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Neue Magdeburger Synagoge: »Ein Gebetshaus für alle Völker«
Nach Dessau-Roßlau erhält nun auch Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt ein neues jüdisches Gotteshaus
Als 1851 in Magdeburg eine Synagoge für die damals rasch wachsende jüdische Gemeinde geweiht wurde, erklang eine Kantate, die der Komponist Julius Mühling eigens geschrieben hatte: die »Magdeburger Gesänge« für Männerstimmen und Orgel. Dieser Tage wurde das Stück im Rahmen der »Tage der jüdischen Kultur« wieder aufgeführt – aus identischem Anlass. Ab diesem Sonntag wird es in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt wieder ein jüdisches Gotteshaus geben. Der Neubau wird mit einer Festveranstaltung für 100 geladene Gäste, darunter Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), eingeweiht. Die Öffentlichkeit kann ihn bei Tagen der offenen Tür besichtigen, von denen die ersten im Dezember und Januar bereits ausgebucht sind. Erst für März gibt es wieder Karten.
Mit den Feierlichkeiten geht ein jahrzehntelanger tiefer Einschnitt für das jüdische Leben in Magdeburg zu Ende. Das gibt es bereits seit 1000 Jahren. Immer wieder kam es jedoch zu Pogromen und Vertreibungen. 1493 wurde die erste Synagoge in eine Marienkirche umgewandelt. Erst ab 1807 gab es das Recht auf freie Religionsausübung auch für Juden. Die Stärke der jüdischen Gemeinde versinnbildlichte der Neubau von 1851, der um die Jahrhundertwende erweitert werden musste. Dann kamen NS-Zeit und Holocaust. In der Pogromnacht am 9. November 1938 wurde der Innenraum der Synagoge zerstört, ihre Reste wurden im folgenden Jahr gesprengt. Es war eines von 16 geschändeten jüdischen Gotteshäusern im heutigen Sachsen-Anhalt. Im Anschluss wurden in Magdeburg mindestens 1400 der 1900 Gemeindemitglieder in Vernichtungslager deportiert und ermordet. Lange gab es nur eine sehr kleine Gemeinde. Erst ab 1990 wuchs sie durch den Zuzug von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion auf derzeit 600 Mitglieder, für die das Gemeindehaus längst zu klein geworden ist.
Auch die neue Synagoge ist alles andere als ein Prunkbau. Neben dem benachbarten Hotel »Ratswaage« wirkt das Gebäude bescheiden. Es gehe indes auch nicht um eine »große Selbst- und Prachtdarstellung der Gemeinde«, sagte Waltraud Zachhuber, Vorsitzende des schon 1999 gegründeten Fördervereins. Architekt Wolfgang Sattler sprach vom Wunsch der Gemeinde, »mit symbolhafter Ornamentik zurückhaltend« zu sein. Er verwies auch auf das Spannungsverhältnis zwischen würdiger Architektur, begrenztem Budget und Sicherheitsanforderungen. Der Neubau enthält einen Betsaal für 100 Personen, Räume für Versammlungen und die Zubereitung von koscherem Essen sowie eine Mikwe, ein rituelles Tauchbecken. An der Fassade steht in hebräischer Schrift ein Bibelzitat: »Denn mein Haus soll ein Gebetshaus für alle Völker sein.« Der Spruch ist durchaus als Einladung gemeint. Die Synagogengemeinde erklärt, sie wünsche sich einen »Begegnungsort für alle Magdeburger, die mit dem Judentum Verbindung suchen und ins Gespräch treten wollen«.
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Pläne für einen Neubau gab es in Magdeburg seit über 20 Jahren. Erste Entwürfe befand das zuständige Landesministerium mit sieben Millionen Euro aber für zu teuer. Nötige Umplanungen sorgten danach ebenso für Verzögerungen wie Unstimmigkeiten zwischen der Synagogen-Gemeinde und einer kleineren Liberalen Jüdischen Gemeinde in Magdeburg, die andere Vorstellungen von der Nutzung des Hauses hat. Im Mai 2022 gab es auf einem von der Stadt geschenkten Grundstück unweit des Mahnmals für die zerstörte alte Synagoge schließlich den symbolischen ersten Spatenstich für den Neubau. Im September folgte die Grundsteinlegung. 14 Monate später wird nun eröffnet.
Es ist binnen weniger Wochen der zweite derartige Anlass in Sachsen-Anhalt, dem einzigen Ost-Bundesland, in dem es zuvor seit 1990 keinen Neubau eines jüdischen Gotteshauses gab. Ende Oktober wurde in Dessau-Roßlau bereits die Weill-Synagoge eingeweiht. Ihr Name erinnert an den Komponisten Kurt Weill, der im Dessauer Rabbinerhaus seine Kindheit verlebt hatte. Der markante Bau, dessen mit Kupferblechen verkleideter zentraler Teil mit seiner runden Form an eine Tora-Rolle erinnern soll, ist nach den Worten des Dessauer Gemeindevorstehers Alex Wassermann der erste Neubau einer Synagoge in Sachsen-Anhalt »seit der Shoa«. Der Festakt, zu dem auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) anwesend war, stand stark unter dem Eindruck des Terrorangriffs der Hamas auf Israel vom 7. Oktober und der nachfolgenden Debatte um Sichtbarkeit und Sicherheit von Juden auch in der Bundesrepublik. Scholz betonte in Dessau: »Jüdisches Leben ist und bleibt ein Teil Deutschlands. Es gehört hierher.« Haseloff ergänzte, jüdische Menschen müssten sich »sicher fühlen, in Sachsen-Anhalt und weltweit«.
Zur Frage, wer diese Sicherheit gefährdet, gab es am 9. November, dem Jahrestag der Novemberpogrome von 1938, eine scharfe Kontroverse im Landtag. In der Debatte zu einer Regierungserklärung verstieg sich AfD-Fraktionschef Oliver Kirchner zu der These, antijüdischen Terror wie 1938 würde es »mit der deutschen Bevölkerung heute nicht mehr geben«. Er eiferte stattdessen gegen »importierten islamischen« Antisemitismus. SPD-Fraktionschefin Katja Pähle erinnerte angesichts der Ausfälle an den Terrorangriff am 9. Oktober 2019 auf die Synagoge in Halle (Saale), bei dem ein schwer bewaffneter Nazi aus dem sachsen-anhaltischen Mansfeld am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur ein Blutbad unter Besuchern hatte anrichten wollen. Nur glückliche Umstände verhinderten das. Zwei Menschen, eine zufällige Passantin und einen Besucher eines türkischen Imbisslokals, tötete er dennoch. Gegen Juden gerichteter Terrorismus wachse »auch in unserer Mitte«, betonte Pähle. Erhöhte Sicherheitsanforderungen nach dem Hallenser Anschlag trugen maßgeblich dazu bei, dass die Kosten für den Bau der neuen Magdeburger Synagoge am Ende doch auf 7,6 Millionen Euro stiegen.
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