Kurt-Tucholsky-Museum in Not

Rheinsbergs Bürgermeister nennt Übernahmeangebot des Landkreises »nicht besonders attraktiv«

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Am Montagabend sollten die Stadtverordneten von Rheinsberg einen Beschluss zum Kurt-Tucholsky-Literaturmuseum fassen. Es sollte dabei aber zunächst noch nicht direkt darum gehen, ob die Stadt das Museum dem Landkreis Ostprignitz-Ruppin überlässt. Wie Bürgermeister Frank-Rudi Schwochow (Freie Wähler) am Vormittag erläuterte, sollten die Stadtverordneten lediglich entscheiden, ob ihr Bürgermeister Verhandlungen mit Landrat Ralf Reinhardt (SPD) aufnimmt. Die Verhandlungen selbst würden dann mindestens ein halbes oder ein dreiviertel Jahr dauern, schätzte Schwochow ein.

Er selbst sieht das Anerbieten des Landkreises Ostprignitz-Ruppin kritisch. »Das aktuelle Angebot ist nicht besonders attraktiv«, erklärte er. Denn der Landkreis würde die wertvollen Bestände des Museums übernehmen, aber die Stadt dafür nur von Ausgaben in Höhe von 80 000 Euro im Jahr entlasten. 170 000 Euro müsste die Stadt weiterhin für das Literaturmuseum aufbringen und hätte keinerlei Einflussmöglichkeiten mehr, gab der Bürgermeister zu bedenken. Bisher stehe das Museum als Anlagevermögen in den Büchern der Stadt. Würde dies mit der Übernahme des Museums durch den Landkreis entfallen, hätte die Stadt noch mehr Schwierigkeiten, einen Kredit aufzunehmen.

Hintergrund sind Schwochow zufolge finanzielle Schwierigkeiten. Im Sommer habe die Stadt für das laufende Jahr noch mit einem Haushaltsdefizit von neun Millionen Euro rechnen müssen. Mit Kürzungen in allen Bereichen sei dieses Loch fast vollständig gestopft worden. So seien sämtliche Investitionen gestoppt worden. Nicht mehr aufzuschieben sei aber die dringende Sanierung von Grund- und Oberschule. Vier Millionen Euro Fördermittel könne man dafür bekommen, müsse diese Summe aber mit drei Millionen Euro aufstocken. Für die drei Millionen Euro müsse ein Kredit aufgenommen werden. Das habe der Landkreis nur unter der Bedingung eines Haushaltssicherungskonzepts gestatten wollen, so Schwochow. Die Stadt sollte also offenlegen, wie sie durch Reduzierung ihrer Ausgaben und Steigerung ihrer Einnahmen garantieren wolle, dass sie den Kredit dann auch abzahlen könne.

Weil die Stadt bei der Hundesteuer, der Kurtaxe und anderen Einnahmen nach Überzeugung von Schwochow schon das maximal Mögliche verlange, sei auch das Tucholsky-Museum in den Blick geraten. Der Bürgermeister beteuerte am Montag: »Es redet in Rheinsberg nicht einer darüber, das Tucholsky-Museum zu schließen. Das will überhaupt niemand.« Man habe lediglich eine Einsparung erwogen, die sich daraus ergebe, dass Museumsdirektor Peter Böthig in den Ruhestand treten werde und die Rheinsberger Tourismusmanagerin Sigune Schmidt-Ulbrich gekündigt habe. Bei der fälligen Neuausschreibung habe man beide Stellen zusammenlegen wollen. Nehme nur eine Person beide Aufgaben wahr, würde dies 80 000 Euro sparen.

Der Plan löste Empörung aus, zumal befürchtet wurde, der in der Tourist-Information der Stadt am Ticketschalter beschäftigte Kreistagsabgeordnete Daniel Pommerenke (AfD) könnte den Posten bekommen und damit ausgerechnet in einem Literaturmuseum das Sagen bekommen, das dem von den Nazis verfolgten Schriftsteller Kurt Tucholsky (1890–1935) gewidmet ist. Seine Biografen gingen lange Zeit fest davon aus, dass sich Tucholsky im schewdischen Göteborg das Leben genommen hat. Die Überdosis Schlaftabletten, an der er starb, könnten aber auch ein Versehen gewesen sein. Sicher ist derweil, dass der gesundheitlich schwer angeschlagene Schriftsteller im Exil außerordentlich gelitten hat.

