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Pass für Pass spielt sich Bayer Leverkusen Richtung Titel

Mit beharrlichem Spiel gewinnen Leverkusens Fußballer in Augsburg – und sind Hinrundenmeister

  • Maik Rosner, Augsburg
  • Lesedauer: 4 Min.
Erlösender Jubel: Exequiel Palacios (2.v.l.) schoss das später Leverkusener Siegtor.
Erlösender Jubel: Exequiel Palacios (2.v.l.) schoss das später Leverkusener Siegtor.

Reiner Calmund ist in Augsburg vor den Kabinen nicht durch jenen Vorraum gelaufen, der gleich hinter dem Zugang zum Rasen liegt und in dem nach den Spielen die Interviews geführt werden. Die Abwesenheit des früheren Managers von Bayer Leverkusen war schon allein daran zu erkennen, dass sich aus keinem Gespräch ein ausgeprägter rheinischer Dialekt vernehmen ließ. Der spanische Trainer Xabi Alonso aus dem Baskenland hat sich diese Mundart in Leverkusen bisher ebenso wenig angewöhnt wie der finnische Torwart Lukas Hradecky oder der im nördlichen Westfalen aufgewachsene Geschäftsführer Sport, Simon Rolfes. Dennoch konnte Calmunds breiter Singsang zumindest vor dem inneren Ohr erklingen, nachdem Leverkusen am Sonnabend durch das Tor des Argentiniers Exequiel Palacios in der vierten Minute der Nachspielzeit 1:0 (0:0) beim FC Augsburg gewonnen und sich zum Meister der Hinrunde gekrönt hatte.

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Wer Alonso, Hradecky und Rolfes danach zuhörte, wie sie dem inoffiziellen Titel keine große Bedeutung zumessen wollten, konnte sich auch ohne einen rheinischen Zungenschlag an Calmund erinnert fühlen. »Herbstmeisterschaft zu feiern ist für mich wie ein Christbaum ohne Schmuck. Zählt nicht. Bescherung ist am 34. Spieltag«, hatte Calmund in der Saison 2001/2002 gesagt, nachdem die Leverkusener erstmals den Halbjahres-Titel gewonnen hatte. Dem damaligen Trainer Klaus Toppmöller ließ Calmund in jener Zeit das Lob zukommen, dieser sei »so ein kleiner, abgebrühter Schweinepriester« und lasse sich »von keinem auf der Nase herumtanzen«.

Als sich Calmund nun vor dem Spiel der Leverkusener in Augsburg für die ARD-Sportschau an den Zwischentitel vor 22 Jahren mit Spielern wie Lucio, Zé Roberto, Michael Ballack, Bernd Schneider und Dimitar Berbatow erinnerte, bedachte er den damals 36 Jahre alten Angreifer Ulf Kirsten in der Rückschau mit dem ebenfalls wertschätzenden Zusatz »der alte Sack«. Auf derlei volkstümliche Einlassungen hat der aktuelle Manager Rolfes verzichtet. In der Sache aber sieht er es durchaus wie einst Calmund, jedenfalls in Bezug auf die dritte Hinrunden-Meisterschaft der Werkself. »Ach, das ist nicht so wichtig, der Sieg ist wichtig. Das andere ist nur eine Momentaufnahme«, sagte Rolfes. Und auch von Fragen, ob dieser spät erreichte Erfolg beim FCA und die Zwischenbilanz als Zeichen an den FC Bayern München zu verstehen seien, ließ er sich nicht locken. »Das interessiert mich überhaupt nicht«, antwortete der 41-Jährige. Bei Alonso klang das sehr ähnlich: »Es war nur ein Sieg, mehr nicht«, sagte der 42 Jahre alte Trainer.

Bei Bayer wissen sie natürlich, dass ihnen die Zwischenbilanz nicht zugefallen ist und diese durchaus eine Aussagekraft besitzt. Nicht nur, dass der Tabellenerste nach 17 Spieltagen in 60 Jahren Bundesliga in zwei von drei Fällen Meister wurde. Hinzu kommt, wie die Leverkusener zu ihrem Spitzenplatz gekommen sind. Pass für Pass haben sie sich den inoffiziellen Titel erspielt, indem sie Alonsos Maßgabe folgen, wann immer möglich den Nebenmann flach und sauber zu adressieren. In Augsburg taten sie das auch nach vielen vergebenen Chancen beharrlich bis zum Schluss. Den widerspenstigen FCA rangen sie letztlich spielerisch nieder, indem Alejandro Grimaldo von links in die Mitte passte, wo Palacios den Ball in einer Bewegung mit rechts annahm und mit dem linken Vollspann einschoss. »Das Tor war kein Glück, sondern das Verdienst guter Arbeit«, betonte Alonso.

Von ihrem Nachdruck, Willen und mit erkennbarer Qualität sowie ihren nun 26 Pflichtspielen in Serie ohne Niederlage fühlen sich die Leverkusener viel mehr bestärkt als vom Tabellenbild. Zumal sie in Augsburg ohne den verletzten Angreifer Victor Boniface sowie ohne die beim Afrika-Cup geforderten Edmond Tapsoba, Odilon Kossounou und Amine Adli auskommen mussten. Zudem hatte Alonso in der Startelf auf Abwehrchef Jonathan Tah wegen einer drohenden Gelbsperre und auf den leicht angeschlagenen Florian Wirtz verzichtet.

Ihre eigene Geschichte begreifen sie bei Bayer nun als Warnung und Ansporn zugleich. Nachdem die Leverkusener zu Calmunds Zeiten nach 17 Spieltagen erstmals oben gestanden hatten, waren sie am Saisonende als Tabellenzweiter eingelaufen, mit nur einem Punkt Rückstand auf den Meister Borussia Dortmund. Fest verankert ist der Beiname Vizekusen seit 2002 auch deshalb, weil sie damals obendrein die Endspiele in der Champions League und im DFB-Pokal verloren hatten.

Leverkusens zweiten Hinrundentitel in der Saison 2009/2010 hatte Rolfes als defensiver Mittelfeldspieler miterlebt und damit auch den Absturz auf Platz vier am Saisonende – mit elf Punkten Rückstand auf den FC Bayern. Derartiges soll sich nun keinesfalls wiederholen. Und zumindest Calmund hat die Hoffnung auf den ersten Meistertitel schon frei heraus formuliert. Sein Wunsch: »Vielleicht sagt doch jetzt endlich mal der Fußballgott: ›Jetzt muss ich mal was für die Leverkusener tun‹.«

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