Heitere Empfindungen

Die Platte für den Spätsommer: »No. 2« von Erobique

  • Samuel Logan
  • Lesedauer: 3 Min.

Das ist die perfekte Platte für ein warmes, glückliches Sommerende: »No. 2« von Erobique. Unbedingt anhören, Ende der Rezension. Nein, so kann man es doch nicht machen und so will man es nicht machen. Musikkritik ist keine Kaufempfehlungen diktierende Reklame, und Musik oder gute Musik ist keine Saisonware. Aber das stimmt nun auch wieder nicht: Beethovens sechste Symphonie ist wahrscheinlich die erste Urlaubsplatte der Musikgeschichte. Überschrift des ersten Satzes: »Angenehme, heitere Empfindungen, welche bei der Ankunft auf dem Lande im Menschen erwachen«. Heitere und angenehme Empfindungen wiederum löst die neue Platte von Erobique aus, mit der wir uns nun endlich beschäftigen sollten.

Vorne auf dem Klappcover leiht eine Möwe Erobique ihren Flügel, auf dem der Musiker wiederum die Tasten drückt (ein schönes grafisches Wortspiel) und innen wartet ein Pfau. Die beiden Vögel repräsentieren wichtige Eigenschaften der hier gespielten Musik: Manchmal ist sie frisch, leicht und frech, in anderen Momenten hingegen sinnlich, schwer und balzend. Strand und Disco.

Die Zutaten für diesen Cocktail: Soul, Funk, (Italo-) Disco, Jazz und ein klein wenig Hip-Hop beziehungsweise House, die ja Derivate der anderen genannten Genres sind. In »Hitsong von uns Beiden«, dem fiebrigen Höhe- und Schlusspunkt der Platte, verrät Erobique das Rezept: »So ein Bass muss sein, wie ein Gummiband / das man zwischen den Fingern spannt / Boing boing, Boing boing / Und dann kommt das Klavier / und macht die großen Gefühle«, wobei diese eher intensiv als erhaben sind: Freude, Lust, Aufregung. Das im pathetischen Sinne Große ist Carsten Meyers Sache nicht: hier werden keine tiefgründigen Themen behandelt und es gibt keine musikalischen Pionierleistungen. Alles hier hat man schon oft gehört, aber selten so gut.

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Das ist Handwerk, aber Handwerk ist ein nicht unerheblicher Teil der Kunst (zwei Begriffe, die in vielen Sprachen miteinander verwandt sind). Und als Künstler hat Erobique nicht nur einen Sinn für das Schräge (so verbirgt sich hinter dem Titel »Zukunftsmusik« ein tüdeliges Blockflötenstück), sondern auch eine hohe Sensibilität für formale Aspekte wie die Dramaturgie: die Instrumentalstücke überwiegen, aber auf jeder der vier Seiten befindet sich ein herausragendes Stück mit Gesang. Spannung wechselt sich mit Entspannung ab. Die meisten Stücke sind eher was für die Beine, aber ab und zu gibt es auch was für den Kopf. Wobei der bei sommerlicher Hitze natürlich anders funktioniert als üblich: die assoziativen Texte loten die Untiefen zwischen Tiefsinn und Unsinn aus, so etwa beim grandiosen »Arpeggiator« oder »Synästhesie«.

Charmanten Quatsch gibt es hingegen im Lied über den »Ravedave« (beziehungsweise Rrreyfdeyf, wie der Name hier ausgesprochen wird), und einfach nur charmant ist »Salut Les Copines!«. Eines der besten Stücke ist »Verkackt«, dessen Text nur aus einer ständig wiederholten Zeile besteht: »Wir ha’m alles verkackt, wir ha’m alles in den Sand gesetzt, wir ha’m alles verkackt«. Der gedehnte, selbstbewusste Tonfall, mit dem das vorgetragen wird, widerspricht der nominellen Aussage. Wer so schön scheitert, hat eigentlich gewonnen.

Ein Gewinn ist »No. 2« auf jeden Fall: Sommermusik zum Träumen und Tanzen. Getanzt wurde übrigens auch in »No. 6« von Beethoven (dritter Satz: »Lustiges Zusammensein der Landleute«), und die Bezeichnung »Donner, Sturm« passt perfekt zum letzten Track des Albums. Auf ein Dénouement hat Erobique wohlweislich verzichtet, aber »Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm« (fünfter Satz) stellen sich nach dem Hören dieses Albums eindeutig ein.

Erobique: »No. 2« (A Sexy Records/ Broken Silence)

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