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Horst Hrubesch löst die Blockaden, DFB-Frauen besiegen Dänemark
Nach dem 3:0 kommen der Gruppensieg in der Nations League und Olympia näher
Horst Hrubesch kennt den Presseraum im Ostseestadion von Hansa Rostock aus einer Epoche, als das Mobiliar noch nicht im Seefahrerambiente gehalten war. Drei Jahrzehnte nach einem kurzzeitigen Engagement beim Zweitligisten setzte der Hobbyfischer an diesem Ort eine fast schon rührselige Liebeserklärung an die deutschen Fußballerinnen auf, die ihm auch bei seinem zweiten Intermezzo als Interimstrainer wieder das Herz wärmen. »Die stehen wirklich zueinander«, konstatierte der 72-Jährige nach dem überzeugenden 3:0 in der Nations League gegen Dänemark: »Das fasziniert mich immer wieder, sie nehmen den alten Mann auch mit.«
Das sentimentale Dankeschön an seine »Mädels« bezeugte, dass einer nach den vielen Zerwürfnissen unter seiner Vorgängerin Martina Voss-Tecklenburg bei den DFB-Frauen den idealen Friedensstifter gibt. Auch die immerhin 4,3 Millionen Fernsehzuschauer staunten am Freitagabend nicht schlecht, wie das Team im winterlichen Ambiente an der Küste an den EM-Sommer 2022 in England erinnerte – und den Gegner mit Spielfreude und Einsatz fast erdrückte. Geschlossenheit und Lockerheit sind zurück.
Nun genügt ein Sieg im letzten Gruppenspiel am kommenden Dienstag in Wales, um den ersten Platz abzusichern und sich die Chance auf Olympia zu erhalten. Zwar warnte Hrubesch vor dem Flug nach Cardiff vor »einem der schwersten Spiele«, doch was soll beim punktlosen Schlusslicht wirklich schiefgehen? »Einstellung, Wille, Glaube – sensationell«, lobte der Coach ja selbst. »Es hat mir verdammt gut gefallen.« Er hat die Blockaden gelöst, weil nach eigenem Bekunden »die Chemie stimmt«. Und eine Horst-Hrubesch-Weisheit im Jahr 2023 geht so: »Fußball ist nur dann gut, wenn er Spaß macht. Und Spaß hast du immer dann, wenn du gewinnst.«
»Es wird sich wieder auf die Basics besonnen. Es kommt nicht zu viel Input, sondern wir bleiben einfach bei uns«, erzählte Giulia Gwinn. Die bei der WM vermisste Verteidigerin vom FC Bayern beobachtete bei »jeder Spielerin ein Lachen auf den Lippen«. Das alles könnte Ende Februar beim entscheidenden Finalturnier für die zwei freien olympischen Startplätze helfen. Frankreich, als Olympiagastgeber schon qualifiziert, und Weltmeister Spanien stehen als Sieger ihrer Nations-League-Gruppen schon als Gegner fest.
In Deutschland wurde derweil die Abhängigkeit vom VfL Wolfsburg aufgelöst. Hrubesch und sein Co-Trainer Thomas Nörenberg gehen nur nach dem Leistungsprinzip vor. Und so legte Debütantin Elisa Senß laut Hrubesch – die 26-ährige Mittelfeldspielerin aus Leverkusen war dem HSV-Nachwuchschef beim Pokalspiel in Hamburg aufgefallen – nach ihrer Einwechslung »ein sensationelles Spiel« hin. Überhaupt hatte ihm das Mittelfeld mit dem Gespann Sjoeke Nüsken und Sydney Lohmann so gut gefallen, dass er konstatierte: »An denen vorbeizukommen, da werden sich einige strecken müssen.«
Nun soll der zeitlose Allroundhelfer mindestens bis Sommer 2024 weitermachen. »Ich habe nichts dagegen, wenn Horst Hrubesch seinen 73. Geburtstag als Nationaltrainer feiert«, sagte DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig. Es sei großartig, »was Horst hier vollbracht hat mit seinem Trainerteam: Man sieht, die Mannschaft hat eine ganz andere Körpersprache, sie brennt, sie läuft für den Trainer.« Der 72-Jährige wirkt so beruhigend auf die Gruppe wie ein Handwerksmeister, bei dem jeder Handgriff sitzt.
Der DFB wird demnächst Nia Künzer als neue Sportdirektorin vorstellen. Die mündliche Einigung mit der Weltmeisterin ist erfolgt, es hängt jetzt nur noch an Formalien mit Künzers Arbeitgeber, dem Regierungspräsidium Gießen. Die 43-Jährige dürfte mit Erleichterung beobachtet haben, dass die Trainerfrage sich vorerst nicht stellt.
Die Spielerinnen haben sich anscheinend nach einer solchen Persönlichkeit mit pragmatischem Ansatz gesehnt, nach einer, die fachlich und menschlich passt. Und einer, »die kein Heckmeck macht«, wie Abwehrchefin Marina Hegering sagte. Die in Wales wegen einer Gelb-Sperre fehlende 33-Jährige hatte mit einem Kopfballtreffer in der 26. Minute das 2:0 erzielt. Auch die Jüngeren wie Klara Bühl wirkten wie ausgewechselt. Speziell im Fall der 22-Jährigen berichtet Hrubesch von zahlreichen Einzelgesprächen. Sein Leitspruch: »Mädchen, trau’ dich!« Die Angreiferin dribbelte immer wieder die dänische Abwehr auseinander – und nachdem sie nach einer Viertelstunde das 1:0 von Alexandra Popp eingeleitet hatte, lupfte sie in der Nachspielzeit die Kugel zum 3:0-Endstand selbst über die Linie.
Nach dem Abpfiff wollte trotz Minustemperaturen kaum einer der knapp 20 000 Augenzeugen gehen. Beim Schlussjubel führte Nicole Anyomi dann vor den Fans ihre Tanzkünste vor. Auch von dieser Spielerin hält Hrubesch eine Menge, und es wäre wenig verwunderlich, wenn die kraftvolle Stürmerin von Eintracht Frankfurt beispielsweise gegen Wales beginnen dürfte. Denn wie sagt der Mann, der die DFB-Frauen wiederbelebt hat: »Wir haben noch viel mehr Potenzial.«
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