PiS: Weiter aufpeitschen und polarisieren

Polens ehemalige Regierungspartei PiS fühlt sich als Opfer eines Staatsstreichs und ruft zum Protest

  • Katja Spigiel
  • Lesedauer: 4 Min.

Inzwischen versammeln sie sich täglich: polnische-Flaggen-schwenkende Menschen vor dem TVP-Gebäude in Warschau. Über Jahre hatte die rechtsnationalistische PiS öffentlich-rechtliche Medien zu ihren Staatskanälen ausgebaut. Seitdem ihnen die neue Regierungsmehrheit die Kontrolle darüber entzogen hat, werfen Politiker*innen der Partei mit Vorwürfen wie dem eines Staatsstreichs oder eines Attentats auf die Medien um sich.

Der Privatsender TV Republika, auf PiS-Linie, fasst Bilder der ritualhaften Verabredungen in der Hauptstadt in einem Spot zusammen. Die Nationalkonservativen wollen ihre Anhängerschaft so zu einem noch größeren »Protest der freien Polen« am Donnerstag mobilisieren. Es sei die »erste PiS-Massenkundgebung«, beschreibt Peter Oliver Loew. Der Historiker und Direktor des Deutschen Polen-Instituts erinnert im »nd«-Gespräch daran, dass die neue Regierung vor vielen Herausforderungen stehe. Die hängen mit dem Vorhaben zusammen, Veränderungen aus acht Jahren PiS zurückzudrehen und Polen »wieder zu einem Rechtsstaat zu formen«.

Veurteilte Politiker heizen den Protest an

Im TV-Republika-Clip zeigen sich Menschen mit ihrem Bücherregal oder dem Weihnachtsbaum im Hintergrund und sprechen ihre Unterstützung für den Protest aus. »Weil ich Polen liebe«, heißt es. Das Video endet mit dem Appell: »Verteidigen wir Polen.« Damit auch genügend »Verteidiger« kommen, hat die PiS Busse aus dem ländlichen Raum organisiert.

Ursprünglich sollte es beim Protest um die Umgestaltung der Öffentlich-Rechtlichen gehen. Die Verhaftung von zwei rechtskräftig verurteilten Politikern der PiS hat den Fokus aber verschoben. Ex-Innenminister Mariusz Kamiński und sein ehemaliger Staatssekretär Maciej Wąsik haben am Dienstag im Palast des PiS-nahen Präsidenten Andrzej Duda Schutz gesucht. Einer Verhaftung konnten sie aber nicht entgehen. Ein Gericht hat die beiden in einem Berufungsverfahren wegen Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt. In einem ersten Verfahren 2015 hat Duda sie begnadigt. Nun erklärte das Oberste Gericht die Begnadigung für nicht rechtmäßig, da das Verfahren damals noch im Gange war. Die PiS erhebt nun den Vorwurf der politischen Gefangenschaft. Auch Duda zeigt sich empört und will die beiden erneut begnadigen. Seine im Präsidentenpalast empfangenden Gäste seien »kristallklar ehrliche Menschen«. Kamiński protestiert derweil mit einem Hungerstreik gegen seine Haft.

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Historiker Loew nennt das einen »perfiden Diskurs«. Duda hätte zu einem überparteilichen Schiedsrichter werden können. »Es sieht aber nach Selbstzerfleischung und Staatskrise ohne Ende aus.« Die Demonstration soll vor dem polnischen Parlament und eigentlich während einer Sitzung stattfinden. Die wurde nun verschoben. »Wahrscheinlich mit der Vorahnung, dass PiS auf Krawall gebürstet ist und Bilder von Handgemengen und Polizeieinsätzen will«, so Loew. Zäune sowie die polizeiliche Bewachung des Parlamentsgebäudes waren in der Regierungszeit der PiS gang und gäbe. Eine der ersten Amtshandlungen der neuen Regierungsmehrheit war es, diese Absperrungen abzuschaffen, um ein transparentes Parlament zu signalisieren.

PiS-Anhänger hoffen auf den Trump-Moment

»Es ist nicht ausgeschlossen, dass zumindest Teile der radikalisierten PiS-Anhängerschaft eine Art Sturm aufs Kapitol versuchen und einen ›Trump-Moment‹ entstehen lassen«, so Loew. Es solle der Eindruck vermittelt werden, dass der Staat »gekapert« worden sei, die aufgepeitschte und polarisierte Gesellschaft solle bloß weiter aufgepeitscht und polarisiert werden. Der Historiker gibt zu Bedenken, dass die Demo an den Kundgebungen der Demokrat*innen zur Zeit des Wahlkampfs gemessen wird. Beim »Marsch der Millionen Herzen« im Oktober kamen hunderttausende Bürger*innen nach Warschau, um ein Zeichen gegen die PiS zu setzen. Der Marsch der »freien Polen« wird das nach Loews Auffassung nicht erreichen. Zum einen, weil das Wetter ungünstig ist. Zum anderen, weil die PiS im liberalen Warschau keine große Unterstützung hat.

Der Sender, der den Mobi-Spot für den PiS-Protest zeigte, erreicht die durchschnittliche Rentnerin im ländlichen Raum eher nicht. Der Kanal ist nicht überall zu empfangen und vielfach nur über das Internet. Es ist auch unwahrscheinlich, dass sie die Social-Media-Plattformen der PiS im Blick hat. Zwar gibt es weiter Medien, die auf PiS-Linie sind, »das hat alles aber nicht die Qualität, wie die Öffentlich-Rechtlichen, die zu Staatsmedien wurden, sie hatten«, meint Loew. Der »Protest der freien Polen« werde der Lackmustest dafür sein, wie weit die Aktivierung der PiS-Anhängerschaft dennoch reicht. Die Partei will offenbar »trotz der medialen Erschwernisse gesehen und gehört werden – je lauter sie schreit, desto wahrscheinlicher wird sie auch gehört werden.«

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