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Berliner Einzelhandel streikt bis Heiligabend
Beschäftigte treten vier Tage lang in den Ausstand, sie fordern im Tarifstreit Bewegung vom Arbeitgeber
Es kam wie angekündigt. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) hatte wiederholt darauf hingewiesen: Wenn es weder ein annehmbares Angebot noch Verhandlungen gibt, wird es zu Streiks im Weihnachtsgeschäft kommen. Das hatte auch der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke am vergangenen Freitag öffentlich betont.
Nun macht die Gewerkschaft in Berlin und Brandenburg den Anfang und ruft die Mitglieder vom 20. bis zum 23. Dezember zum Warnstreik auf. Die Verdi-Verhandlungsführerin für Berlin und Brandenburg, Conny Weißbach, sagt zu »nd«, dass auch in anderen Bundesländern Arbeitskampfmaßnahmen zu erwarten seien.
In Berlin und Brandenburg verhandelt Verdi seit Ende Juni mit dem Handelsverband Berlin-Brandenburg (HBB) über einen neuen Tarifvertrag, in anderen Bundesländern bereits seit dem Frühjahr. »Wir sind nicht mehr meilenweit voneinander entfernt«, sagt Weißbach, »aber einen Tarifvertrag light wird es mit uns nicht geben. Wir werden die Arbeitskraft nicht unter ihrem Wert verkaufen.«
Die Arbeitgeber hatten zuletzt Anfang November für einige Bundesländer einen Vertrag mit einer Mindestlaufzeit von 24 Monaten geboten. Dabei sollten die Löhne 2023 um sechs Prozent und 2024 um weitere vier Prozent steigen. Der Handelsverband bot zudem eine Inflationsausgleichsprämie von 750 Euro an.
Nachdem Verdi dies abglehnt hatte, kam es zu einem unverbindlichen Spitzengespräch auf Bundesebene. Dort sei vereinbart worden, auf regionaler Ebene zu weiteren Verhandlungen zusammenzukommen, sagt Weißbach. Das sei aber nie passiert.
Verdi spricht daher von einer »Blockadehaltung« und weist die Verantwortung für die Eingriffe ins Weihnachtsgeschäft der Arbeitgeberseite zu. Werneke sprach gegenüber der »Augsburger Allgemeinen« von einem »Tarifdiktat«, das durchgedrückt werden solle. »Ein so respektloses Verhalten gegenüber den eigenen Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft habe ich selten erlebt. Offenbar soll auf Zeit gespielt werden.«
Das letzte Angebot der Arbeitgeber käme mit einem umgerechneten Stundenlohnplus von 1,04 Euro einem deutlichen Reallohnverlust gleich, hieß es in einer Presseerklärung von Verdi. Die Gewerkschaft fordert 2,50 Euro und eine Laufzeit von zwölf Monaten.
»Wer mit einem Finger auf andere zeigt, zeigt in der Regel mit drei Fingern auf sich selbst zurück«, entgegnet Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des HBB. Im Gespräch mit »nd« sagte er, dass Tarifverhandlungen immer die Suche nach einem Kompromiss seien. »Ich habe es selten erlebt, dass ein Tarifpartner sich keinen Millimeter bewegt.«
Mit Blick auf die angekündigten Schritte der Gewerkschaft, sagt er, dass in Berlin und Brandenburg alle Läden offen gehalten werden könnten. »Wir müssen nicht mit den Zähnen klappern. Die Kunden nehmen davon nur Notiz, weil darüber berichtet wird.« Und: Es habe schon häufiger lange Tarifrunden gegeben.
Er verwies darüber hinaus auf die Lage in den Betrieben: »Jede Woche, jeden Tag haben wir Insolvenzmeldungen.« Die zwei sich überlagernden Krisen fänden im Einzelhandel statt und nicht nur außerhalb, entgegnete Busch-Petersen auf die Frage, ob denn in der aktuellen Runde nur Reallohnverluste drin seien. Überhaupt müsse man Reallohnverluste definieren, schließlich sei die Inflation zuletzt deutlich zurückgegangen.
Der Handelsverband Deutschland hatte in der Vergangenheit der Gewerkschaft vorgeworfen, die Verhandlungen zu blockieren, und seinen Mitgliedsunternehmen empfohlen, Lohnerhöungen abseits eines Tarifs vorzunehmen. Dem ist beispielsweise die Rewe-Gruppe gefolgt, zu der auch die Marke Penny gehört.
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In einigen Unternehmen verdienen die Beschäftigten jetzt schon mehr, als der Arbeitgeberverband vorschlägt. Dabei werde der Grundlohn aber weiter relativ niedrig gehalten, sagt Gewerkschaftssekretärin Weißbach. Den Ausschlag gäben Zusatzzahlungen wie beispielsweise das Weihnachtsgeld. »Diese Lohnpolitik dient dazu, ein niedriges Grundentgelt per Tarifvertrag durchzusetzen, der dadurch in seiner Funktion geschwächt wird.« Es verschleiere zudem, dass das Engagement der gewerkschaftsaktiven Beschäftigten zu den freiwilligen Erhöhungen geführt habe. Außerdem kann eine freiwillige Lohnerhöhung vom Unternehmen für künftige Beschäftigte zurückgenommen werden.
Weißbach sieht weitreichende Folgen der Unternehmenspolitik. Sie spricht von einer Abwanderung aus der Branche. Immer wieder berichteten in der Vergangenheit Beschäftigte gegenüber »nd« vom Personalmangel in den Filialen.
Heike Dumke ist Mitglied im Betriebsrat für Penny-Rewe im Norden von Berlin. Sie sagt, dass das Weihnachtsgeld, das das Unternehmen zahle, das Problem zwar abdämpfe, aber nicht darüber hinwegtäuschen könne, dass »das Geld vorne und hinten nicht reicht«.
»Die Kollegen fühlen sich veralbert. Es rührt sich nichts. Seit Mitte Oktober hat es keine neuen Verhandlungstermine gegeben«, sagt Dumke zu »nd«. An sich fiele es den Kolleg*innen schwer, im Weihnachtsgeschäft zu streiken, »aber wir wollen ja, dass es vorwärtsgeht«. Die Kund*innen müssten sich wieder auf teils leere Regale einstellen – durch Lieferengpässe und durch limitiertes Personal, das dann nur schwer zum Verräumen komme.
Ob denn wieder mit Schließungen ganzer Filialen wie im Sommer zu rechnen sei? »Wir können nicht vorhersehen, wie groß die Wut der Kolleg*innen ist. Es hängt immer davon ab, wer an den Tagen Dienst hat. Wenn mehr Streikerfahrene im Dienst sind, kann eine Filiale auch schon mal zu bleiben«, erklärt Dumke. Und Verhandlungsführerin Weißbach sagt: »Die Beschäftigten sind wirklich entschlossen und mutig, die wollen streiken, streiken, streiken. Da muss ich manchmal etwas bremsen.«
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