- Kultur
- Russland
Artjom Kamardin: Dichter in Haft
Kritische Lesung bringt Artjom Kamardin ins Straflager
Der 33-jährige Dichter Artjom Kamardin wurde am 28. Dezember von einem Moskauer Gericht zu sieben Jahren Straflager verurteilt. Der Vorwurf: Er habe Hass gegen die Streitkräfte der sogenannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk (also unter anderem die russischen Besatzer in der Ostukraine) geschürt und zu Aktivitäten gegen die Staatsgewalt aufgerufen. Kamardin hatte im September 2022 an einer Protest-Lesung gegen den Krieg und die Mobilmachung auf dem Triumfalnaja-Platz in Moskaus teilgenommen. Vor dem Denkmal für den sowjetischen Dichter Majakowski fanden dort seit 1958 Lesungen statt. 1961 kam es dabei zu Auseinandersetzungen: Die Organisatoren wurden damals wegen »antisowjetischer Propaganda« zu fünf bis sieben Jahren Lagerhaft verurteilt. 2009 wurden die Lesungen wieder aufgenommen. Kamardin trug dort im September 2022 sein Gedicht »Töte mich, Milizionär!« vor, das staatliche Repressionen und indirekt auch den Krieg in der Ukraine kritisiert.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Einen Tag später stürmten Polizisten Kamardins Wohnung, bedrohten, misshandelten und verhafteten ihn. Er wurde gezwungen, sich vor laufender Kamera auf Knien für seine »antirussischen Aussagen« bei der Lesung zu entschuldigen, wie das Oppositionsmedium »Meduza« berichtete. Außerdem soll Kamardin von den Polizisten geschlagen und mit einer Hantel vergewaltigt worden sein. Der Dichter saß über ein Jahr in Untersuchungshaft, bevor sein Urteil verkündet wurde. Während einer Prozessanhörung sagte Kamardin laut »Meduza«: »Sie verdächtigen mich, zum Hass aufgestachelt zu haben, obwohl es mir überhaupt nicht um Hass geht. Ich bin Pazifist, ich bin gegen Kriege, gegen das, was wir Spezialoperation nennen.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.