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- Nigerianischer Film »Mami Wata«
»Mami Wata« im Kino: Angriff auf die Göttin des Meeres
C. J. Obasi erzählt in seinem Film »Mami Wata«, wie zwei Schwestern in einem westafrikanischen Dorf um ihre spirituellen Traditionen kämpfen
Weiß leuchtet die Gischt in der dunklen Nacht. Tosendes Meeresrauschen, ansonsten: Stille. Eine junge Frau sitzt gedankenverloren am Strand und flicht ihr Haar. »Zinwe«, ertönt eine Stimme. Die junge Frau hebt den Kopf. Wer ruft ihren Namen? Ist es das Meer? Sie steht auf, geht mit langsamen Schritten in Richtung der tosenden Wellen.
Szenenwechsel. Zinwe (Uzomaka Aniunoh) sitzt mit mehreren Frauen in einem Raum zusammen. In der Mitte thront Mama Efe (Rita Edochie), Zinwes Mutter, im gemusterten Gewand und mit einer großen, muschelbestickten Haube. Eine andere Frau sitzt vor ihr auf dem Teppich und berichtet über den Verlust eines Kindes. Sie sucht Rat bei Mama Efe. Denn diese fungiert als Vermittlerin zwischen den im Dorf lebenden Menschen und der Meeresgöttin Mami Wata, nach der der dritte Spielfilm des nigerianischen Regisseurs C. J. Obasi benannt ist.
Im Abspann wird der Streifen als »westafrikanische Folklore« bezeichnet. In Kritiken ist auch von einem »Fantasy-Thriller« die Rede. C. J. Obasi spielt in seiner Parabel »Mami Wata« mit Merkmalen verschiedener Genres und bezieht sich auf verschiedene Elemente westafrikanischer Mythologie – wie den Glauben an die mächtige Meeresgöttin. Der Begriff »Mami Wata« stammt aus dem Pidgin-Englisch und bedeutet »Mutter des Wassers«.
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Der Film spielt in dem kleinen, isolierten Dorf Iyi, in dem die Menschen Mami Wata verehren und sich Mami Efe anvertrauen, die die Macht hat, mit der Göttin zu kommunizieren. Doch gleich zu Beginn zeigen sich Reibungen. Zum einen innerhalb der Familie: Zinwe klagt ihre Mutter an, weil diese der Mutter des toten Kindes nicht geholfen hat. Sobald sie selbst Vermittlerin zu Mami Wata sei, werde sie alles anders machen, kündigt Zinwe an.
Mit Kritik wird Mama Efe auch in der Dorfgemeinschaft konfrontiert, denn es werden Zweifel an ihren Fähigkeiten laut. Als sie es nicht schafft, einem kranken Jungen zu helfen, sehen einige Bewohner*innen dies als Beweis für Vermutungen, die sie schon länger hegen. »Diese Frau, die ihr Mama Efe nennt, hat keine Kraft«, ruft ein Mann nach dem Tod des Kindes. Andere Dörfer hätten sich weiterentwickelt. Sie verfügten über Elektrizität, Schulen, fließendes Wasser und Krankenhäuser. Und was ist mit Iyi? Der Dorfbewohner vermittelt den Eindruck, es handele sich um ein rückständiges Dorf, das zweifelhaften Mächten anhängt.
