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Brasiliens nicht ganz so grüne Wasserstoffpläne
In Brasilien setzen wichtige Vorhaben auf die Nutzung von Strom aus Wasserkraftwerken
Noch im Vorfeld der 28. UN-Klimakonferenz (COP 28) in Dubai versprach Brasiliens Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva, sein Land werde in zehn Jahren das Saudi-Arabien der erneuerbaren Energien sein. Er setzt dabei auf den sogenannten grünen Wasserstoff, mit dem man insbesondere die Europäische Union beliefern und gleichzeitig Milliarden an Investitionen anlocken will. Unterstützt wird der größte Staat Südamerikas dabei von der deutschen Regierung, die bereits im August 2020 eine Allianz für grünen Wasserstoff, angeführt von der Deutsch-Brasilianischen Handelskammer in São Paulo und der in Rio de Janeiro, gründete.
»Grün« heißt, dass der Elektrolyseur für die Gewinnung von Wasserstoff mit Strom aus Erneuerbaren betrieben wird. Tatsächlich bewertet das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in einer kürzlich erschienenen Länderanalyse den brasilianischen Nordosten und insbesondere den Bundesstaat Rio Grande do Norte als einen der kostengünstigsten Standorte weltweit für die Produktion von »100 Prozent grünem Wasserstoff« aus Solarstrom und Windkraft. Hier betrügen die errechneten Kosten von Produktion, Verflüssigung und Transport per Schiff nach Deutschland für ein Kilogramm flüssigen Wasserstoff lediglich 5,71 Euro, anderswo seien es mehr als 7 Euro.
Auch deshalb hat die EU-Kommission in Zusammenarbeit mit dem brasilianischen Energieministerium 2 Milliarden Euro für den Bau einer Wasserstoffproduktions- und Exportanlage an der Küste des Nordostbundesstaates Piauí zugesagt. Das 10-Milliarden-Euro-Projekt des kroatischen Unternehmens Green Park Energy in Parnaiba soll im kommenden Jahr in Bau gehen und eines der bisher größten der Welt zur Herstellung von grünem Wasserstoff und auch von grünem Ammoniak als Wasserstoffspeicher mittels Solarstrom werden.
Ab 2026 soll die Erzeugungskapazität etwa 10 Gigawatt betragen – das entspricht der für 2030 geplanten Gesamtmenge in Deutschland. Der Energieträger wird per Schiff nach Kroatien transportiert und von der Insel Krk an industrielle Abnehmer in Europa weitergeleitet.
Im Nachbarstaat Ceará wiederum will der australische Konzern Fortescue für 5 Milliarden US-Dollar eine Wasserstofffabrik am Hafen von Pecém errichten. Sie soll ab 2027 mehr als 830 Tonnen des geruchlosen Gases pro Tag für den Export produzieren und in der Bauphase rund 5000 Arbeitsplätze schaffen.
Brasiliens größter Hersteller von Stickstoffdünger, das petrochemische Unternehmen Unigel, wiederum investiert derzeit in den Aufbau eines Produktionsstandortes im Nordoststaat Bahia. Der Industriekomplex von Camaçari bei Salvador soll in der Anfangsphase 10 000 Tonnen Wasserstoff und 60 000 Tonnen Ammoniak pro Jahr liefern. Bei der COP 28 gab es dafür die Auszeichnung »Energy Transition Changemakers«.
Brasiliens Regierung beziffert im nationalen Programm das jährliche Produktionspotenzial kohlenstoffarmen Wasserstoffs auf 1,8 Gigatonnen. Doch dieses hat nicht nur den Nordosten als Produktionsstandort im Auge und auch nicht nur Wind und Sonne als Stromlieferanten. »Energie aus Wasserkraftwerken gilt als eine der sichersten und saubersten«, meint das zuständige Ministerium.
Tatsächlich bezieht Brasiliens erste Produktionsanlage für grünen Wasserstoff seinen Strom vorrangig aus dem gigantischen Wasserkraftwerk Itumbiara in Zentralbrasilien mit einem rund 800 Quadratkilometer großen Stausee. Das bereits 2021 gestartete Projekt des heimischen Energiekonzerns Eletrobras hat eine Leistung von 2 Gigawatt.
Strom liefern auch auf dem Stausee schwimmende Solarpaneele mit einer Höchstleistung von 1000 Kilowatt. Für Eletrobras sind der Hybridcharakter und die Kombination der beiden Energiequellen die Stärken des Projekts. Der im vergangenen Jahr privatisierte Konzern hat zudem internationale Investoren dazu eingeladen, Wasserstoffprojekte selbst in Amazonien zu realisieren.
Im südostbrasilianischen Bundesstaat Rio de Janeiro wiederum will der Staatskonzern Eletronuclear Wasserstoff mittels seiner Kernkraftwerke produzieren. Noch vor der COP 28 präsentierte der Betreiber ein Projekt zur Erzeugung von 100 Tonnen grünem Wasserstoff aus Strom und Kühlwasser der beiden betagten Atommeiler Angra 1 und 2. Mit der von der Regierung beabsichtigten, umstrittenen Fertigstellung des dritten Reaktors könnte die Produktionskapazität dann auf 167 Tonnen pro Jahr gesteigert werden.
Grüne Wasserstoffpläne gibt es auch im Nachbarbundesstaat São Paulo. Doch dort soll er mittels Zuckerrohr-Ethanol und Vinasse, einem Nebenprodukt aus der Alkoholherstellung, erzeugt werden. Im Rahmen des vom Energiekonzern Shell, dem Autohersteller Toyota und dem brasilianischen Unternehmen Raízen kofinanzierten Forschungsprojekts soll eine Pilotanlage mit einer Kapazität von rund 40 Tonnen Wasserstoff pro Jahr entstehen, die im zweiten Halbjahr 2024 in Betrieb gehen soll.
Kritiker warnen, wegen der möglichen Nutzung von großen Wasserkraftwerken könnte der Wasserstoff-Hype zum Bau von neuen, ökologisch wie sozial katastrophalen und zur Regenwaldvernichtung beitragenden Staudämmen führen. Dies zumindest befürchtet der Amazonas-Forscher Philip Martin Fearnside vom Forschungsinstitut INPA in Manaus. Tatsächlich wollen Regierung und Eletrobras in der größten Regenwaldregion der Erde bis zum Jahr 2030 drei große Staudämme in verschiedenen Bundesstaaten errichten. »Diese befinden sich noch in der Genehmigungsphase, und ihr Bau hat noch nicht begonnen«, so der Wissenschaftler. Er fordert die Lula-Regierung auf, diese Pläne aufzugeben.
Nach Meinung Fearnsides ist es richtig, die enormen Potenziale der Solar- und Windenergie in Brasilien zu erschließen. Diese Energie sollte die Regierung aber nicht in Form von grünem Wasserstoff exportieren, bevor die Nutzung fossiler Brennstoffe zur Stromerzeugung im eigenen Land ersetzt ist und die Pläne für weitere Wasserkraftwerke im Amazonasgebiet aufgegeben werden. Staudämme als Energiequelle haben, so Fearnside, sehr schwerwiegende soziale und ökologische Auswirkungen im Amazonasgebiet, und sie sind darüber hinaus eine Quelle für Emissionen des Treibhausgases Methan.
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