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Superwahljahr in Österreich
Die rechtsextreme FPÖ könnte laut Umfragen im Nationalrat zur stärksten Kraft aufsteigen
Österreich erwartet ein politisch brisantes Jahr: Inmitten mannigfaltiger Krisen finden EU-Wahlen, Nationalrats-, Landtags- sowie auch einige recht bedeutsame Gemeinderatswahlen statt. Wahlen, die die politische Landschaft auf den Kopf stellen könnten.
Noch herrscht relative Ruhe, die politischen Geschütze sind aber bereits in Stellung gebracht: Zwei parlamentarische Untersuchungsausschüsse wurden installiert. Einer – von der Opposition auf den Weg gebracht – soll illegalen ÖVP-Parteispenden nachspüren; ein zweiter – von den Konservativen selbst initiiert – trägt den bezeichnenden Titel »Rot-Blauer Machtmissbrauch« und hat Sozialdemokraten (SPÖ) und die rechtsextreme FPÖ im Visier.
Die eine oder andere Wortmeldung aus der Politik riecht bereits gewaltig nach Wahlkampf. So warnte in diesen Tagen Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP): »Wir dürfen unser Schnitzel nicht gefährden.« Anlass war ein Urteil des Verfassungsgerichts zur rascheren Umsetzung von Tierschutzmaßnahmen, konkret eines Verbots von Vollspaltenböden in der Schweinezucht. Die ÖVP sieht dadurch Wettbewerbsnachteile für heimische Bauern. Und die wiederum sind eine Stammklientel der Konservativen.
Im März wird in Salzburg ein Gemeinderat gewählt. Hier werden den Kommunisten (KPÖ) Chancen auf das Bürgermeisteramt eingeräumt. Im April folgt Innsbruck, wobei 13 Listen um 40 Mandate konkurrieren und der grüne Bürgermeister fallen könnte. Im Juni findet die EU-Wahl statt, und im Herbst folgen Landtagswahlen in Vorarlberg und der Steiermark sowie Nationalratswahlen – sofern die Koalition aus ÖVP und Grünen bis dahin hält.
Das ist angesichts vieler Problemfelder keinesfalls ausgemacht. Sprengkraft besitzen die Russland-Geschäfte, die hohe Inflation, die Frage der Energieversorgung, die Nachwehen des Pandemiemanagements und Konflikte rund um das Erbe von Ex-Kanzler Sebastian Kurz: Korruptionsskandale, Attacken auf Justiz und Medien, schließlich die Auswirkungen der Signa-Pleite.
Vor allem aber ist da die FPÖ, die in Österreichs Politik mit ihren Parolen und ihrer Polemik den Takt und die Tonhöhen vorgibt und ohne Abmilderungen das volle Programm der neuen Rechten fährt. Nach Umfragen ist ein Sieg der Freiheitlichen bei den Nationalratswahlen kaum noch abzuwenden. Von einem »Jahr der Wende« sprach FPÖ-Chef Herbert Kickl zuletzt in einem TV-Interview.
Die Institute sehen die Partei aktuell bei 29 bis 32 Prozent der Stimmanteile. Auf den weiteren Plätzen folgen die SPÖ (22 bis 25 Prozent), die ÖVP (20 bis 23 Prozent), die liberalen Neos (9 bis 11 Prozent) und die Grünen (8 bis 9 Prozent). Der KPÖ könnte erstmals seit 1959 wieder der Sprung über die Vierprozenthürde und damit der Einzug in den Nationalrat gelingen.
FPÖ-Chef Kickl hat die Identitäre Bewegung wiederholt als »NGO von rechts« verharmlost. Der Kopf der Identitären in Österreich, Martin Sellner, war einer der Redner auf dem gerade publik gewordenen Treffen von Rechtsextremisten in Potsdam, wo Deportationspläne für Migranten und politische Gegner debattiert wurden.
Zugleich attackierte die FPÖ wiederholt das »Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes«, eine von Bund und Stadt Wien mitgetragene Stiftung, die sich wissenschaftlich mit der NS-Vergangenheit, mit Rechtsextremismus, Revisionismus und Antisemitismus auseinandersetzt.
Heißt der nächste Bundeskanzler Österreichs Herbert Kickl? Regierungschef Karl Nehammer (ÖVP) hat eine Koalition mit der FPÖ zwar ausgeschlossen. Fraglich ist aber, ob er nach der Wahl im Herbst, bei der den Konservativen Verluste von über 10 Prozent prophezeit werden, noch Parteichef sein wird. Auch hat die ÖVP schon einmal ein solches Versprechen abgegeben – und gebrochen. Eine Koalition mit der FPÖ ebenfalls ausgeschlossen haben SPÖ, Grüne und Neos.
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