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Regierungswechsel in Liberia: Boakai übernimmt von Weah

Im westafrikanischen Liberia gelingt der demokratische Regierungswechsel

  • David Bieber
  • Lesedauer: 4 Min.
Joseph Boakai war einst Vizepräsident und übernimmt am 22. Januar als Präsident die Regierungsgeschäfte in Liberia.
Joseph Boakai war einst Vizepräsident und übernimmt am 22. Januar als Präsident die Regierungsgeschäfte in Liberia.

An Vorbereitungszeit fehlt es nicht: Am 22. Januar übernehmen in Liberia Joseph Boakai und Vizepräsident Jeremiah Koung das Regierungszepter von Ex-Weltfußballer George Weah, der als Präsident mit der ehemaligen First Lady Jewel Howard-Taylor als Vizepräsidentin an seiner Seite derzeit noch Liberia regiert.

Boakai ist Mitte November zum neuen Präsident des kleinen westafrikanischen Staates gewählt worden. Der 79-Jährige ist der neue starke Mann im Staat. Er gehört der Einheitspartei (UP) an und ist kein Unbekannter in der politischen Landschaft des früheren Bürgerkriegslandes. Er war bis 2017 zwölf Jahre lang Vizepräsident unter der ersten gewählten Präsidentin Afrikas, Ellen Johnson-Sirleaf, der Friedensnobelpreisträgerin von 2011. Bereits in den 80er Jahren war er Landwirtschaftsminister und leitete Projekte zur Dezentralisierung des Agrarsektors.

Boakai gelingt die Revanche

2017 an Weah noch gescheitert, klappte für Boakai nun die Revanche. Er übernimmt für sechs Jahre die Herrschaft über das Land mit knapp fünf Millionen Einwohnern. Joseph Boakai versprach, die Infrastruktur auszubauen, Investoren und Touristen anzulocken und die Lebensbedingungen der Ärmsten zu verbessern – in einem Land, in dem mehr als ein Fünftel der Bevölkerung von weniger als 2,15 US-Dollar pro Monat lebt, berichtet das Magazin »Jeune Afrique« unter Berufung auf die Weltbank. Er sei entschlossen, »Millionen von Liberianern zu helfen, die mit bitterer Armut, Krankheit, Unwissenheit und Unsicherheit konfrontiert sind«.

Boakai sprach gegenüber der Nachrichtenagentur AFP von einem »weichen und friedlichen« Übergang und davon, dass er eine »radikale« Reform des Sicherheits- und Justizwesens durchführen wolle. Zudem muss Boakai zufolge der Rechtsstaat deutlich gestärkt werden.

In einem BBC-Interview vor der Wahl sagte Boakai überdies, er wolle in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit sicherstellen, dass kein Auto mehr im Schlamm stecken bleibe. Auch müssten Lebensmittelpreise sinken und die landwirtschaftliche Produktion erhöht werden.

Boakai konnte Allianzen mit örtlichen Baronen schmieden, das hat ihm wahrscheinlich auch den Erfolg beschert. Wie »Jeune Afrique« weiter berichtet, konnte Boakai etwa den ehemaligen Warlord und Senator Prince Johnson für sich gewinnen, der vor sechs Jahren noch Amtsinhaber George Weah unterstützte.

Trotz Ausschreitungen mit einem Dutzend Toten im Wahlkampf und nach der nötig gewordenen Stichwahl vom 14. November gelingt Liberia zum zweiten Mal seit dem Ende des Bürgerkrieges von 2003 ein friedlicher politischer Machtwechsel. »Da die Demokratie in Westafrika unter Druck steht, ist es ein bemerkenswerter und wichtiger Schritt mit Symbolkraft für die Konsolidierung demokratischer Verfahren weit über Liberia hinaus, dass der unterlegene Präsidentschaftskandidat George Weah die Niederlage, zumal bei einem so knappen Wahlausgang, akzeptiert hat«, erklärte Jan Sändig, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Soziologie Afrikas an der Universität Bayreuth, gegenüber »nd«.

Die von der liberianischen Wahlkommission veröffentlichten Ergebnisse nach der Stichwahl von Mitte November ergaben einen hauchdünnen Sieg für Boakai. Mit 50,89 gegen 49,11 Prozent setzte sich Boakai gegen Weah durch.

Es war die erste Wahl ohne die Anwesenheit der Mission der Vereinten Nationen in Liberia. Sie organisierte bis 2018 alle Wahlen in dem früheren Bürgerkriegsland, das nach 14 blutigen Jahren mit mehr als 250 000 Todesopfern 2003 endlich Frieden schloss. Die meisten Kriegsverbrecher blieben jedoch straffrei.

Antrittsbesuch in den USA

Liberia ist in Afrika ein besonderes Land, das 1848 von befreiten Sklaven aus den US-amerikanischen Südstaaten gegründet wurde. Seine Unabhängigkeit liegt damit weit vor der anderer afrikanischer Länder, die mit Ausnahme von Äthiopien von den Europäern unterjocht worden waren.

Boakai weilte im Dezember in den USA, um mit hochrangigen politischen Entscheidungsträgern zusammenzutreffen. Dabei bekräftigte der designierte Präsident, dass er entschlossen sei, die Rechenschaftspflicht seiner Regierung zu gewährleisten, und dass er zunächst dafür sorgen werde, dass die scheidende Regierung überprüft wird. Bei einem Frühstückstreffen am runden Tisch mit politischen Entscheidungsträgern aus dem Weißen Haus, den Ausschüssen des Kongresses für die Bewilligung ausländischer Mittel, dem Außenministerium, dem Handelsministerium und anderen stieß dies auf positive Resonanz.

Er hatte auch separate Treffen mit dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und der US-Entwicklungsagentur USAID. An internationalem Rückhalt fehlt es Boakai zum Amtsantritt jedenfalls nicht. Bei der Amtseinführung am 22. Januar werden viele hochrangige Gäste erwartet.

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