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Überraschendes Aus für Atommülllager Würgassen
Ein geplantes Logistikzentrum im ostwestfälischen Kreis Höxter wird nicht gebaut. Seit Jahren kämpften Bürgerinitiativen gegen das Zwischenlager
Das schwer umstrittene Atommüllzwischenlager im nordrhein-westfälischen Würgassen, in dem die für das Endlager Schacht Konrad bestimmten schwach und mittelradioaktiven Abfälle gesammelt und gebündelt werden sollten, wird nicht gebaut. Auch anderswo in Deutschland werde es kein »Logistikzentrum für das Endlager Konrad« (LoK) geben, gab Bundesumweltministerin Steffi Lemke bekannt. »Wir haben uns dafür entschieden, das Verfahren zu beenden«, sagte sie am Dienstag in Berlin. Die Einrichtung lasse sich nicht mehr rechtzeitig realisieren, um wie ursprünglich geplant den Atommüll in das Endlager Konrad einlagern zu können, hieß es zur Begründung.
»Ein zu spät fertig werdendes Logistikzentrum wäre nach sorgfältiger Abwägung aller Fakten eine milliardenschwere Fehlinvestition, die es zu vermeiden gilt«, so Lemke. Insgesamt wurden für die LoK-Planung bislang rund 60 Millionen Euro ausgeben. Die – nun eingesparten – Kosten für den Betrieb des Zwischenlagers wurden auf knapp 2 Milliarden Euro geschätzt.
Lemkes Entscheidung kommt überraschend. Noch im August war die Entsorgungskommission des Bundes zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Logistikzentrum für die optimierte Anlieferung an das Endlager Konrad erforderlich ist. Die Standortsuche der bundeseigenen Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ), die zur Wahl von Würgassen führte, sei grundsätzlich plausibel.
Am Dienstagvormittag hatte sich bereits die nordrhein-westfälische Landesregierung gegen das Zwischenlager in Würgassen ausgesprochen. Weder die Standortauswahl noch die Notwendigkeit des Vorhabens seien bislang angemessen begründet worden, erklärte das NRW-Arbeitsministerium. Die rot-grüne Landesregierung Niedersachsens hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag ebenfalls gegen den Standort ausgesprochen.
Das LoK sollte auf dem Gelände des stillgelegten Kernkraftwerks Würgassen im Dreiländereck Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen entstehen. Die BGZ wollte dort eine 325 Meter lange, 125 Meter breite und 16 Meter hohe Halle bauen. Ab 2029 sollte sie sämtlichen in Deutschland angefallenen schwach und mittelradioaktiven Müll aufnehmen, der für die Endlagerung im Schacht Konrad im über 100 Kilometer entfernten Salzgitter vorgesehen ist, beispielsweise Pumpen, Rohre, Schutzkleidung, verstrahltes Abbruchmaterial aus den Atomkraftwerken, aber auch Abfälle aus Medizin und Forschung, insgesamt rund 300 000 Kubikmeter.
In seinen geschätzt 30 Betriebsjahren wäre das LoK quasi rund um die Uhr von Lastwagen und Zügen angefahren worden, die den strahlenden Schrott anliefern und, teils neu sortiert, wieder abholen und nach Salzgitter weitertransportieren sollten.
Bürgerinitiativen, Bürgermeister und Kommunalparlamente in allen drei Anrainer-Bundesländern machten seit Jahren gegen die Einrichtung mobil. Sie argumentierten, die BGZ habe den potenziell durch Hochwasser gefährdeten Standort ohne ein vernünftiges Genehmigungsverfahren und ohne Beteiligung der Öffentlichkeit durchgedrückt. Mit dem Zwischenlager werde sich zudem die Zahl der gefährlichen Atommülltransporte durch Deutschland deutlich erhöhen, die vorhandene eingleisige Bahnlinie werde völlig überlastet.
»Der unerschütterliche Einsatz der Gegner des Atommülllagers hat sich ausgezahlt«, kommentierte Dirk Wilhelm von der Bürgerinitiative »Atomfreies 3-Ländereck« die Entscheidung Lemkes. Unzählige Kommunen, Städte und Gemeinden aus nicht weniger als fünf Landkreisen und drei Bundesländern hätten seit März 2020 parteiübergreifend Seite an Seite gestanden, um das Unheil an der Weser abzuwenden. Wieder habe sich gezeigt: »Gemeinsam sind wir stark.«
Die BGZ erklärte, man werde sich jetzt auf Alternativen für die Belieferung des Endlagers Konrad konzentrieren. Dabei ist ungeklärt, ob das Endlager Konrad überhaupt in Betrieb geht. Denn die Umweltverbände BUND und Nabu haben beim zuständigen Land Niedersachsen den Widerruf der Baugenehmigung beantragt. Die Kritik: Konrad entspreche nicht dem Stand von Wissenschaft und Technik, es handele sich um ein altes Bergwerk, es habe kein vergleichendes Auswahlverfahren gegeben. Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) will noch vor Weihnachten bekannt geben, ob er dem Antrag stattgibt.
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