 45,6 auf 70,6 Milliarden Euro. Eigentlich ein Verstoß gegen die im Grundgesetz Artikel 109 festgeschriebene Regel, die »Schuldenbremse«. Mit Verweis auf die extremen Energiepreise macht die Koalition noch einmal wie in den drei Jahren zuvor mit Coronakrise und Ukraine-Krieg eine »außergewöhnliche Notlage« geltend. Weitaus schwieriger als diese haushaltstechnische Umbuchung von ohnehin längst ausgegebenen Milliarden wird es für die Bundesregierung, einen verfassungskonformen Haushalt für 2024 aufzustellen, mit dem wenigstens die wichtigsten Projekte finanziert werden können.
Dafür gibt es theoretisch vier Möglichkeiten. Da ist zunächst eine Überarbeitung der 2011 eingeführten Schuldenbremse. Mit dieser sollte die langfristige Finanzierung des Haushaltes sichergestellt werden, ohne dass die Gesamtverschuldung in die Höhe geht. 2024 wären danach lediglich knapp 15 Milliarden Euro neue Schulden erlaubt. SPD, Grüne und Linke würden diese »Zukunftsbremse« gerne abschaffen oder zumindest lockern. Zwar zeigen sich mehrere CDU-Ministerpräsidenten offen für eine Reform, da auch die Länder durch das Urteil in die Finanzbredouille geraten. FDP und die Spitze der Union sind aber, auch aus parteitaktischen Gründen, dagegen. Die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Grundgesetzänderung ist daher nicht in Sicht. Politisch möglich wäre maximal eine moderate Reform, die alte handwerkliche Fehler repariert und neue Spielräume schafft, aber auch dies bräuchte Zeit, welche die Ampel nicht hat.
Eine weitere Möglichkeit wären Ausgabenkürzungen. Politiker und Verbandsfunktionäre haben dazu alle möglichen Vorschläge ins Spiel gebracht, etwa Einschnitte beim Bürgergeld oder beim Dienstwagenprivileg. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm sprach sich für Kürzungen bei der »Rente mit 63« aus – immerhin bezuschusst der Bund die Rentenkassen mit etwa 100 Milliarden Euro pro Jahr. Dass es aber zu tiefen Einschnitten bei Sozialleistungen und sonstigen Transferzahlungen kommt, dürfte an Grünen und SPD scheitern. Angesichts der bevorstehenden Wahlen wollen auch andere Parteien extreme Kürzungen vermeiden.
Eine dritte Möglichkeit, um den Haushalt 2024 zu retten, sind Steuererhöhungen. Der einfachste Weg wäre eine Mehrwertsteuererhöhung. Angesichts der ohnehin schwächelnden Wirtschaft könnte dies die Konjunktur vollends abwürgen. Parlamentarische Mehrheiten für linke Projekte wie die Wiedereinführung der Vermögensteuer sind ebenfalls nicht in Sicht. Und die Steuersenkungspartei FDP würde wohl überhaupt keine Erhöhungen mittragen. Daher werden sich die im Stimmungstief verharrenden Regierungsparteien wohl auf moderate Kürzungen bei geplanten Ausgaben einigen, um zu verhindern, dass es zu vorgezogenen Neuwahlen kommt. Im Gespräch sind – wie in der Vergangenheit häufig passiert – Kürzungen bei öffentlichen Investitionen. Beispielsweise zeichnet sich ab, dass die Bahn ihre Ausbaupläne zeitlich strecken muss
Doch das zu stopfende Finanzloch 2024 dürfte deutlich größer ausfallen, auch wenn bisher niemand die genauen Summen kennt. Die Neuaufstellung des Haushaltes für dieses Jahr reduziert die erlaubte Neuverschuldung für 2024 um einen einstelligen Milliardenbetrag. Hinzu kommen 10 bis 20 Milliarden Euro, die zu mobilisieren sind, wird das Bundesfinanzministerium zitiert. Noch einschneidender ist die vom Bundesverfassungsgericht einkassierte Finanzierung des Klima- und Transformationsfonds. Es geht um 60 Milliarden Euro, welche die Bundesregierung in den kommenden vier Jahren austeilen wollte. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wie auch seine Länderkollegen wollen hier keine Abstriche machen.
Möglich wäre dies über neue Sondervermögen. Karlsruhe hatte solche Schattenhaushalte ja nicht grundsätzlich verboten, sie aber an enge Regeln gebunden. Allerdings müssten sie dann noch in diesem Jahr den Bundestag passieren, um nicht gegen den Haushaltsgrundsatz der Vorherigkeit zu verstoßen. Und wahrscheinlich wäre auch hier eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig.
Um ihre Finanzen zu sichern, könnte die Regierung also zum fünften Mal in Folge den Haushaltsnotstand ausrufen, um die Schuldenbremse auszusetzen, etwa erneut unter Verweis auf die Folgen des Ukraine-Krieges. Doch damit dürfte die Koalition juristisch auf ganz dünnem Eis stehen. Wahrscheinlich wäre eine erneute Verfassungsklage der Opposition – in einem Eilverfahren könnte Karlsruhe dann den gesamten Haushalt 2024 stoppen.
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