Der Tod des Jungen bringt Mama Efes zweite Tochter Prisca (Evelyne Ily) dazu, einen Arzt ins Dorf einzuladen, der Impfstoffe mitbringt. Das werde Kinder vor Krankheiten schützen, sagt er. Doch Mami Wata ist dagegen und schickt ihn weg. »Es gibt keinen Virus in meinem Dorf«, sagt sie und betont, dass die Gemeinschaft beschützt sei. »Ihr Männer der westlichen Wissenschaft. Was wisst ihr jenseits von euren Büchern?« Prisca sieht das anders. »Dieser Mann ist ein Arzt, der unsere Kinder retten will.«
»Mami Wata« erzählt von Annäherungen, aber auch vom Aufeinanderprallen unterschiedlicher Ideen- und Glaubenswelten – sowie den Fragen, Konflikten und Kämpfen, die das mit sich bringt. Mythos und Realität verweben sich miteinander und begegnen sich in konfliktbehafteten Konstellationen. Der langsam erzählte, bildgewaltige Film vermittelt eine sehr eigene Stimmung und Ästhetik. Kunstvoll komponierte Schwarz-Weiß-Bilder muten zunächst wie eine märchenhafte, phasenweise unheimliche Geschichte aus vergangenen Zeiten an. Regisseur C. J. Obasi arbeitet eher sparsam mit Musik und Naturgeräuschen, setzt diese dafür umso wirkungsvoller ein. Visuell wie akustisch lohnt es, diesen Film im Kino auf großer Leinwand anzusehen.
Opulente Kostüme mit gemusterten Stoffen, komplizierte Frisuren und weiße, feine Gesichtsbemalungen kennzeichnen die prächtige, mit viel Aufwand gepflegte Kultur des Dorfes. Doch der Eindruck einer schönen, heilen Welt wird immer wieder gebrochen, wenn Artefakte der modernen Welt ins Spiel kommen, seien es Motorräder, Kleidung oder Gewehre. Denn so zart und poetisch »Mami Wata« bisweilen ist, so intensiv und brutal ist er auch.
Eines Tages taucht ein fremder Mann im Dorf auf, angeschwemmt vom Meer. Prisca rettet Jasper (Emeka Amakeze) und kümmert sich um ihn. Doch ebenso plötzlich wie unerwartet stellt sich dieser an die Spitze einer Bewegung, die gegen die traditionellen Strukturen im Dorf rebelliert und die Existenz von Mami Wata infrage stellt. Die Rebellen töten schließlich Mama Efe, die Repräsentantin der Wassergöttin. Die neuen Machthaber versprechen Elektrizität, Schulen, ein besseres Leben – und lösen nichts davon ein.
Als Beweis dafür, dass Mami Wata nicht existiert, wollen die Rebellen Zinwe im Meer ertränken. Soll die Göttin ihr doch zu Hilfe eilen. Wer sie tatsächlich aus dem Wasser fischt, ist ihre Schwester Prisca. Von nun an sind es die beiden, die für die Traditionen einstehen und für die Dorfgemeinschaft kämpfen. »Mami Wata« ist auch ein Film über weibliche Autorität und zwei Schwestern, die ihren eigenen Weg in einer sich wandelnden Welt finden.
Regisseur C. J. Obasi, der den Spitznamen »Fiery« (feurig) trägt, stammt aus der Kleinstadt Owerri im Südosten Nigerias. Er sah in seiner Jugend Horrorfilme, las Romane von Stephen King und zeichnete Comics, die auf seinen Lieblingsfilmen und Geschichten von Superhelden basierten. Später studierte er Informatik, bevor er seine Karriere als Filmemacher begann. Sein dreiteiliger Spielfilm Juju Stories (2021), der urbane Erzählungen und mythische Geschichten im zeitgenössischen Lagos ansiedelt, feierte seine Premiere beim Filmfestival von Locarno und gewann den Spezialpreis Boccalino d’oro für den besten Film, den Schweizer Filmkritiker*innen jährlich vergeben.
Obasis Film »Mami Wata« feierte vor knapp einem Jahr beim Sundance-Festival in den USA Premiere und gewann dort den Special Jury Award Cinematography. Seitdem wurde der Film bei verschiedenen Festivals gezeigt – unter anderem beim Filmfest München – und läuft momentan in den deutschen Kinos.
»Mami Wata«, Nigeria 2023. Regie und Buch: C. J. »Fiery« Obasi. Mit: Rita Edochie, Uzomaka Aniunoh, Evelyne Ily. 107 Min. Jetzt im Kino.
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