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Fährt Eintracht Frankfurt zu sehr auf Kuschelkurs mit den Fans?
Polizei und Frankfurter Fußballfans stehen sich unversöhnlich gegenüber. Eintracht Frankfurt sucht den Mittelweg, stößt damit aber an Grenzen
Der Frust saß tief bei Dino Toppmöller. Zwei Heimniederlagen hintereinander hat Eintracht Frankfurt gefühlt seit einer Ewigkeit nicht mehr kassiert – und unter dem im Sommer installierten Trainer schon mal gar nicht. Nun hatte der 43-Jährige nach dem Rückschlag in der Bundesliga gegen den VfB Stuttgart auch die Pleite in der Conference League gegen Paok Saloniki (je 1:2) zu erklären. Es gebe Niederlagen, so Toppmöller, »bei denen man sagt: ›Okay, der Gegner war einfach besser. Das muss man akzeptieren‹. Es gibt aber auch Niederlagen, an denen man total selbst schuld ist. Die Gegentore schießen wir uns gefühlt selbst rein. Es war unglücklich, dass wir das Spiel verloren haben.«
Somit müssen die Adlerträger in Europa noch eine Extrarunde drehen und den Umweg ab 15. Februar über die Playoffs nehmen, um im Achtelfinale weiterzuspielen. Gegner wird ein Gruppendritter aus der Europa League sein. Deshalb holte Toppmöller seinen Trupp auch direkt in der Kabine zusammen, um ihm etwas auf den Heimweg mitzugeben: »Ich habe den Jungs gesagt, dass wir Eintracht Frankfurt sind; dass wir auch in der Lage sind, eine Mannschaft auszuschalten, die in der Europa League Dritter wurde.« Nichts anderes sollte Anspruch des Europa-League-Siegers von 2022 sein.
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Der Stimmungsdämpfer gegen die Griechen passte zu einer turbulenten Woche. Vergangenen Samstag erst beugten sich die Hessen zwar spielstarken, vor Selbstbewusstsein strotzenden Schwaben, die nicht umsonst Dritter der Bundesliga sind. Aber Hauptthema war hernach der ausgebliebene Support der Ultras, die aus Protest gegen einen aus ihrer Sicht übertriebenen Polizeieinsatz keine Unterstützung aus dem Fanblock leisteten, dabei aber auch geflissentlich übergingen, dass die wilden Prügeleien mit den Einsatzkräften – und später mehr als 200 Verletzten auf beiden Seiten – von ihnen angezettelt worden waren, wie auch Eintracht Frankfurt später in einer Mitteilung präzisierte. Während einer Zugangskontrolle am Fanblock sei ein Sicherheitsmitarbeiter der Eintracht von 20 Personen geschlagen worden. Danach seien herbeigerufene Polizeikräfte aus mehreren Richtungen attackiert worden, schrieb der Klub, der es dennoch bereits in diesem Schreiben auf Deeskalation anlegte.
Im Grunde mit Erfolg: Am Donnerstagabend war der Anhang in der mittlerweile 58 000 Plätze bietenden Arena wieder vollständig versammelt. Lediglich während der ersten Halbzeit verzichteten die Fans der Eintracht für wenige Minuten auf Stimmung, als es im Unterrang der Nordwestkurve zu einem medizinischen Notfall kam. Ansonsten gab es die volle Lautstärke – und keine Provokationen. Aber der Konflikt über die Deutungshoheit im Heimbereich schwelt weiter.
Im Grunde stehen sich die Fanszene und die Polizei so unversöhnlich gegenüber wie Kristijan Jakic in der Nachspielzeit der Saloniki-Partie nach einer törichten gelb-roten Karte Kopf an Kopf mit dem Vierten Offiziellen Pawel Malec. Gut möglich, dass der Wutausbruch des Kroaten noch Folgen hat. Da hatten sich die Ultras auf den Rängen fast besser im Griff, die nach ihrem üblichen Intro aus Schwenkfahnen und Pyrotechnik ein schwarzes Plakat zwischen Ober- und Unterrang spannten, auf dem »Freie Kurve Frankfurt« stand. Deutlicher hätte ihre Haltung nicht zum Ausdruck kommen können: Sie betrachten die Nordwestkurve weiter als ihr Hoheitsgebiet.
Frankfurts Polizeipräsident Stefan Müller ist da anderer Meinung: »Es gibt keinen Anspruch auf einen rechtsfreien Raum. Die Polizei wird einen solchen auch nicht zulassen.« Eintracht-Justiziar Philipp Reschke hat derweil angekündigt, auch den Polizeieinsatz des vergangenen Wochenendes aufarbeiten zu wollen, den es »mit Blick auf Dauer und Intensität in dieser Form zuvor noch nicht im Stadion gegeben hat«. Dabei müsste auch dem Vorstand klar sein, dass sein Hardcore-Anhang bei der langen Liste von Verfehlungen die Hauptverantwortung für die sich wiederholenden Vorfälle trägt.
Was in der Frankfurter Fanszene selten anzutreffen ist: Selbstkritik und Selbstreinigungskräfte, die notorische Randalierer mit einem Bannstrahl zu belegen. Fast eine Million Euro Strafe zahlte die Eintracht allein in der Saison 2022/2023. Es gelingt nicht, diejenigen auszugrenzen, die das Recht des Stärkeren für sich reklamieren.
Als die Eintracht 2011 letztmals in die zweite Liga abstürzte, stürmten Chaoten beim Heimspiel gegen Köln den Rasen. Am letzten Spieltag feierte sich der Frankfurter Block in Dortmund als »Randalemeister«. Die Funktionäre, allen voran Vorstandssprecher Axel Hellmann, haben seit diesem »Abstieg der Schande« viele richtige Entscheidungen getroffen. Aber hat insbesondere der aus der eigenen Fan- und Förderabteilung aufgestiegene Jurist genug gegen die Krawallbrüder getan? Hellmann setzt ganz auf den Dialog mit den mächtigen Ultra-Gruppen.
Das hat mehrere Gründe. Zum einen besteht über den direkten Austausch die Möglichkeit, noch Schlimmeres wie Spielabbrüche zu verhindern. Zum anderen gibt es aber auch wirtschaftliche Gründe: Die Eintracht ist mit ihren Erfolgen und ihrer Emotionalität zu einer Marke geworden, bei der die Fans einen Wesenskern bespielen, zu besichtigen im Europa-League-Auswärtsspiel vor anderthalb Jahren beim FC Barcelona, als 30 000 Frankfurter das Camp Nou bevölkerten. Heimspiele sind heutzutage fast allesamt ausverkauft – auch wegen der guten Stimmung. Der Klub hat inzwischen mehr als 130 000 Mitglieder. Und umso mehr Anhänger sich zu einem Verein bekennen, desto mehr Sponsoren interessieren sich für ihn. Abertausende gehen mit der Eintracht auch im Europapokal auf Reisen. Doch auch diese Entourage ist mit Störenfrieden durchsetzt, die immer wieder in Gewaltexzesse verwickelt waren.
Immerhin lösen sich manche Probleme auch mal durch Aussitzen. Dass die Eintracht-Anhänger am 14. Dezember beim letzten Conference-League-Gruppenspiel in Aberdeen ausgesperrt sind – Grund ist ein geworfener Bierbecher und abgebrannte Pyrotechnik in Helsinki –, ist nun etwas leichter zu verschmerzen: Denn durch die Niederlage gegen Paok Saloniki ist die Begegnung sportlich vollkommen bedeutungslos geworden – und damit auch für die Fans irgendwie verzichtbar.
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