Bürgermeister Schwochow bescheinigt Pommerenke, dieser mache in seinem Job in der Tourist-Information ausgezeichnete Arbeit. Doch auch wenn Pommerenke als Museums- und Tourismuschef qualifiziert wäre – »er hat ja studiert« –, schließt der Bürgermeister aus, dass dieser die Stelle erhalten würde: »Praktisch wird das nicht passieren, definitiv nicht.«

Schwochow bedauerte, das Museum trage im laufenden Jahr mit 241 000 Euro zum Defizit der Stadt bei. »Hier brauche ich eine andere Unterstützung«, forderte er. »Ich habe jetzt an jeder Tür geklopft und überall eine Absage bekommen.« Von Bund und Land habe es nur gute Worte gegeben über die nationale Bedeutung des Literaturmuseums, aber keine zusätzlichen Mittel. Es sei ihm allenthalben gesagt worden, wenn man hier damit anfange, würden es auch andere Museen einfordern – und dies könne man sich nicht leisten.

Dazu hat der Stadtverordnete Freke Over (Linke) nun allerdings andere Erkenntnisse. Er hat die Antworten gelesen, die Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD) auf eine parlamentarische Anfrage der Landtagsabgeordneten Isabelle Vandré (Linke) gegeben hat. »Der Bürgermeister der Stadt Rheinsberg hat sich vor dem aktuellen Beschluss nicht an die Landesregierung gewendet«, so die Auskunft der Kulturministerin. Eine Bitte, die Fördermittel für das Museum zu erhöhen, stamme aus dem Jahr 2016. Damals hieß der Bürgermeister Jan-Pieter Rau (CDU). Das Land habe den Zuschuss damals von 30 000 auf 65 000 Euro im Jahr erhöht. Diese Summe sei auch im vergangenen Jahr gezahlt worden. Der Landkreis habe 14 800 Euro gegeben, die Stadt 180 550 Euro, der Bund nichts.

»Wir hatten schon befürchtet, dass sich die Erzählungen des Bürgermeisters, er hätte bei Gott, der Welt und der Landesregierung um Hilfe für das Museum gebeten, als heiße Luft entpuppen würden«, sagte der Stadtverordnete Over. »Jetzt ist klar: Außer einem Brief an den Ministerpräsidenten mit einem rechtlich unmöglichen Vorschlag vor fünf Jahren waren es tatsächlich wieder nur Geschichten.«

Seinerzeit hatte der Bürgermeister angefragt, ob das Land sich nicht daran beteiligen würde, den Kapitalstock bei einer 2011 gegründeten Stiftung der Stadt zu erhöhen, um aus den Zinserträgen einen Teil der Aufwendungen für das Museum zu bezahlen. Nach Auskunft der Kulturministerin dürfen Fördermittel für Kulturprojekte jedoch nicht derart eingesetzt werden. Freke Over zieht daraus die Schlussfolgerung: »Es geht anscheinend doch darum, was viele Freie Wähler unverhohlen sagen: Dass sie das Museum schließen wollen, weil ihnen Tucholsky politisch ein Dorn im Auge ist.«

Die Landtagsabgeordnete Vandré ergänzte: »Das Kurt-Tucholsky-Literaturmuseum ist eine Einrichtung kultureller Bedeutung, die weit über Rheinsberg hinaus strahlt.« Das Kulturministerium habe die Befürchtungen bestätigt, dass eine Zusammenführung der Museumsleitung mit der Tourist-Information ein qualitativer Einschnitt wäre und die Zukunft des Museums gefährden würde. »Deswegen muss diese Zusammenlegung abgewendet werden«, verlangte Vandré.

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