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Auftakt für die Lausitzschiene
Strecke Berlin-Cottbus soll ab Ende 2027 durchgängig zweigleisig sein
Auch bei Projekten, die seit vielen Jahren vorbereitet werden, kommt es mitunter auf den Tag an. »Wir haben knapp einen Tag vor der Haushaltssperre diese Finanzierungsvereinbarung unterschrieben. Und mit diesem Glücksgriff haben wir dieses Projekt gerettet«, sagt Susanne Henckel, parteilose Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium von Volker Wissing (FDP).
Mit diesem Projekt meint die Staatssekretärin den zweigleisigen Ausbau der 29 Kilometer langen Bahnstrecke zwischen Lübbenau und Cottbus. Bis Ende 2027 soll damit das letzte Stück der Verbindung nach Berlin ebenso leistungsfähig sein wie der Rest der Strecke. Somit soll die Lausitzmetropole dann im Halbstundentakt an die Hauptstadt angebunden sein. Auch der eine oder andere Fernzug soll dann Cottbus erreichen – und zwar möglichst schneller als bisher. Anderthalb Stunden dauert die Zugfahrt derzeit. Der einzige Intercity pro Tag ist sagenhafte zwei Minuten schneller als der RE2.
Die letzte unerwartete Klippe bei der Finanzierung wäre die vor knapp einem Monat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit dem Klima- und Transformationsfonds verhängte Haushaltssperre im Bund gewesen. Doch die konnte umschifft werden. Dementsprechend gelöst ist die Stimmung auf dem Lübbenauer Bahnhof beim Pressetermin am Dienstagvormittag.
»Man könnte ja sagen, 29 Kilometer, zweites Gleis, das ist ja eigentlich – warum versammeln wir uns da hier?«, wirft Alexander Kaczmarek in die Runde. Der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern stellt die Strecke in einen größeren Zusammenhang. Nicht nur wegen der größeren Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit, obwohl die schon für sich genommen ein großer Fortschritt wäre.
Kaczmarek stellt auch auf den größeren Zusammenhang der Strecke ab, nämlich als Teil der Verbindung von Berlin nach Görlitz und weiter nach Polen. Vielleicht werde die Strecke so wieder eine überregionale Bedeutung erhalten. »Diese Hoffnung haben wir zumindest gemeinsam«, so der Bahn-Verantwortliche.
Damit deutet Alexander Kaczmarek auf ein Problem, das Wirtschaft und Politik nicht nur in beiden Teilen der Lausitz, sondern in ganz Brandenburg und Sachsen umtreibt: Eigentlich gibt es mit dem Investitionsgesetz Kohleregionen einen verbindlichen Rahmen für milliardenschwere Investitionen gerade in den Ausbau des Eisenbahnnetzes in der Lausitz und von dort nach Leipzig und Dresden, der den Strukturwandel während des Braunkohleausstiegs befördern soll.
Die Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage des Brandenburger Bundestagsabgeordneten Christian Görke (Linke) von Ende November ergab, dass das vorgesehene Ende der Planungen und damit der mögliche Beginn vieler Schienenausbauten in der Region um ein bis drei Jahre nach hinten verschoben oder die Pläne noch gar nicht beschlossen worden sind. Zum Beispiel der Ausbau der 84 Kilometer langen Strecke von Cottbus nach Görlitz, wo derzeit Dieseltriebwagen auf einem Gleis tuckern: Anstatt 2031 wird sie frühestens 2034 zweigleisig, elektrifiziert und auf Tempo 160 ausgebaut.
Die Betonung liegt auf »frühestens«. Für die Strecke nach Görlitz gelte es, »diese Planung abzuschließen, um dann eine vernünftige Zeitplanung zu machen. Ich kann weder 2034 noch ein anderes Datum bestätigen«, sagt Verkehrs-Staatssekretärin Susanne Henckel zu »nd«.
»Statt der viel beschworenen Planungsbeschleunigung verlängern sich die Planungszeiten und damit die Realisierungen erheblich«, sagt Linke-Parlamentarier Christian Görke zu »nd«. Das sei »ein Schlag in die Magengrube für die gesamte Lausitz«. Er fordert »die Gründung einer länderübergreifenden Planungsgesellschaft, in der sich die Länder Brandenburg, Berlin und Sachsen gemeinsam mit der Deutschen Bahn AG gezielt um i2030 und die Lausitz-Projekte kümmern«.
»Wir können uns die Planer nicht backen«, sagt Susanne Henckel zum sich seit Jahren verschärfenden Fachkräftemangel, der genauso die bauliche Umsetzung der Vorhaben betrifft. »Gleichzeitig sind Projekte aber auch dann immer gut in der Planung vorangekommen, wenn viele Beteiligte diese Projekte umsetzen wollen. Das ist hier in der Region der Fall«, so Henckel weiter.
Das ist auch beim Ausbau zwischen Lübbenau und Cottbus der Fall. Das Land Brandenburg ist mit zehn Millionen Euro für die Planungskosten in Vorleistung gegangen. Insgesamt wird der Ausbau der 29 Kilometer nach Angaben der Deutschen Bahn 265 Millionen Euro kosten. Das Geld kommt aus dem Strukturwandelfonds.
Zahlreiche Brücken und Bahnübergänge müssen für das zweite Gleis verbreitert werden, außerdem führt die Strecke über drei Moorlinsen. In diesen Bereichen muss der Untergrund unter dem Bahndamm tragfähiger gemacht werden. In Extremfällen müssen an solchen Stellen im Boden versenkte Brücken gebaut werden. Der Aufwand ist nach Abschluss der Maßnahme nicht mehr zu erkennen.
Die Freude, dass es nun ab Lübbenau weitergeht, ist auch bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Cottbus groß. Aber auch die Ungeduld. Nur dank des Landes Brandenburg hätten die Planungen für diese Strecke bereits 2016 begonnen. Sie sollen 2025 fertig sein. Solche Zeithorizonte brächten das Land ins »Hintertreffen« und »die Region mit Blick auf den Kohleausstieg 2038 in eine große zeitliche Bedrängnis«, kritisiert IHK-Generalmanager Jens Krause. Erst bei drei von 13 weiteren Eisenbahn-Maßnahmen hätten die Planungen begonnen.
Er wünsche sich, »dass wir jetzt schnell vorankommen«, sagt Brandenburgs Infrastrukturminister Rainer Genilke (CDU). Zwar seien Bahngeräusche nicht für jeden Musik in den Ohren. Aber: »Wir sind schon froh, wenn wir Bahngeräusche hören; dann fährt sie wenigstens«, so Genilke weiter.
Auch Michael Wedel, Vorsitzender des Deutschen Bahnkundenverbands Nordost, freut sich über den Fortschritt in der Lausitz. Er fordert, dass auch energisch der Ausbau der Ostbahn angegangen wird. Auf der einstigen Hauptstrecke von Berlin ins heutige Kaliningrad fahren auf dem nach den Reparationen an die Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg verbliebenen Gleis Dieseltriebzüge ins polnische Kostrzyn. Die Strecke wird gerade für den Güterverkehr dringend als Bypass für die überlastete Verbindung nach Frankfurt (Oder) benötigt. Anfang November legte der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg eine Studie vor, laut der bis 2036 die Elektrifizierung und der Wiederaufbau des zweiten Gleises auf Teilstrecken möglich wäre.
Gefeiert wird bei der Bahn zunächst erst mal wieder in Cottbus. Am 11. Januar soll das dortige neue ICE-Instandhaltungswerk in Betrieb gehen.
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